Überleben
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Überleben – Ein Soldat kämpft niemals allein

(OT: „Mine“, Regie: Fabio Guaglione/Fabio Resinaro, USA/Italien/Spanien, 2016)

Ueberleben
„Überleben – Ein Soldat kämpft niemals allein“ ist seit 17. August 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Katastrophaler hätte der Einsatz wohl kaum laufen können. Nicht allein, dass Scharfschütze Mike (Armie Hammer) und sein Partner Tommy (Tom Cullen) es verpassen, in der arabischen Wüste ihr Ziel auszuschalten. Als sie fliehen müssen, geraten sie in ein Minenfeld. Jeder Schritt könnte nun der letzte sein, erst in einigen Tagen wird eine Patrouille vorbeikommen können. Auf sich allein gestellt ist der seltsame Wüstenbewohner (Clint Dyer), der hin und wieder vorbeikommt, die einzige Hilfe, auf die Mike überhaupt noch hoffen kann. Während der Soldat nun gegen Gefahren wie wilde Tiere oder ein Sandsturm bestehen muss, kehren seine Gedanken immer wieder zu seiner Vergangenheit zurück – vor allem zu seinen Eltern und seiner Freundin Jenny (Annabelle Wallis), die er im Streit zurückgelassen hat.

Man sollte sich nicht von dem generischen Titel täuschen lassen: Überleben – Ein Soldat kämpft niemals allein mag sich wie ein ganz normaler Kriegsreißer anhören. Auch das Cover legt diesen Schluss nahe. Beides täuscht jedoch, inhaltlich geht der Film einen ganz eigenen Weg. In Ansätzen zeigt dies schon die Anfangssituation, wenn Mike Schwierigkeiten damit hat, während einer Hochzeit jemanden zu töten. Krieg ist Krieg und Auftrag ist Auftrag? Das ist leichter gesagt denn getan. Einfach, dabei effektiv verdeutlicht das Regie- und Drehbuchduo Fabio Guaglione und Fabio Resinaro, dass Krieg eben doch nicht Schwarz-Weiß ist. Es einiges kostet, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen.

Ein enger Raum ohne Grenzen
Die moralischen Ambivalenzen spielen kurze Zeit später jedoch keine bedeutende Rolle mehr. Nach einem kleinen, nicht unspannenden Intermezzo, das die beiden Helden auf der Flucht zeigt, sind wir nach rund 20 Minuten da angekommen, wo der komplette Rest des Films spielt. Das Minenfeld. Begrenzte Schauplätze hat es in Filmen immer wieder gegeben, Kammerspiele wird gern dazu gesagt, wenn die Geschichten an nur einem, meist sehr engen Raum spielen. Was aber, wenn es keine Kammer gibt? Wenn der Protagonist in einer offenen Ebene eingesperrt ist, die bis zum Horizont reicht?

Ein bisschen perfide ist es ja schon, was die beiden Italiener da mit Mike und ihrem Publikum so treiben. Und spannend. Spannend, wie sich der unglückliche Soldat aus dieser Situation noch befreien soll. Eine Situation, die schon furchtbare Krämpfe verursacht, wenn man sie aus dem bequemen Sessel heraus nur sieht. Spannend aber auch, wie die beiden Fabios es fertigbringen wollen, aus diesem begrenzten Szenario einen ganzen Film zu basteln. Wie viel kann schließlich schon passieren, wenn der Held gezwungen ist, stundenlang auf einer Stelle zu stehen?

Blick in die Vergangenheit
Antwort: eine ganze Menge. Gewissermaßen. Etwas überraschend interessiert sich Überleben – deutscher Titel zum Trotz – gar nicht so wahnsinnig für den Survival-Aspekt. Der wird natürlich immer mal wieder aufgegriffen, schließlich steht Mike mit einem Bein im Grab. Aber es ist weniger die Zukunft, um die sich der Film dreht, sondern die Vergangenheit. Angeregt durch die viele freie Zeit beginnt der Pechvogel in seiner prekären Lage darüber nachzudenken, wie er eigentlich hierhergekommen ist. Welche Etappen es unterwegs gab, die ihn zu einem Soldaten gemacht haben. Der Kriegsfilm verliert dann den eigenen Krieg, wird zu einem Drama über einen Mann, der diverse Erfahrungen nie überwunden hat, sich derer oft nicht mal bewusst war.

Ungewöhnlich ist es schon, wie Überleben im Laufe des Films Thema und Genre wechselt. Und zumindest manche Szenen sind auch ansprechend umgesetzt, wechseln – passend zur abnehmenden geistigen Gesundheit – ins Surreal-Symbolische hinüber. Nur ist das Ganze dann doch recht dick aufgetragen. Anstatt dem Publikum zu vertrauen, dass es die einzelnen Puzzleteile selbst zusammensetzen kann, verkommt die Geschichte zu einem Puzzle-für-Anfänger-Tutorial. Jeder Punkt wird ausgeführt, mehrfach, Positionen und Situationen werden so sehr ineinandergeschoben, dass kein Platz mehr für Interpretationen bleibt. Die wenig raffinierte Umsetzung kommt der Wüstentherapiesitzung kaum zugute. Im Gegenteil: Der Film wird relativ zäh, verliert sich zudem in Dialogen, die tiefgründig sein wollen, sich aber in Banalitäten stürzen. So richtig rund ist es deshalb nicht, was die beiden Filmemacher-Debütanten da abgeliefert haben. Aber doch so überraschend seltsam, dass sich allein deshalb schon eine Sichtung lohnt.



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„Überleben“ will mehr sein als nur ein Kriegsfilm, ist aber letzten Endes vor allem anders. Sowohl das Szenario wie die moralischen Überlegungen werden später vergessen, stattdessen wird ein Drama draus über das Verarbeiten von Erfahrungen. Das ist interessant und überraschend, insgesamt aber eher plump umgesetzt und auf Dauer zu zäh.
5
von 10