The Wailing
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The Wailing – Die Besessenen

(OT: „Goksung“, Regie: Hong-jin Na, Südkorea, 2016)

„The Wailing – Die Besessenen“ läuft ab 12. Oktober 2017 im Kino

Was geht da nur vor in dem kleinen südkoreanischen Dorf? Die einen spielen verrückt, werden gewalttätig, töten sich oder ihr Umfeld. Andere wiederum sind von seltsamen Ausschlägen übersät, für die kein Mediziner eine Erklärung hat. Und so hat der Polizist Jong-gu (Do-Won Kwak) die ebenso knifflige wie undankbare Aufgabe, Antworten zu finden. Möglichst schnell, denn die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle. Seine eigene Tochter Hyo-jin (Hwan-hee Kim) hat bereits angefangen, sich eigenartig zu verhalten. Wer weiß, wie das noch enden wird? Dabei hat die Bevölkerung ja durchaus einen potenziellen Schuldigen: Da treibt sich schon seit Längerem ein seltsamer Japaner (Jun Kunimura) in den Wäldern herum. Aber kann ein Mensch für all das verantwortlich sein? Oder hat doch der Schamane Il-gwang (Hwang Jeong-min) recht, der von einem bösen Dämon spricht? Und was hat es mit der unheimlichen Frau (Woo-hee Chun) auf sich, die immer wieder auftaucht?

Was lange währt, wird endlich … hart. Wirklich damit rechnen durfte man ja nicht mehr, dass The Wailing noch nach Deutschland kommt. Während der Horrorthriller schon vor über einem Jahr die Besucher des Filmfests München das Fürchten lehrte, sah der Rest der Nation erst einmal nichts. Und nun das: Der in Asien mit Preisen überhäufte Streifen – bester Film bei den Baeksang Art Awards, beste Regie bei den Asian Film Awards – erscheint nicht nur auf Deutsch. Er läuft sogar in den Kinos. Das ist einerseits ein Segen, der Qualität wegen, der tollen Bilder wegen. Wenn wir hier das südkoreanische Hinterland erkunden, undurchsichtige Wälder und kleine Hütten inklusive, dann ist das schon ein toller Anblick. Gleichzeitig wird man bei mancher Szene nicht ganz sicher sein, ob man sie unbedingt hat sehen wollen.

Ein starkes Stück Albtraum
Denn es ist schon eine ganze Menge, die einem Hong-jin Na (The Chaser, The Yellow Sea) da zumutet. Da wäre die Laufzeit von zweieinhalb Stunden. Oder auch der dickliche Polizist Jong-gu, der bei jeder Bewegung Beherrschung und Gleichgewicht verliert. Das kann schon mal ein wenig an den Nerven zehren, auch wenn es eine Abwechslung zu den durchtrainierten Superhelden ist, die im südkoreanischen Genrekino sonst das Sagen haben. Vor allem aber sind es die grausigen Szenen, mit denen der hoffnungslos überforderte Gesetzeshüter – und der Zuschauer gleich mit – hier konfrontiert werden, die einen unruhig im Kinosessel herumrutschen lassen. Immer wieder hat Jong-gu seltsame Visionen, die wie Albträume wirken. Aber es sind es welche? Ist alles nur Einbildung? Oder wird er wirklich verfolgt?

Überhaupt lässt einen Na lange, sehr lange, im Dunkeln, was hier eigentlich gespielt wird. Wo andere Horrorfilme sich zu Tode erklären, um auch ja jeden Zuschauer mitzunehmen, bleibt The Wailing ein Rätsel. Nicht einmal die Zuordnung zu einem Genre will hier so recht funktionieren; Mystery und Thriller, Horror und Krimi geben sich hier die düstere Klinke in die Hand. Dazwischen findet sich noch leichte Anflüge des Dramas, wenn Jong-gu auch bei seiner Familie nichts auf die Reihe bekommt. Die Geschichte um Tod und Wahnsinn, sie ist gleichzeitig auch die Geschichte einer auseinanderbrechenden Familie.

Das Beste und Schlimmste zum Schluss
Der Film ist im Gegensatz zu seinem unfähigen Protagonisten umso versierter: Er nimmt uns mit in eine Welt, die mal beschaulich ist, mal schäbig-dreckig, dann wiederum ein surrealer Albtraum ist, der sich nicht drum schert, ob gerade Tag oder Nacht ist. Das Tempo ist dabei gemächlich, da will irgendwie nichts so recht vorangehen. Aber selbst wenn nicht gerade ein Schockmoment auf dem Programm steht, langweilig wird die teuflische Tour de Force nicht. Und wenn uns The Wailing zum Abschluss noch ein besonders gemeines Finale aufzwängt, das dem Mainstreamhorror westlicher Machart so richtig das Fürchten lehrt, bleiben gar nicht so viele Fingernägel übrig, wie man sie hier abknabbern wollte.



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„The Wailing“ zeigt westlichen Genrebeiträgen, dass es auch ganz anders geht: Das Tempo ist gemächlich, der Protagonist ein dicker Verlierer, große Schockmomente fehlen. Und doch ist die Mischung aus Drama, Horror, Thriller, Mystery und Krimi ein sehr spannender Film, der bis zum Schluss alles offen lässt und gleichermaßen idyllische wie surreal-albtraumhafte Bilder liefert.
8
von 10