Oseam

(OT: „Oseam“, regie: Baek-yeop Sung, 2003)

OseamSeitdem ihre Mutter bei einem Feuer ums Leben gekommen ist, müssen sich das Waisenkind Gami und ihr jüngerer Bruder Gilson alleine durchschlagen. Das klappt mal besser, oft schlechter. So ist Gami zwar überaus freundlich, seit dem schrecklichen Vorfall aber blind und ängstlich. Gilson ist dafür umso aufbrausender und kaum zu stoppen. Das müssen auch die Mönche feststellen, welche die beiden bei sich im Tempel aufnehmen. Denn das mit der Ruhe und Andacht ist eher weniger was für den Jungen. Und auch sonst eckt Gilson gerne mal mit anderen an.

Südkorea, das unbekannte Animationsland
Während es auch hierzulande nun wahrlich keinen Mangel an Animationsfilmen aus Japan gibt, sieht es mit dem benachbarten Südkorea sehr düster aus. Eigentlich sind es nur die Werke von Sang-ho Yeon (The King of Pigs, Seoul Station), welche in Deutschland zumindest etwas Aufmerksamkeit bekommen haben – Festivalauftritten sei Dank. Dabei gäbe es durchaus ein paar Kollegen, bei denen man sich mehr hätte vorstellen können. Baek-yeop Sung zum Beispiel. Sein Film Oseam gewann immerhin den großen Preis beim Annecy Animationsfestival. Aber danach kam nichts mehr. Und bis heute ist der Film auch nicht auf Deutsch – oder Englisch erschienen –, lediglich ein Frankreichimport lockt Interessierte.

Wer angesichts dieser mauen Situation schon zu meckern beginnen möchte: Der ganz große Verlust ist es nicht, Oseam verpasst zu haben. Denn vieles hier ist durchwachsen, Licht und Schatten gehen fast immer Hand in Hand. Beispiel Optik. Es ist ja immer schön, wenn sich jemand an traditioneller Zeichentrickoptik versucht. Nur selten greift Sung auf Computerelemente zurück, die zudem gut mit dem Rest harmonieren. Ein paar kleinere Effekte, beispielsweise Spielereien mit Unschärfe, gibt es oben drauf. Dafür sind die Animationen manchmal etwas holprig. Und auch die Kontraste zwischen Hintergrund und bewegten Objekten sind zu stark – da meint man manchmal, einen Film aus den 60ern vor sich zu haben.

Das ganz banale Drama
Inhaltlich wiederum fällt Oseam durch das Nebeneinander von banalem Alltag und großem Drama auf. Über weite Strecken passiert eigentlich nicht so wahnsinnig viel. Gami und Gilson versuchen sich im Tempelleben zurechtzufinden, ohne dabei je einen Schritt weiterzukommen. Gilson zumindest zeigt wenig Gespür für sein Umfeld, egal wie oft er mit diesem aneinanderrasselt. Und wenig Interesse daran, ob er anderen auf die Nerven geht. Denn das tut er. Schnell, sehr schnell. Das wiederum erschwert es, bei seinem großen Leiden mitzufühlen, wenn er seine Mutter vermisst. Denn irgendwann ist man ganz dankbar für jede Szene, in der er nicht auftaucht und verspürt nur wenig Lust, bei den vielen Stimmungswandeln mitzumachen.

Und auch die religiöse Komponente ist irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes. Im Vergleich zum Roman von Chae-bong Jeong, auf dem der Film basiert, wurde der Aspekt reduziert. Aber hat man sich damit wirklich einen Gefallen getan? Für westliche Zuschauer, die mit Buddhismus bislang keine Berührungspunkte hatten, wird der Zugang so natürlich schon erleichtert. Die Tempel sind nicht mehr als eine exotische Kulisse, für das Verständnis der Geschichte ohne Belang. Erst zum Ende hin spielt Spiritualität eine Rolle. Dafür ist die dann gleich so groß, dass es schwer fällt, dem Treiben noch zu folgen. Zusammen mit dem Hang zum sehr erzwungenen und ungeniert manipulativen Drama, das mit Knüppeln in das Publikum hineingeprügelt wird, ergibt das einen Film, der eher abschreckt und anstrengt als wirklich berührt.



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Die Geschichte um zwei Waisenkinder, die in einem buddhistischen Tempel unterkommen, hat einige schöne Seiten – aber ebenso viele weniger schöne. Vor allem inhaltlich ist „Oseam“ sehr unausgeglichen, schwankt zwischen banalem Alltag und übertriebenem Drama hin und her.
5
von 10