Kiznaiver
Kiznaiver
„Kiznaiver“ // Deutschland-Start // Blu-ray: 30. März (Vol 1)/25. Mai (Vol 2)

Katsuhira Agata ist ein fast ganz typischer japanischer Schüler. Sieht man einmal darüber hinweg, dass seine Haare keine Farbe haben und er selbst über kein Schmerzempfinden verfügt. Das bringt ihn immer wieder in schwierige Situationen, gerade auch bei Schulkameraden, die Spaß daran haben, ihn zu verprügeln und zu erpressen. Aber seine wahre Prüfung steht erst noch bevor. Anstatt gar nichts zu fühlen, ist er nach einer eigenartigen Entführung mit anschließender Zwangs-Operation nun mit einigen anderen Mitschülern verbunden. Jedes Mitglied der sogenannten Kiznaiver fühlt in Folge, wenn andere Schmerzen haben, egal ob nun physischer oder emotionaler Natur.

Kann man Empathie lernen? Darüber lässt sich streiten. Zu oft haben wir zuletzt Beispiele aus Übersee mitansehen müssen, wie auf bizarre und zynische Weise Familien getrennt und in Käfigen gehalten werden. Laut Kiznaiver lässt sie sich aber zumindest erzwingen, und sei es durch den Einsatz von Technik. Die Idee einer solchen erzwungenen Schmerzübertragung wäre in einem Horrorfilm gut aufgehoben, perfide genug ist sie ja. Und natürlich rätselhaft, sowohl für die Betroffenen wie auch für das Publikum, das keine Ahnung hat, wer oder was hinter diesem seltsamen Phänomen steckt.

So seltsam, dass es komisch ist
Das schreit eigentlich nach einem Vertreter des Bereiches Mystery. Der Anime ist jedoch zunächst einmal komisch, was kein wirkliches Wunder ist. Nicht bei diesem Studio. Die Männer und Frauen von Trigger haben uns ja schon so kuriose Kostbarkeiten Kill la Kill oder Ninja Slayer From Animation beschert. So wie dort gibt es hier dann eine Reihe von Beispielen für absurden japanischen Humor. Ungünstig innerhalb einer solchen Schmerzschicksalsgemeinschaft ist beispielsweise, wenn sich auch ein Masochist in die Gruppe geschlichen hat. Denn während das Experiment ja eigentlich zur gegenseitigen Schmerzvermeidung führen soll, ist ein Schmerzgourmet da etwas kontraproduktiv.

Was längere Zeit nach einer Komödie aussieht, wird später jedoch deutlich düsterer. Und dramatischer. Auch das kommt für Animefans nicht ganz unerwartet, geht die Serie doch auf Mari Okada zurück. Und wer die anderen Werke der auf jugendliche Verzweiflung abonnierten Drehbuchautorin kennt, etwa Black Rock Shooter oder Selector Infected WIXOSS, der weiß, dass sie keine Scham kennt bei der Ausschlachtung großer Gefühle. Bei Kiznaiver ist das einerseits angesichts des Themas passend, führt aber doch zu befremdlichen Stimmungsschwankungen innerhalb der zwölf Folgen.

Philosophie für den Hausgebrauch
Deutlich spannender sind da doch die weiterführenden, eher universellen Gedanken, wenn nicht das individuelle Leid breitgetreten wird, unter reichlich Tränen, sondern es etwas existenzieller wird. Welche Auswirkungen würde es auf die Gesellschaft haben, wenn wir Schmerzen und Gefühle der anderen kennen? Ließe sich damit eine bessere Welt erreichen? Wäre uns der Preis dafür das Ergebnis wert? Und hätten wir das Recht, andere zu dem gemeinsamen (Un-)Glück zu zwingen?

So richtig in die Tiefe geht das nicht, Kiznaiver schneidet dieses Szenario nur an. Das Publikum soll schließlich in erster Linie unterhalten werden, weniger die Welt retten. Ersteres funktioniert zumindest in den ersten zwei Dritteln ganz gut, die Geschichte um mitleidende Jugendliche ist ein Tipp für die Freunde etwas anderer Animes. Gerade auch solche, die ganz gerne was zum Anschauen haben: Wie so oft bei Trigger ist auch deren neuestes Werk recht stylisch mit einigen markanteren Designs.



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Was wäre, wenn du auf einmal die Gefühle und Schmerzen anderer spüren könntest? „Kiznaiver“ nimmt dieses ungewöhnliche Szenario und nutzt es zunächst auf eine recht unterhaltsame Weise. Später gibt sich der Anime zu sehr dem Herzschmerz hin, vernachlässigt dabei die nachdenklichere Seite. Interessant ist diese etwas andere Serie aber auch so.
6
von 10