Vom Lokfuehrer der die Liebe suchte
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Vom Lokführer, der die Liebe suchte…

Vom Lokfuehrer der die Liebe suchte
„Vom Lokführer, der die Liebe suchte“ // Deutschland-Start: 7. März 2019 (Kino)

Tagein tagaus fährt Zugführer Nurlan (Miki Manojlovic) durch den Vorort der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Das ist eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, führt der Weg doch mitten durch das Leben der Bewohner. Viel Platz ist da nicht, jedes Mal wenn die Bahn anrauscht, müssen die Leute eiligst ihre Tische wegräumen, ihre Schachbretter und Wäscheleinen. Doch nicht immer klappt das so wie gewünscht, immer mal wieder verheddern sich kleinere Gegenstände an der Bahn. So auch am letzten Tag vor der Pensionierung des Zugführers, als ein schöner BH zurückbleibt. Für Nurlan steht fest: Er muss das wertvolle Textil an seine Besitzerin zurückgeben und lässt nichts unversucht, um diese ausfindig zu machen.

Es gehört zu den beliebtesten Märchen überhaupt, wurde vor einigen Jahren sogar von Disney mit großem Erfolg noch einmal auf die Leinwand gebracht: Cinderella. Die Geschichte um Aschenputtel, die einen Abend lang vom schönen Prinzen und den schönen Leben am Hof träumen darf, rührt bis heute die vornehmlich weiblichen Herzen. Wie soll man auch nicht einem unterdrückten Waisenkind die große Liebe wünschen? Das ist bei Vom Lokführer, der die Liebe suchte ganz ähnlich, auch wenn Nurlan sicherlich nicht Anlass zum Schmachten gibt. Dass hier ein BH den gläsernen Schuh als Erkennungsmerkmal ersetzt, gibt dem Ganzen auch einen leicht frivolen Dreh.

Die Welt als Märchen
Märchenhaft wirkt Vom Lokführer, der die Liebe suchte aber auch so. Schon die ersten Szenen, wenn die Bahn durch die viel zu engen Gassen rauscht, immer kurz davor steht, die Häuser zu rammen, sind nicht von dieser Welt. Oder zumindest nicht ganz. Regisseur und Co-Autor Veit Helmer (Quatsch und die Nasenbär-Bande) ließ sich von dem tatsächlichen Bahnbetrieb in Aserbeidschan inspirieren, wo Platz Mangelware ist, auch wenn der letztendliche Dreh nicht dort stattfand. Er überhöht das Ganze jedoch mit verschiedensten Mitteln, inhaltlich, visuell und akustisch.

Recht schnell fällt beispielsweise auf: In dem Film wird kein einziges Wort gesprochen. Zumindest keines, das wir hören dürfen. Die Rückbesinnung auf alte Stummfilmzeiten lässt Vom Lokführer, der die Liebe suchte altmodisch wirken, ein bisschen aus der Zeit gefallen. Ohnehin gibt es hier nichts, was auf die von uns gewohnte Gegenwart schließen lässt. Keine Smartphones. Keine moderne Technik. Selbst die Bahn wirkt so, als stünde sie kurz vor der Pension. Dazu passt dann auch die verspielte Filmmusik und eine auf alt getrimmte Optik, so als hätten wir hier tatsächlich einen Streifen von früher gefunden.

Witze auf festen Bahnen
Damit einher geht ein Humor, der sich in erster Linie auf der visuellen Ebene abspielt. Wenn Nurlan mittels Leitern in fremde Schlafzimmer klettert, dann sind das Gags, wie wir sie heutzutage eigentlich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Nicht jeder davon sitzt auch ganz so, wie er sollte. Hin und wieder neigt Vom Lokführer, der die Liebe suchte zu Wiederholungen, da Geschichte und Umsetzung doch ein recht enges Korsett sind, aus dem sich Helmer nicht wirklich befreien kann – oder will. So wie die engen Gassen keinen Platz für die Bahn lassen, so gibt es auch beim Film nur wenig Spielraum.

Aber es ist doch ein wahnsinnig charmanter Film, den Helmer da gedreht hat. Ein Film, der auch Widersprüche sucht und zulässt, wenn sich bezaubernde Idylle und schäbige Armut treffen. Vom Lokführer, der die Liebe suchte, das auf den Hofer Filmtagen 2018 Premiere feierte, veranlasst durchaus zum Träumen, so wie das verwandte Märchen. Für die große Liebe ist man schließlich nie zu alt, auch nicht zu hässlich. Dass Nurlan eben nicht dem Prinzenschema entspricht, sondern unscheinbar ist, wenig besonders, macht diese kleine deutsche Produktion zu etwas Besonderem. Denn hier sind die üblichen Regeln außer Kraft gesetzt, die Komödie hält sich weder an die Erwartungen eines heutigen Publikums, noch an die Gesetze der Realität. Es ist eine eigene kleine Welt, die hier geschaffen wurde, nah genug, um uns darin wiederzufinden, skurril genug, um Abstand zu finden. Das ist vielleicht nicht anspruchsvoll oder abwechslungsreich, aber doch auf seine Weise zauberhaft.



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„Vom Lokführer, der die Liebe suchte“ nimmt uns mit nach Aserbaidschan, wo ein pensionierter Lokführer die Besitzerin eines BHs sucht. Die Abwandlung des Aschenputtel-Märchens ist selbst zauberhaft, erschafft eine ganz eigene Welt, auch durch die betont altmodische Anmutung und den Verzicht auf Dialoge. Das Korsett der Komödie lässt jedoch keine größere Abwechslung zu.
7
von 10