Crazy Rich Asians
© Warner Bros

Crazy Rich

Crazy Rich Asians
„Crazy Rich“ // Deutschland-Veröffentlichung // Kino: 23. August 2018

Ein bisschen nervös ist Rachel Chu (Constance Wu) ja schon. Auf der einen Seite freut sie sich, mit ihrem Freund Nick Young (Henry Golding) in dessen Heimat Singapur zu reisen und auf die Hochzeit seines besten Freundes Colin Khoo (Chris Pang) zu gehen. Aber es bedeutet auch, Nicks Familie kennenzulernen. Was wenn die sie nicht mögen? Als sie unterwegs erfährt, dass diese auch noch steinreich ist, wovon sie selbst nie etwas ahnte, ist es ganz aus mit ihrem Selbstbewusstsein. Und diese Befürchtungen scheinen sich zu bewahrten, denn Eleanor Sung-Young (Michelle Yeoh), Nicks unterkühlte Mutter, lässt sie schnell spüren, dass sie so gar nichts von dieser Verbindung der beiden hält.

Vielfalt ist Trumpf?
Als 2016 mal wieder alle relevanten Preise bei den Oscars einer weißen Bevölkerung vorenthalten blieben, war der Aufschrei groß: Wo ist die Vielfalt? Was ist mit den ganzen Nicht-Weißen, die im Filmgeschäft arbeiten? Seither hat sich ein bisschen was getan. Dass Moonlight 2017 bester Film des Jahres wurde, ein Drama um einen schwulen Schwarzen, das hatte neben aller Qualität sicher auch mit den Umständen zu tun. Black Panther wurde dieses Jahr gar zu einem Phänomen: Mit inzwischen mehr als 700 Millionen Dollar Einnahmen steht der Marvel-Superheld auf Platz der erfolgreichsten Filme in den USA, wurde er doch zur Identifikationsfigur der unterdrückten schwarzen Gesellschaft.

Ein bisschen hofft man sicher auch bei Crazy Rich darauf, als wichtiger Film wahrgenommen zu werden. Ein Hollywood-Streifen, ausschließlich mit Leuten besetzt, die asiatische Wurzeln haben? Das hat es sehr lange schon nicht mehr gegeben. In den letzten Jahren waren es vor allem Whitewashing-Beispiele wie Ghost in the Shell oder Doctor Strange, die schmerzhaft demonstrierten, wie schlecht es um asiatische Darsteller im Westen gestellt ist. Vergleichbar sind die beiden Werke dennoch kaum. Nicht nur, dass eine Liebeskomödie nun mal andere Ziele verfolgt als ein epischer Actionstreifen. Die Ambitionen sind bei der Adaption von Kevin Kwans Romanbestseller zudem deutlich geringer.

Ich vs. wir
Während sich der durchaus witzige Einstieg noch mit Rassismus befasst, verliert der Film bald drauf schon jegliche Bodenhaftung. Gesellschaft relevant und interessant ist zu dem Zeitpunkt nur noch der übliche Gegensatz zwischen Tradition und Moderne. Rachel steht für das durch den Westen geprägte Weltbild steht, wonach das Individuum und dessen Suche nach Glück an erster Stelle kommt, Nicks Familie vertritt die überlieferte Ansicht, dass sich der Einzelne dem Kollektiv unterzuordnen hat. Vor allem das Wohl der Familie ist dabei von großer Bedeutung.

Problematisch hierbei: Dieser Gegensatz wird mit dem Gegensatz zwischen arm und reich verknüpft. Was in der Theorie eine Auseinandersetzung mit dem eigenen kulturellen Erbe und sich verschiebender Werte hätte werden können, läuft dann doch nur darauf hinaus, dass eine superreiche Familie niemanden aus dem einfachen Volk haben mag, selbst wenn diese an derselben Universität unterrichtet wie der eigene Nachwuchs. Dass es Eleanor um mehr geht als Geld, das wird zwar mehrfach behauptet, ein glaubwürdiger Beweis fehlt dafür jedoch.

Der Traum von einem anderen Leben
Allein deshalb schon darf bezweifelt werden, dass Crazy Rich zu einem ähnlichen Identitätsstifter wird wie Black Panther: Wo Unterdrückung von Schwarzen trauriger Alltag ist, der Wut der Unterdrückten die der Zuschauer widerspiegelte, da gehören Paläste, die der Toilette von Donald Trump nachempfunden sind, nicht unbedingt zur eigenen Erfahrungswelt. Stattdessen ist die Geschichte um das Mädchen aus einfachem Hause, das ihren großen Prinzen findet, typischer Cinderella-Eskapismus. Hier darf man noch träumen, von riesigen Schlössern, festlichen Kleidungen, erlesenen Menüs bis hin zu Hochhaus-Locations, die wie Kreuzfahrtschiffe aussehen.

Manchmal ist das witzig, gerade auch durch Nebendarsteller wie Nico Santos und Awkwafina, die als überzogene Upperclass-Karikaturen mit sonderbarem Geschmack auftreten. Die beiden Hauptdarsteller sind charmant. Zu sehen gibt es ohnehin einiges, die Schauplätze werden immer luxuriöser und absurder. So verrückt, wie der Film sich in seinem Titel gibt, ist er jedoch nicht. Er ist eigentlich sogar ziemlich langweilig und begnügt sich damit, brav alle Klischees von Liebeskomödien zu erfüllen. Wer von diesen nicht genug hat, findet hier zumindest einen Vertreter mit einem unverbrauchten Schauplatz und guten Schauspielern. Tatsächliche Emotionen sollte man von Crazy Rich aber nicht erwarten, denn die sind hier wie fast alles nur golden schimmernde Fassade. Oder um im Film zu bleiben: Chicken Nuggets bleiben nun mal Chicken Nuggets, auch wenn sie vor exotischen Kulissen gemampft werden.



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Reich mögen die Figuren in dem Film ja sein, verrückt eher weniger. „Crazy Rich“ nimmt sich zwar des interessanten Themas an, wie Kulturen sich durch einen Umzug in einen anderen Kulturkreis verändern können. Doch die Liebeskomödie bleibt dabei zu sehr an der Oberfläche. Manchmal ist die Geschichte um eine Frau aus einfachem Haus, die sich in einen millionenschweren Erben verliebt, noch recht lustig. Über weite Strecken ist sie jedoch ein ziemlich gewöhnlicher Genrevertreter, der zwar viel über Identität redet, selbst aber keine hat.
5
von 10