Der Wein und der Wind
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Der Wein und der Wind

(OT: „Ce qui nous lie“, Regie: Cédric Klapisch, Frankreich, 2017)

Der Wein und der Wind
„Der Wein und der Wind“ läuft ab 10. August 2017 im Kino

Lange ist Jean (Pio Marmaï) nicht mehr bei seiner Familie gewesen, seitdem er dem heimischen Weingut im Burgund den Rücken zugekehrt und ein neues Leben im fernen Australien begonnen hat. Doch nun ist er zurück, aus einem traurigen Anlass: Sein Vater liegt im Sterben. Und auch wenn das Verhältnis zwischen den beiden zerrüttet ist, zumindest dafür wollte er die weite Reise antreten. Seine Geschwister Juliette (Ana Girardot) und Jérémie (François Civil) sind ohnehin auf dem Gut geblieben und versuchen die Tradition so gut es geht fortzusetzen. Während die drei zusammen für die vielleicht letzte gemeinsame Ernte schuften, müssen sie feststellen, wie tief die alten Wunden sitzen. Und sich fragen: Wollen wir das Familienunternehmen behalten oder lieber doch endgültig getrennte Wege gehen?

Ach ja, die Familie. Es kann schon sehr schwierig mit ihr sein, nervig, geradezu unmöglich. Und doch: So ganz ohne geht es auch nicht. Dafür ist sie viel zu sehr Teil von einem selbst. Nein, das ist keine neue Erkenntnis, das Motiv des heimkehrenden Sohnes bzw. einer Familienzusammenführung anlässlich eines Todesfalls ist es auch nicht. Aber Cédric Klapisch ging es in seinen Filmen ja auch gar nicht darum, neue Welten zu schaffen. Der französische Regisseur und Drehbuchautor begnügte sich immer damit, uns eine zu zeigen, die uns selbst sehr vertraut ist. Mit seiner turbulenten WG-Komödie L’auberge espagnole – Barcelona für ein Jahr schaffte der Filmemacher vor nunmehr 15 Jahren einen Überraschungserfolg. Und auch wenn Der Wein und der Wind nicht ganz dessen unbekümmerte Frische erreicht, so hat sein neuestes Werk doch ganz ähnliche Qualitäten.

Drei Figuren, wie sie jeder kennt
So sind es auch diesmal die Figuren, die im Mittelpunkt stehen, weniger die Handlung. Der älteste Sohn fühlte sich immer zu eingeengt in der Familie, zu sehr gefordert. Sein junger Bruder hat das gegenteilige Problem: Er wird nie wirklich ernstgenommen. Und die Schwester? Die hat als Frau ohnehin Schwierigkeiten, sich in der männerdominierten Weinbaudynastie durchzusetzen. Es sind recht typische Konflikte, welche das Leben der drei Geschwister bestimmen. Konflikten, denen das Publikum sicher selbst in der einen oder anderen Form schon einmal über den Weg gelaufen ist.

Wie schon bei seinem Durchbruch hatte Klapisch hier wieder ein glückliches Händchen, was die Besetzung angeht: Marmaï (Sehnsucht nach Paris), Girardot (The Returned) und Civil (Made in France) sorgen dafür, dass die drei Geschwister sich doch nach realen Personen anfühlen und nicht nur nach Drehbuchkonstellationen. Wenn man den dreien zuschaut, wie sie sich streiten, sich zusammenraufen, zusammen lachen und weinen, dann fällt es nicht schwer, als Zuschauer dabei zu sein. Mit ihnen zu fühlen.

Das Leben in all seinen Farben
Dabei hat Der Wein und der Wind wieder diese beiläufige Qualität der WG-Abenteuer von einst: Wir begleiten das Trio ein Jahr lang, während es vielleicht zum letzten Mal das gemeinsame Weingut bearbeitet. Das ist von verschiedenen Stimmungen geprägt, oft auch von völlig banalen Situationen aus dem Alltag. Anekdoten, an die man sich vielleicht selbst später kaum noch im Einzelnen erinnert, die aber doch das Leben ausmachen. Denn vom Leben handelt die Tragikomödie. Von Wunden, die nur mit der Zeit heilen. Von einer langsamen Annäherung. Annäherung an die anderen, Annäherung an einen selbst. Von Flucht und Selbstfindung. Und eben auch von der Akzeptanz und den Schwierigkeiten, sich einem Konflikt zu stellen.

Es ist aber nicht nur das gemächliche Tempo, mit dem Klapisch den Dramateil verdaulicher macht. Da wären auch die wunderbaren Aufnahmen des ländlichen Frankreichs, welche sich über ein ganzes Jahr erstrecken. Allgemein ist Der Wein und der Wind ein Film für die Sinne: Der Wein ist nicht nur das gemeinsame Erbe der drei – der französische Titel bedeutet übersetzt auch „Was uns verbindet“. Er wird hier zelebriert. Das ist auf Dauer zwar vielleicht ein bisschen viel, funktioniert als Sinnbild für das ebenso fragile Familiengefüge aber ziemlich gut. Wer also mal wieder in der Stimmung für einen Film ist, der aufzeigt, dass auch in anderen Familien vieles nicht so toll läuft, der ist bei dieser sympathischen Tragikomödie an einer guten Adresse.



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Der Wein und der Wind
fazit
Ein guter Wein braucht Zeit, Wunden manchmal auch. „Der Wein und der Wind“ erzählt sicher keine neue Geschichte, überzeugt aber durch eine schöne Beiläufigkeit und ein harmonisch agierendes Darstellertrio. Abgerundet wird die Tragikomödie durch wunderbare Aufnahmen aus dem ländlichen Frankreich und erhält durch das prominent eingesetzte Weinthema eine sehr sinnliche Note.
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