Familiye
© Koryphäen Film

Familiye

„Familiye“, Deutschland, 2017
Regie: Kubilay Sarikaya, Sedat Kirtan; Drehbuch: Kubilay Sarikaya, Sedat Kirtan
Darsteller: Kubilay Sarikaya, Arnel Taci, Muhammed Kirtan, Violetta Schurawlow

Familiye
„Familiye“ läuft ab 3. Mai 2018 im Kino

Viel haben sie nicht im Leben, dafür jede Menge Probleme. Und sie haben sich: Der Tod der Eltern hat die drei Brüder zusammengeschweißt, die noch immer in einer kleinen gemeinsamen Wohnung in Berlin Spandau leben. Nachdem er seine fünfjährige Haftstrafe abgesessen hat, kehrt der älteste der drei, Danyal (Kubilay Sarikaya), wieder dorthin zurück. Doch die Freude über das Wiedersehen hält nicht lang. Miko (Arnel Taci) ist spielsüchtig und hat jede Menge Schulden bei den falschen Typen. Außerdem droht man ihnen regelmäßig, den mit Down-Syndrom geborenen Muhammed (Muhammed Kirtan) aus ihrer Mitte zu reißen. Und als wäre das alles nicht auch so schon kompliziert genug, taucht eines Tages noch Silva (Violetta Schurawlow) bei ihnen auf, die aus der Psychiatrie geflohen ist und nun eine neue Unterkunft sucht.

Es weht ein rauer Wind durch deutsche Kinostraßen. Erst nahm uns Koxa mit in die Drogenszene Ludwigsburgs, im Januar folgte Nur Gott kann mich richten, ein düsterer Ausflug nach Frankfurt, wo zwei Brüder in einen fatalen Drogencoup verwickelt werden. Dessen Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu trat auch hier als Co-Produzent auf. Nicht ganz überraschend gibt es dann auch die eine oder andere Gemeinsamkeit. In beiden Fällen stehen Brüder im Mittelpunkt, Drogen und Geldprobleme spielen eine große Rolle. Im Vergleich zum moralisch ambivalenten, insgesamt aber geradlinigen Thriller, ist Familiye jedoch deutlich weiter gefasst.

Viel zu sehen, viel zu erzählen
So spielt beispielsweise der älteste der drei Brüder, verkörpert von Co-Regisseur und Co-Autor Kubilay Sarikaya, zunächst keine wirkliche Rolle. Stattdessen kümmert sich Familiye erst einmal um die beiden anderen, die jeweiligen damit verbundenen Probleme, in die dann eines Tages Silva hineinplatzt. So wie hier erstaunlich viele Leute auftauchen, die nicht direkt mit den drei zu tun haben. Auch wenn der Titel dies natürlich impliziert, der Film ist nur zum Teil Familiendrama, vielmehr ein Einblick in deren Mikrokosmos.

Schön ist der nicht, auch wenn er in schöne Schwarzweißbilder verpackt wurde. Spielsucht, Drogen, Kriminalität, Korruption, psychische Erkrankungen – es ist schon eine ganze Menge, was Sarikaya und sein Kollege Sedat Kirtan hier auffahren. Ein bisschen zu viel. Einige Punkte werden nicht so weit ausgeführt, wie sie es verdient hätten. Im Gegenzug gibt es so manche Szene, die nicht wirklich irgendwohin führt. Der Atmosphäre schadet dies jedoch kaum, Familiye wirkt über weite Strecken so, als wäre er direkt auf der Straße gedreht, einem Dokumentarfilm näher als einem Spielfilm.

Mehr ist manchmal weniger
Schade ist, dass dieses Maß an Authentizität nicht bis zum Schluss aufrechterhalten wird. Verständlich ist es natürlich, dass die zuvor herumirrende Geschichte irgendwann einmal auf den Punkt gebracht werden soll. Eine dramatische Zuspitzung folgt. Die verträgt sich jedoch nur schlecht mit der vorherigen Zurückhaltung, die in erster Linie auf den Alltag absah. Gleiches gilt für die bedeutungsschwangeren Voice Overs, die mit der bemühten Poker-Analogie mehr aus dem Film machen wollen, als notwendig war.

Das anvisierte unverfälschte Straßenporträt ist Familiye, das 2017 als Weltpremiere das Filmfest Oldenburg eröffnete, auf diese Weise nicht geworden. Eine Bereicherung für das deutsche Kino ist das Drama aber trotz dieser Mängel. Da sind rührende Momente dabei, wenn die drei Brüder Zeit miteinander verbringen. Traurige natürlich auch. Und erschreckende, wenn wir für einen kurzen Moment in eine Welt eintauchen, unserer so nah und doch weit weg, in der ganz eigene Regeln gelten. Eine Welt, die nur durch die Liebe von drei Brüdern zusammengehalten wird – mal besser, mal schlechter.



(Anzeige)

In „Familiye“ folgen wir drei Brüdern, in deren Leben so gut wie nichts klappt, die aber versuchen, sich gegenseitig zu unterstützen. Das ist mal rührend, dann wieder traurig bis erschreckend, ein Mikrokosmos eingefangen in schönen Schwarzweißbildern. Leider wird die grundsätzlich authentische Stimmung mehrfach durch unnötige Zuspitzungen zunichte gemacht.
6
von 10