So auf Erden

So auf Erden

(OT: „So auf Erden“, Regie: Till Endemann, Deutschland, 2017)

So auf Erden
„So auf Erden“ läuft im Rahmen des 13. Festival des deutschen Films ins Ludwigshafen am Rhein (30. August bis 17. September 2017)

Für Johannes (Edgar Selge) und Lydia Klare (Franziska Walser) steht ihr Glaube an Gott an erster Stelle. Gemeinsam leiten sie eine kleine freikirchliche Gemeinde in Stuttgart, erfolgreich: Die Menschen hören ihnen zu, immer mehr schließen sich ihnen an. Es gibt sogar Pläne, die von Spenden finanzierte Gemeinde noch viel größer zu machen, ermöglicht durch die großzügigen Zuwendungen von Volker (Peter Jordan). Erst einmal hat das Ehepaar aber ganz andere, dringendere Punkte, um das es sich kümmern muss. Als sie eines Tages mitansehen, wie der obdachlose Straßensänger Simon (Jannis Niewöhner) sich in Drogenkrämpfen hin und her wälzt, nehmen sie ihn kurzentschlossen bei sich auf. Gemeinsam wollen sie ihm wieder auf den rechten Pfad helfen. Es sind aber nicht nur die Drogen, die für Konflikte sorgen. Auch Simons Homosexualität stellt die zwei vor große Herausforderungen, da diese so gar nicht mit ihrem Glauben zu vereinen ist.

Einige Wochen ist es nun her, dass der Bundestag mit überwältigender Mehrheit die Ehe für alle beschloss. Die Reaktionen waren größtenteils positiv, im Inland wie im Ausland. Wenn überhaupt zeigte sich Verwunderung, warum es ausgerechnet in Deutschland so lange dauerte, bis dieser Schritt gegangen wird. Passt So auf Erden, der auf dem Filmfest München seine Premiere feierte, die Tage auf dem Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein läuft und im Oktober ins Fernsehen kommt, da noch in die Debatte? Oder ist der Film bereits überholt, Opfer schlechten Timings geworden?

Im Spannungsfeld von Homosexualität und Kirche
Dieser Widerspruch aus religiöser Überzeugung und sexueller Identität spielt aber ohnehin nur eine vergleichsweise kleine Rolle in So auf Erden. Eigentlich beschränkt er sich darauf, dass Johannes und Lydia einige Bibelverse zitieren, Simon entgegenhält, er wurde von Gott so gemacht. Falls es den denn überhaupt gibt. Auch das Thema wird angesprochen: Simon, der in seinem Leben nur wenig göttliche Führung erfuhr, sieht keinen rechten Anlass dafür, an etwas zu glauben. Woher wollen wir so genau wissen, dass es den Erlöser Jesus gegeben hat? Könnte er nicht auch einfach eine Erfindung sein? Eigentlich ist es ihm aber auch relativ egal. So wie dem Film dieses Thema nicht wirklich wichtig zu sein scheint.

Was genau So auf Erden wollte, bleibt ohnehin ein kleines Rätsel. Es gibt die Nebenhandlung um den alles bestimmen wollenden Volker. Eine weitere erzählt von einem Gemeindemitglied, das Gelder unterschlägt. Die Machtkämpfe hinter den Kulissen, wenn es um die unterschiedliche Auslegung der Bibel geht. Wir haben Simons Konflikt mit seinem Vater. Die Drogensucht. Die Homosexualität. Und zu guter Letzt noch Johannes, der plötzlich selbst mit Gefühlen hadert, sich an etwas erinnert, das er längst verdrängt und immer verschwiegen hat.

Zu viel Stoff, zu wenig Tiefgang
Das ist eine ganze Menge Stoff, aus vielen Aspekten hätte man einen eigenen Film machen können. Stattdessen wurde aber alles in weniger als 90 Minuten gepackt, um dem Fernsehformat gerecht zu werden. Das ist ambitioniert, letzten Endes aber doch recht unglücklich, da der Inhalt darunter leidet. Nur wenig von dem, was hier angesprochen wird, bekommt auch die Zeit, sich zu entfalten und zu atmen. Die wichtigen Themen und interessanten Fragestellungen werden so zu Bullet Points reduziert, die auf einer Checkliste abgehakt werden. Simon beispielsweise ist nicht mehr als ein Katalysator, der den Wandel in Johannes bedingt. Als Figur bleibt er aber trotz großer Bemühungen von Niewöhner (Rubinrot, 4 Könige) ein Unbekannter. Auch viele andere bleiben schemenhaft. Am besten gelingt die Charakterisierung noch bei Johannes, der auf mehreren Baustellen eine Glaubenskrise durchmacht. Aber auch hier geschieht das zu plötzlich, um ganz zu überzeugen.



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Drogensucht, Homosexualität, kaputte Familienverhältnisse, Glaubenskrisen – „So auf Erden“ packt eine ganze Menge Stoff in weniger als 90 Minuten. Über einiges würde es sich lohnen länger nachzudenken. Der TV-Film gibt einem aber nur wenig Gelegenheit dazu, da aufgrund der Fülle und Hektik sowohl beim Inhalt wie auch den Figuren der Tiefgang fehlt.
6
von 10