So wie du mich willst Celle que vous croyez
© Alamode Film

So wie du mich willst

So wie du mich willst Celle que vos croyez
„So wie du mich willst“ // Deutschland-Start: 8. August 2019 (Kino)

Eigentlich hatte Claire (Juliette Binoche) ihr falsches Facebook-Profil nur deshalb angelegt, um besser ihrem Liebhaber Ludo (Guillaume Gouix) hinterherspionieren zu können. Doch stattdessen kommt sie dabei dessen Freund Alex (François Civil) näher. Immer wieder chatten die beiden zusammen, tauschen sich aus, telefonieren auch des Öfteren miteinander, bis bei Claire tatsächlich tiefere Gefühle entstehen. Und auch Alex würde sich gern mit seiner Internetbekanntschaft treffen. Was natürlich nicht geht, denn dann würde auffliegen, dass die vermeintliche 24-jährige Schönheit in Wirklichkeit eine 50-jährige geschiedene Lehrerin ist.

Das Internet lädt bekanntlich dazu ein, sich selbst ein bisschen besser zu machen, als man ist. Schöner. Größer. Leichter. Glücklicher. Wo dabei die Lüge den anderen gegenüber aufhört und die Selbstlüge beginnt, ist dabei nicht immer leicht zu sagen. In dem Zwang und Drang zur Selbstoptimierung bleibt schließlich das selbst meist auf der Strecke. Das muss auch Claire feststellen, als wider Erwarten und wider ihrer eigenen Planung Gefühle für jemanden entwickelt, den sie nur vom Sehen und virtuell kennt. Aber kennt sie ihn wirklich? Und sind das auch wirklich ihre Gefühle, die sie in sich trägt?

Von Frauenbildern und Selbstlügen
So wie du mich willst denkt viel darüber nach, was es mit uns macht, wenn wir unser Innenleben mit der zwangsläufig distanzierten Online-Welt in Einklang bringen wollen. Das haben andere natürlich auch getan. Das Thema virtuelles Abbild ist so allgegenwärtig geworden, gerade durch den Siegeszug der sozialen Medien, dass viele Filmemacher und Filmemacherinnen es aufgegriffen haben. Eighth Grade beispielsweise handelt von einer Teenagerin, die ihr Inneres hinter Motivationsvideos und komisch gefälschten Instagram-Fotos versteckt. Während die meisten Werke das Leben und Leiden junger Menschen thematisieren, greifen andere die – oft ungelenken – Versuche der älteren Mitbürger*Innen auf, ihr spätes Glück online zu finden.

So wie du mich willst geht da noch einmal einen etwas anderen Weg. Die Adaption des Romans Celle que vos croyez von Camille Laurens behandelt zwar die üblichen Fragen, die mit einer Internetliebe einhergehen – wie viel von den Gefühlen ist echt, wie viel lediglich eine durch Projektion ausgelöste Sehnsucht? Gleichzeitig spricht sie aber auch ähnlich zu Es gilt das gesprochene Wort ein Thema an, das nach wie vor nicht ganz alltäglich ist: die Beziehung einer Frau zu einem deutlich jüngeren Mann. Kann das funktionieren? Was will so ein junger Kerl von ihr? Kommt es tatsächlich auf die inneren Werte an, wie uns immer vorgebetet wird? Oder ist das Äußerliche entscheidend, auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen?

Der späte Abstieg
Das ist vor allem in der ersten Hälfte sehr überzeugend dargestellt. Juliette Binoche zeigt wie auch in High Life oder Meine schöne innere Sonne – Isabelle und ihre Liebhaber, dass Frauen jenseits der 50 noch voller Begierden und Sehnsüchte sein können, mit einem ausgeprägten sexuellen Interesse. Wie die von ihr verkörperte Claire durch die Gegend schleicht, sich nach dem deutlich jüngeren Alex verzehrt, darunter leidet, sich aber auch zu Höhenflügen aufschwingt, das ist sinnlich-starke Schauspielkunst. Und auch die Diskussionen mit ihrer Therapeutin Catherine Bormans (Nicole Garcia) haben immer etwas von einem verschmitzten Katz-und-Maus-Spiel, während die Themen ein wenig zu explizit noch einmal in Worte gefasst werden.

Weniger interessant wird es zum Ende hin, wenn die Romanadaption noch eine weitere Realitätsebene aufmacht. Das Drama, welches auf der Berlinale 2019 seine Weltpremiere hatte, versucht sich an einer Art Epilog zu der virtuellen Beziehung. Teilweise vertieft das die Motive und Fragestellungen noch ein wenig, wenn endgültig Realität und Fantasie miteinander verschmolzen sind. Doch fehlt dem Ganzen notgedrungen die Kraft und Lebendigkeit der neuen Liebe, welche in der ersten Hälfte entsteht. Trotz des seltsamen Ausklangs ist So wie du mich willst aber ein sehenswerter Film über Liebe und Identität in einer Welt, in der die alten Gesetze keine Gültigkeit mehr haben, jedoch keiner so genau sagen kann, was denn an deren Stelle treten soll.



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„So wie du mich willst“ erzählt von einer Frau jenseits der 50, die mit einem falschen Profil die Aufmerksamkeit eines deutlich jüngeren Mannes auf sich zieht. Die Romanverfilmung hat dabei viel über konstruierte Identitäten und die Suche nach der wahren Liebe zu erzählen, ist zudem mit Juliette Binoche brillant besetzt, verrennt sich zum Schluss aber zu sehr in ein Gedankenkonstrukt, das nicht mehr die Kraft und Sinnlichkeit der ersten Hälfte hat.
7
von 10