Testo Das Erste ARD Streamen online Mediathek TV Fernsehen Video on Demand DVD kaufen
© ARD Degeto/Marco Fische
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„Testo“ // Deutschland-Start: 2. Februar 2024 (Das Erste)

Inhalt/Kritik

Keko (Kida Khodr Ramadan), Stulle (Frederick Lau), Pepsi (Stipe Erceg) und Barro (Veysel Gelin) verbringen ihre Tage im offenen Vollzug. Darauf haben sie jedoch keine Lust mehr, ein Banküberfall klingt da viel lukrativer. Gemeinsam mit Kongo (Mortel Jovete) soll das Ding durchgezogen werden. Rein, Geld einsacken, raus – ganz einfach eigentlich. Anfangs scheint alles nach Plan zu laufen, doch als Pepsi die Schließfächer entdeckt, fängt die Sache an, ziemlich daneben zu gehen. Was ein einfacher Raub werden sollte, entwickelt sich schnell zu einer Geiselnahme. Alsbald hat die Polizei das Gebiet abgeriegelt. Die Einsatzleitung übernimmt Billy Fischer (Nicolette Krebitz), die so etwas allerdings noch nie getan hat. Anspannung herrscht sowohl bei den Gangstern als auch den Geiseln als auch der Polizei, und eigentlich möchte jeder nur heil aus der Sache herauskommen …

Ein Einstieg voller Fragen

Schon direkt zu Beginn versäumt die Improvisationsserie Testo es, den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Der Anfang wirft zwar Fragen auf, die potenziell dazu geeignet sind, Interesse zu wecken und dranzubleiben, aber es sind zu viele. Außerdem werden lange nicht genügend Informationen gegeben, um für eine Balance zu sorgen. Eine in Polizeiuniform gekleidete Frau tritt durch eine Glastüre, deren Innenjalousien durch irgendetwas in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein scheinen. Sie schreitet langsam weiter in die Räumlichkeiten hinein und sieht sich um. Ein Geldautomat im Hintergrund beantwortet dem aufmerksamen Zuschauer zumindest schon einmal die Frage, wo wir hier sind. Neben weiterer Unordnung findet die Dame eine Bankräuber-Maske, bevor sie schließlich auf eine Blutspur stößt.

Das funktioniert als Einstieg nur eben nicht so, wie es wohl geplant war. In der knapp neunzigsekündigen Sequenz sollen mehrere kleinere Fragen evoziert werden, die sich alle zu einer großen zusammenfassen lassen: Was ist hier passiert? Diese Frage ist gewollt und gewünscht, denn sie ist geeignet dazu, den Zuschauer zu packen, ihn neugierig zu machen. Dieses Unterfangen wird jedoch dadurch unterminiert, dass die eigentliche Frage von anderen überschattet wird: Wer ist diese Frau? Warum betritt eine Polizistin ganz alleine einen offensichtlichen Tatort? Wo sind die Kollegen? Das bisschen Umgebung, das wir durch die verhängten Glastüren sehen, scheint wie ausgestorben zu sein. Warum reagiert sie auf manches in der Bank so seltsam? Aus Zeitgründen ist vielleicht ein schnellerer Einstieg gewählt worden, in diesem Fall hätte die Kamera sich aber als bloßes Auge von der Tür zur Blutspur bewegen, die Polizistin also komplett weggelassen werden sollen. Ein vernünftigerer Einstieg wäre es jedoch gewesen, die Beamtin mit mehr Kontext und einer kleinen Hintergrundgeschichte zu etablieren. Die dritte valide Möglichkeit wäre gewesen, in medias res zu gehen. Nach der Sequenz springen wir nämlich erst einmal sechs Stunden in die Vergangenheit. Es hätte ebenfalls funktioniert, einfach direkt hier einzusteigen.

Impro ohne Rücksicht auf Verluste

Wie erwähnt ist Testo ist eine Improserie. Das heißt ja nun aber nicht, dass einfach alles akzeptiert werden muss, weil es eben spontan improvisiert wurde und nicht mehrere Überarbeitungen durchlaufen hat. Diese Vorstellung von Improvisation kommt jedoch vom modernen Improvisationstheater, beim Film sieht das alles anders aus. Hier sind die Rahmenbedingungen deutlich strikter und präziser vorgegeben, ähnlich wie beim Stegreiftheater haben die Darsteller allerdings eine gewisse Freiheit bei der Gestaltung ihrer Dialoge. Worin genau der Reiz für den Zuschauer bei solch einem Experiment liegen soll, bleibt etwas offen. Für die Schauspieler ist es sicher eine intensivere Erfahrung. So etwas wie Testo lässt sich sicher als Event oder eben Experiment vermarkten, aber der Gegenwert für die Einbußen, die durch das Weglassen mehrfacher Überarbeitung der Story gemacht werden, ist nicht gegeben. Ähnlich wie beim gezeigten Einstieg fehlt es an der Balance.

Dass Ramadan allerdings anscheinend nach eigenem Gutdünken schalten und walten konnte, ist nicht verwunderlich. Die Serie Asbest wurde in der ARD-Mediathek schließlich überraschend zu einem Hit. Dass es sich dabei eher um alten Wein in neuen Schläuchen handelte, schien niemanden so richtig zu interessieren. Auch Testo arbeitet wieder mit denselben Grundzutaten. Die immer selben Leute spielen die immer gleichen Rollen. Eine größere Änderung gibt es diesmal freilich: Nachdem die Verbrecher das Gefängnis verlassen haben, finden sie in der Bank schnell ein neues während der Geiselnahme. Draußen wartet schließlich das Gesetz auf sie, dem sie sich nicht ausliefern wollen. So ist die Serie dann auch kammerspielartig überwiegend dort lokalisiert.

Schwache Charaktere

Testo wirkt wie eine verwässerte Version von Hundstage des Regisseurs Sidney Lumet aus dem Jahre 1975. Wir müssen uns allerdings weder geographisch noch zeitlich so weit weg von unserer Ausgangslage bewegen, um bessere Vorbilder zu finden. Der hiesige Ein todsicherer Plan von 2014 etwa (ebenfalls mit Lau), der selbst als eine Art TV-Remake des vorgenannten Films angesehen werden kann, hat das alles schon besser vorgemacht. Hundstage basiert auf einer wahren Geschichte, was jedoch nicht der Grund dafür ist, dass dieser Film deutlich authentischer wirkt als Testo. Was die deutsche Serie sich neben anderen Verfehlungen zuschulden kommen lässt, ist die mangelnde Charakterzeichnung. Die Figuren wirken wie Entwürfe am Reißbrett, die nicht ausgearbeitet wurden.

Die an sich gelungene Kameraarbeit von Armin Franzen wird ab und zu durch seltsame Zwischenschnitte mit noch seltsamerer Farbkorrektur und sonstigen Effekten sabotiert, außerdem entlarvt das Editing stellenweise den gesamten Improvisationsansatz. Wenn Keko gegen Ende der ersten Folge eine Ansprache hält und die Figuren von einer zur nächsten Einstellung plötzlich ihre Position wechseln, ist zum einen klar, dass die Continuity hier geschlafen hat, und zum anderen dass es ja doch mehrere Takes gegeben haben muss. In der dritten Episode sind solche Anschlussfehler noch auffälliger.

Schöne Idee ohne Konsequenz

Testo ist zwar keine Komödie, aber da kein Genre enger mit der Improvisation verbunden ist, bleiben auch hier amüsante Momente nicht aus. Es ist zum Beispiel schon witzig, wenn die Gangster einem kleinen Mädchen freundlich winken, nur um der Polizistin im nächsten Augenblick den Mittelfinger zu zeigen. Solche Momente bleiben dann aber doch die Ausnahme.

Bei der Beschreibung des Projekts mag sich im Vorfeld die Frage aufdrängen, wieso das Ganze nicht einfach als Film veröffentlicht wird. Zunächst scheint es so, als wäre das Serienformat nur deshalb gewählt worden, weil Ramadan damit bisher die meiste Aufmerksamkeit gewinnen konnte. Spätestens beim Beginn der dritten Folge zeigt sich jedoch die narrative Hintersinnigkeit dieser Entscheidung. Die ersten Episode begann mit der oben zusammengefassten repetitiven Prolepse, die zweite mit einer Analepse, die dritte wiederum blieb in der Gegenwart, startete jedoch an einem anderen Ort als der Bank und mit einem neuen Charakter. Leider scheint dieses Konzept bei der vierten und fünften Folge schon wieder komplett vergessen worden zu sein, erst bei der sechsten Episode wird sich dann wieder eines Einstiegs bedient, der auf kreative Weise aus dem linear erzählten Rahmen fällt. Bei der siebten erneut nicht. Das ist insgesamt ziemlich uneinheitlich und schade um die schöne Idee, die nicht konsequent durchgezogen wurde.

Fortsetzung folgt?

Das Ende von Testo ist absurd. Wobei damit nicht das Ende der Geschichte gemeint ist, die ganz nett aufgelöst wird. Alles was danach passiert, hätte aber am besten gestrichen werden sollen. Asbest war als Miniserie konzipiert, wurde dank der hohen Einschaltquoten jedoch um eine weitere Staffel verlängert. Die letzte Einstellung von Testo suggeriert, dass auch hier bereits mit einer Fortsetzung kokettiert wird, die sich dann jedoch tatsächlich eher im Komödienbereich bewegt. Die ganze Sequenz davor ist schon ziemlich fragwürdig. Es ist ja eine Sache, jemandem, der Erfolge vorzuweisen hat, einen Freifahrtschein ausstellen zu wollen, aber irgendwo muss doch auch einmal ein Riegel vorgeschoben werden. Im Presseheft ist etwas von „einem kreativen und innovativen Regiekonzept“ zu lesen, was soll da auch schon anderes stehen; es ist wohl müßig anzumerken, dass jedes Nachwuchstalent mit so einem Pitch höflich hinauskomplementiert worden wäre.

Hat der Zuschauer sich allerdings einmal auf die Fahrt eingelassen, kann er auch bis zum Ende sitzen bleiben. Die sieben Folgen lassen sich schnell hintereinander wegschauen. Eine Umsetzung als Film wäre für das Projekt jedoch auch diesbezüglich die bessere Wahl gewesen, so hätten noch einige Minuten zusätzlich herausgeschnitten werden können. Wohl der Einfachheit halber spricht das Marketing von einer Folgenlänge von 15 Minuten, das ist aber bestenfalls ein Durchschnittswert. So hat beispielsweise die vierte eine Laufzeit von 20, die siebte eine von 12 Minuten.

Gutes Ensemble, leider verschenkt

Abgesehen vom Pacing sind es vor allem die schauspielerischen Leistungen, die bei Testo davon abhalten, abzuschalten. Zwischendurch scheint die Serie zwar zu vergessen, dass Stipe Erceg zum Cast gehört, aber das hängt eher damit zusammen, dass es hier generell zu viele Charaktere gibt. Die Rolle von Katharina Thalbach ist so klein, dass sie problemlos gestrichen und ihr Wegfall mit einigen Anpassungen im Drehbuch ausgeglichen werden könnte. Trotzdem nutzt sie die kurze Zeit, um zu zeigen dass es sich bei ihr 64 Jahre nach ihrem Schauspieldebüt immer noch um eine feste Größe im deutschen Film handelt. Am überzeugendsten ist aber wohl Frederick Lau, bei dem es eigentlich immer ein Vergnügen ist, ihm zuzusehen. Ramadan selbst ist bei dieser Art Rolle und Story sowieso in seinem Element.

Credits

OT: „Testo“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Olivia Retzer, Kida Khodr Ramadan
Drehbuch: Kida Khodr Ramadan, Jonas Hartmann, Christoph Gampl, Olivia Retzer
Musik: Clemens Bacher
Kamera: Armin Franzen
Besetzung: Kida Khodr Ramadan, Frederick Lau, Stipe Erceg, Veysel Gelin, Mortel Jovete, Nicolette Krebitz, Ronald Zehrfeld, Jeanette Hain, Ruby O. Fee, Uwe Preuss, Julias Feldmeier, Kathrin Angerer, Burak Yiğit, Katharina Thalbach

Bilder

Trailer

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Testo
Fazit
"Testo" versteht sich als Experiment, macht aber nichts aus der auf Improvisation basierenden Herangehensweise. Statt dem Zuschauer dadurch einen Mehrwert bieten zu können, ist die Serie von Problemen geplagt, die sich durch mehrfache Überarbeitung des Drehbuches lösen ließen. Fans des Hauptdarstellers können jedoch beruhigt einschalten, alle anderen zumindest einmal einen Blick in die erste Folge riskieren und dann gegebenenfalls bis zum Ende dranbleiben.
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