Nachlass
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Nachlass

Nachlass
„Nachlass“ // Deutschland-Start: 27. September 2018 (Kino)

Es ist nie einfach, aus dem Schatten der Eltern hervorzutreten, sich von ihnen zu lösen. Das gilt natürlich besonders für Kinder von Stars und Helden, Menschen, die etwas Großes vollbracht haben. Aber wie ist es, wenn die Eltern selbst dieser Schatten sind? Wenn da Abgründe sind, die unseren Weg bestimmen, Ungerechtigkeit und großes Leid? Nachlass erzählt von eben solchen Abgründen, indem hier Leute zu Wort kommen, deren Eltern und Großeltern Teil des Nationalsozialismus waren. Oder aber deren Opfer.

Insgesamt sieben solcher Leidensgenossen haben Christoph Hübner und Gabriele Voss befragt. Denn gelitten haben sie alle unter der Vergangenheit, gleich ob sie nun von Tätern oder Opfern geprägt war. Aber ab wann ist man überhaupt Täter? Zählt die schweigende Mehrheit dazu, die den Verbrechen tatenlos zugesehen hat? Wie steht es um die, die auf Befehl Verbrechen verübt haben, entweder weil sie es nicht besser wussten oder Angst vor den Konsequenzen hatten?

Die Frage nach der Schuld
Das ist einerlei, gibt einer der Nachkommen an. Wer Unschuldige tötet, ist ein Mörder, gleich welche Motivation dahintersteckt. Darüber ließe sich diskutieren, Nachlass regt durchaus dazu an, sich mit solchen Situationen auseinanderzusetzen und moralisch zu bewerten. Man muss diesen Standpunkt nicht teilen, der Dokumentarfilm gibt selbst keine Antworten vor. Bemerkenswert ist vielmehr, dass sich der Gesprächspartner überhaupt zu diesem Standpunkt durchringen konnte, er genau das tat, was er seinem Vater vorwirft, nicht getan zu haben: eine Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld.

Wer dieser Gesprächspartner ist, das wird von Hübner und Voss nicht groß kommentiert. Der Dokumentarfilm, der letzten Jahr in Leipzig debütierte und anschließend beim DOK.fest München lief, startet mitten ins Geschehen, erklärt erst mit der Zeit, wer diese Leute sind, was das Thema ist. Wobei Geschehen hier nicht zu wörtlich genommen werden sollte. Ein Großteil von Nachlass besteht aus den mittlerweile gefürchteten sprechenden Köpfen, sprich einer Aneinanderreihung von Interviews mit Menschen, die irgendwo sitzen. Nur dann und wann kommt mal Bewegung hinein, etwa bei einem Ausflug in eine Erinnerungsstätte.

Emotionale Geschichten
Erinnerungen spielen allgemein natürlich eine große Rolle. Erinnerungen allgemeiner, aber auch sehr persönlicher Natur. An einer Stelle erzählt die Enkelin eines jüdischen NS-Opfers, sichtbar mit den Tränen kämpfend, wie sie mit ihrem Großvater Ausschwitz besuchte. Andere zeigen eher Fassungslosigkeit, wenn sie sich mit dem Erbe beschäftigen, oder auch Wut. Kalt lassen einen die Geschichten hier so oder so nicht. Nachlass schafft dabei die schwere Balance, gleichzeitig sehr individuelle Geschichten zu erzählen, dabei aber doch so universell und existenziell zu sein, dass man selbst als Nichtbetroffener etwas davon für sich mitnehmen kann. Denn die Frage, wie mit Schuld umzugehen ist, ob sich eine solche vererben lässt, der Kampf gegen die Schatten der Vergangenheit, Themen der Vergebung und Trauerbewältigung – das ist etwas, das allgemeingültig ist, unabhängig von Ort und Zeit.



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In „Nachlass“ lernen wir sieben Menschen kennen, die alle auf ihre Weise mit dem Erbe des Nationalsozialismus zu kämpfen haben. Die Geschichten der Nachkommen von Tätern und Opfern sind dabei sehr individuell, haben gleichzeitig aber auch eine universelle Relevanz, wenn von dem Umgang mit Schuld die Rede ist, von schweren Schatten der Vergangenheit, die uns bis heute nachfolgen.