Kanun

Kanun

Agim (Kida Khodr Ramadan) gehört sicher nicht zu den großen Gewinnern des Lebens. Eine Wohnung hat er nicht, ebenso wenig eine Perspektive, nur mit Mühe und Not hält sich der Obdachlose über Wasser. Da geht es Yon (Blerim Destani) ganz anders, der fest im Leben integriert ist, es zu richtig etwas gebracht hat. Und doch eint die beiden Männer eine Vergangenheit, die bis nach Albanien zurückreicht. Eine Vergangenheit, die beide viel lieber vergessen hätten. Sie auch vergessen haben. Bis sie sich wieder gegenüberstehen eines Tages, per Zufall, und wieder von ihren Erinnerungen eingeholt werden.

Auf zu neuen Aufgaben
Nun hat es also auch Kida Khodr Ramadan erwischt. Hauptrollen übernimmt der gebürtige Libanese zwar eher selten, mit Ausnahme der Ausnahmeserie 4 Blocks natürlich. Dafür tritt der Darsteller in gefühlt jeder zweiten deutschen Produktion auf, teils in winzigen Rollen, zuletzt etwa in Arthurs Gesetz, Womit haben wir das verdient? und Die Goldfische. Offensichtlich war ihm das aber, trotz Dauerbeschäftigung, nicht genug. Und so entschloss er sich, ein bisschen zweigleisig zu fahren und bei Kanun sein Debüt als Co-Regisseur und Co-Autor zu geben.

Das Ergebnis ist ein eher unscheinbarer Film, teils etwas dokumentarisch angehaucht, der sich wie so viele mit dem Gegensatz von Tradition und Moderne auseinandersetzt. Kanun lässt sich dafür aber Zeit. Anstatt von Anfang an diesen Konflikt voll auszuspielen, gibt es hier erst einmal den zwischen arm und reich. Zwischen einem, der es im Ausland geschafft hat, und einem, der dabei auf der Strecke blieb. Das ist ein wenig überspitzt, könnte leicht auch als Komödie umfunktioniert werden, gerade auch bei einer gemeinsamen Szene im Restaurant, wenn wirklich zwei Welten aufeinanderprallen. Soll es aber natürlich nicht.

Das Spiel mit der Dunkelheit
Stattdessen handelt es sich bei dem Film, der bei den Hofer Filmtagen 2018 Premiere feierte, in erster Linie um ein Drama, das aber auch leichte Thrilleranleihen aufweist. Worin die gemeinsame Vergangenheit besteht, das wird beispielsweise erst später verraten. Und auch, was das jetzt genau bedeutet, ist nicht von Anfang an klar. Nur dass es irgendwie nicht gut sein kann, das ist früh ersichtlich, Kanun droht ganz gern mit einer etwas düsteren, etwas ominösen Atmosphäre.

Das klappt vor allem zum Schluss gut, wenn das übliche Berlin ausgetauscht wird gegen eine kleine Vergangenheitsreise, mit viel lokalem, sehr rustikalen Charme und einigen schönen Aufnahmen. Die ganz große Spannung will bei Kanun nicht aufkommen, dafür schwankt der Film etwas zu sehr zwischen den Genres hin und her. Und auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem schwierigen kulturellen Erbe kommt zu kurz – da ist das Religionsdrama Oray über einen Mann, der mit alten Regeln hadert, schon etwas aussagekräftiger. Aber es ist ein interessantes Debüt, das Ramadan da gemeinsam mit Til Obladen vorgelegt hat und zeigt, dass der Schauspieler mehr zu sagen hat, als die Nebenrollen ihm oft ermöglichen.



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„Kanun“ erzählt die Geschichte zweier Männer, die eine gemeinsame Vergangenheit haben und sich Jahre später wieder treffen. Das schwankt ein bisschen zwischen Drama und Thriller, wird beidem nicht ganz gerecht. Dafür ist der Film atmosphärisch gut gelöst, lockt mit einer düsteren, unheilvollen Stimmung und der Frage, wie sehr wir uns zu Sklaven unserer Vergangenheit machen.
6
von 10