Furusato

Furusato – Wunde Heimat

„Furusato“, Deutschland/USA/Japan, 2016
Regie: Thorsten Trimpop; Musik: Benedikt Schiefer

Furusato
„Furusato“ läuft ab 8. März 2018 im Kino

Die eigene Heimat verlassen müssen, irgendwo anders komplett von vorne beginnen, das ist nie eine einfache Entscheidung. Oft heißt es da ganz genau abwägen. Ist der neue Job so gut, dass er es wert ist, alles hier aufzugeben? Ist es wirklich die Liebe meines Lebens, der ich hier hinterherreise? Besonders schwierig ist es jedoch, wenn am neuen Ort gar nichts auf einen wartet. So erging es den Menschen in Minamisoma, einer Stadt in Fukushima, die 2011 stark von der Nuklearkatastrophe getroffen wurde. Teile von ihr sind bis heute gesperrt, andere hingegen gelten als unbedenklich und dürfen nach wie vor bewohnt werden.

Aber sind sie wirklich so unbedenklich? Nach den vielen Lügen und Halbwahrheiten, welcher die Menschen des Inselreiches anlässlich des Unglücks ausgesetzt waren, ist es kein Wunder, dass die Skepsis groß ist. Viele der Menschen, die in Furusato – Wunde Heimat zu Wort kommen, geben nicht ganz so viel auf die offiziellen Erklärungen. Und überhaupt, ist eine solche Grenze zwischen bewohnbar und unbewohnbar nicht automatisch willkürlich?

Warum bleibt ihr?
Regisseur Thorsten Trimpop, der die Bewohner von Minamisoma mehrfach besucht hat, geht es in seinem Dokumentarfilm jedoch weniger um die Frage, was medizinisch vertretbar ist und was nicht. Vielmehr interessiert ihn, weshalb so viele Menschen dageblieben sind, gerade auch in den selbst offiziell heiklen Gebieten. Die Antworten sind vielfältig. Da sind welche, die einen von der Familie betreuten Tempel nicht aufgeben wollten. Andere wollten sich um die Tiere kümmern, die sie nicht mitnehmen durften.

Furusato erinnert an diesen Stellen natürlich an die Dokukollegen La terre abandonnée und Half Life in Fukushima. Dort war es die Kleinstadt Tomioka, die verseucht wurde, was einige wenige aber nicht davon abhielt, aus Pflichtbewusstsein zu bleiben. Ganz so gespenstisch wie dort wird es bei Trimpop nicht. Während Tomioka komplett im Sperrgebiet liegt und deshalb aufgegeben werden musste, ist die Sachlage in Minamisoma weniger eindeutig. Die Strahlenbelastung geringer.

Trauer, Trotz und der Tod
Doch das macht die Entscheidung wegzugehen, natürlich umso schwieriger. Furusato ist voller trauriger Geschichten. Ein junger Mann, der Rockstar werden wollte, und alles verloren hat. In einem anderen Fall muss eine Familie den Tod der Hauskatze beweinen. Und dann wäre da noch die Jugendliche, die entgegen dem Willen ihres Vaters das Gestüt weiterführen will, um so die Familientradition aufrechtzuerhalten. Anderen wiederum fehlt es schlicht an dem nötigen Geld. Sie würden vielleicht gehen, wenn sie es sich leisten könnten. So aber bleibt ihnen nicht anderes übrig als auszuharren und auf das Beste zu hoffen.

Zwischen Trotz und Resignation schwanken die Reaktionen. Gerade die Älteren sehen es mit einer herzerweichenden Pragmatik: Sie seien zu alt, um noch Langzeitfolgen der Verstrahlung befürchten zu müssen. Deswegen wollen sie hierbleiben, hier sterben, in ihrer Heimat. Der Ort, an dem sie gelebt haben. Furusato ist deshalb nicht nur ein Film über eine Katastrophe. Nicht bloß eine Warnung vor dem nuklearen Spiel. Aus den vielen Einzelschicksalen setzt sich eine melancholische Reflexion über Heimat zusammen, über Identität und Tradition. Und über unser Verhältnis zu unseren Wurzeln, mögen sie noch so verseucht sein.



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„Furusato“ begleitet eine Reihe von Menschen, die in einer von dem Fukushima-Unglück betroffenen Stadt leben. Mal traurig, dann wieder erschreckend dürfen wir hier an Einzelschicksalen teilhaben von Leuten, die allen Widrigkeiten zum Trotz ihre Heimat nicht verlassen konnten oder wollten.