Angelo
„Angelo“ // Deutschland-Start: 28. November 2019 (Kino)

Anfang des 18. Jahrhunderts wird ein kleiner Junge aus seiner afrikanischen Heimat als Sklave bis nach Österreich verschleppt. Dort wird er von einer alleinstehenden Gräfin (Alba Rohrwacher) ausgesucht und aufgenommen. Das natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken und auch nicht ganz uneigennützig, wie sich zeigen wird. Zunächst wird der Junge getauft und erhält damit seinen edleren europäischen Namen Angelo. In ihn werden große Erwartungen gesteckt, wird er doch in Französisch, Musik und Schauspiel unterrichtet. Aus ihm soll schließlich ein vorzeigbares Prestigeobjekt für den Adel werden. Als Angelo das Jugendalter erreicht, scheint der Gräfin genau das gelungen zu sein. Denn sie vermag ihm nichts mehr beibringen zu können, er habe nun alles gelernt. Und so wechselt Angelo (Makita Samba) in die Dienerschaft des Kaisers, der ihn mit Freuden seiner Gefolgschaft vorstellt. Nebenher scheint ihn der Kaiser an vielen Annehmlichkeiten teilhaben zulassen, denn sogar ein eigenes Haus darf Angelo später selbst beziehen. Als er sich allerdings in eine Weiße (Larisa Faber) verliebt und die beiden dann auch noch heimlich heiraten, ist der Kaiser ganz und gar nicht erfreut. Als Konsequenz entlässt er Angelo aus seinem Dienst und schenkt ihm wahrhaftig die Freiheit. Schnell stellt sich jedoch die Frage ob er mit der neu gewonnenen Freiheit umgehen und sich in seiner Zwangsheimat zurechtfinden kann.

Der Film von Markus Schleinzer (Michael) orientiert sich an der Biografie des Angelo Soliman, der seiner Zeit bis nach Wien verschleppt wurde und dort dem Adel diente. Bereits im Herbst 2018 wurde die zweite Regiearbeit von Schleinzer in Toronto auf dem Internationalen Filmfestival vorgestellt. Jetzt ist Angelo auch erstmalig bei uns auf dem diesjährigen Münchener Filmfestival zusehen. Dass der Regisseur des Films ein großer Theaterliebhaber ist, merkt man dem Film gleich zu Beginn an. Nicht nur, dass der Film in drei Akten präsentiert wird, nein auch entschied sich Schleinzer für ein 4:3 Bildformat und opulente Kostüme.

Optische Irritationen
Leider beginnen hier aber schon die ersten Schwierigkeiten des Films. Bereits am Anfang wird klar, dass für Angelo keine klare zeitliche Grenze innerhalb der Geschichte gezogen wird. Da erscheinen die Schauspieler in wundervollster historischer Ausstattung in einer modernen neonbeleuchteten Lagerhalle um die Wahl des Sklaven / Kindes darzustellen. Dass Schleinzer bewusst auf eine zeitliche Vermischung setzt, erweist sich zwar als clevere Idee in Hinblick auf eine Übertragbarkeit in unser heutiges Leben, optisch sorgt das aber für Irritation, weil man sich als Zuschauer nicht ganz sicher sein kann, was von dem Film zu erwarten ist. Handelt es sich tatsächlich um ein biografisches Werk oder vielleicht doch eher um einen Versuch, Missstände zu reflektieren und auch für heutige Verhältnisse zu übertragen, sozusagen als moralisches Lehrwerk.

Aber nicht nur das, auch die Qualität des Films steht im starken Kontrast zur der gezeigten Zeit. Ein gestochen scharfes Bild im 4:3 Format erweckt sehr viel stärker den Eindruck, sich ein Theaterstück anzusehen, als es dem Film insgesamt guttut. Man wird nie das Gefühl los, sich ein einstudiertes Werk anzusehen, da dessen Charaktere sehr auf Distanz zum Zuschauer sind und relativ wenig Möglichkeiten für Empathie lassen. Dabei hätte die Situation um den Hauptcharakter und dessen Ausbeutung zum Zwecke der Selbstdarstellung des Adels viele Möglichkeiten geboten, um ein stärkeres biografisches Drama zu entwickeln. So wird man sich zwar bewusst, welchen Anstrengungen Angelo ausgesetzt worden ist und was er letztendlich erleiden musste, trotzdem schafft es der Film nicht emotional warm zu werden.

Die Unterteilung des Films in drei Akte hätte ebenfalls funktionieren können, hätte man sie als gleichwertig eingestuft. So wird sich in den ersten beiden Akten szenenweise manchmal zu viel Zeit gelassen, ohne dabei aber tiefgründiger in die Gedankenwelt der beteiligten Figuren einzutauchen. Der letzte Akt des alternden Angelo wird dann leider vergleichsweise schnell abgearbeitet. Zu allem Übel kommt man nicht umhin, dann auch noch die Kameraarbeit im Kleinen zu kritisieren. So gibt es Szenen, in denen der Fokus eindeutig auf den Figuren, ihren Monologen oder Schweigen liegt. Dass die Kamera dabei merklich wackelt und nicht stillsteht, kann tatsächlich unpassend und sogar störend wirken. Insgesamt stellt sich letztendlich wirklich die Frage, ob es vielleicht besser gewesen wäre die Lebensgeschichte des Prestigeobjektes Angelos ausschließlich fürs Theater zu konzipieren.



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"Angelo" schwächelt als biografisches Drama an vielen Stellen und kann auch auf emotionaler Ebene wenig überzeugen. Die Dramaturgie enttäuscht und macht Angelo damit zu einem relativ bedeutungslosen Film, der vermutlich als reines Theaterstück mehr Eindruck hinterlassen hätte.
3
von 10