Seoul Station
© Splendid Film

(„Seoul Station“ directed by Sang-Ho Yeon, 2016)

Seoul Station
„Seoul Station“ läuft im Rahmen des 30. Fantasy Filmfests vom 17. August bist 18. September

Irgendwie will es für Hyun-suen einfach nie gut laufen. Als sie von zu Hause ausriss, führte sie das nicht in die Freiheit, sondern in die Prostitution und in die Arme ihres nichtsnutzigen Freundes, der sie gegen ihren Willen bei einem Online-Portal anbietet. Und genau in dem Moment, wo sie beides endlich hinter sich lassen und neu anfangen will, bricht in Seoul die Hölle los: Ein Obdachloser am Bahnhof leidet an einer seltsamen und höchst ansteckenden Krankheit, die jeden in eine menschenfressende Bestie verwandelt. Während sie zusammen mit einem älteren Herrn durch die zunehmend lebensgefährliche Stadt flieht, machen sich ihr Freund und ihr Vater auf die Suche nach der Vermissten.

Ausgerechnet ein Zombiefilm? Nachdem sich der südkoreanische Regisseur und Drehbuchautor Sang-Ho Yeon mit zwei Sozialdramen einen Namen gemacht hatte, war das Thema der sabbernden Untoten nicht unbedingt naheliegend gewesen. Andererseits: Wenn er in dem verstörenden The King of Pigs über Mobbing an südkoreanischen Schulen sprach und in The Fake die unheilvollen Einflüsse der Kirche in einem ländlichen Gebiet aufzeigte, dann war der Schritt zum „richtigen“ Horror nicht mehr weit. Und so ganz lässt er auch in seinem dritten Langfilm nicht los von seiner Kritik an der auseinanderbrechenden Gesellschaft in seinem Heimatland.

Dass beispielsweise ausgerechnet Prostituierte und Obdachlose die Hauptfiguren in Seoul Station darstellen, ist kein Zufall: Es sind Verlierer des rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs, denen wir durch die Straßen der Metropole folgen, Ausgestoßene, Menschen, mit denen keiner etwas zu tun haben will. Wenn zwischendurch die Polizei die Zombie-Epidemie mit einem Aufstand verrückter Obdachloser gleichsetzt, dann ist das einerseits eine komische Abrechnung mit unfähigen Behörden, gleichzeitig aber eben auch ein bitterer Kommentar über ein Land, das seine schwächsten Mitglieder vergisst. Vergessen will.

Auch an anderen Stellen vermengt Yeon das Harte wie Schmerzhafte mit dem Absurd-Witzigen, untypisch für den jungen Filmemacher darf bei Seoul Station erstaunlich oft gelacht werden – etwa bei einem von viel Slapstick begleiteten Fluchtversuch über die Dächer. Ob er sich und dem Publikum damit einen Gefallen getan hat, darüber darf man dann jedoch geteilter Meinung sein. Unterhaltsam ist der Film ohne jeden Zweifel, Längen kommen während der 90 Minuten kaum auf, nach dem eher gemächlichen Einstieg geht es mit hohem Tempo bis zum Ziel, gerade auch weil die Zombies hier unerwartet agil sind. Mit der emotionalen Wucht der beiden Vorfilme kann es Yeons dritter Anlauf aber nicht aufnehmen – allein schon deshalb, weil der Südkoreaner den Zombiestreifen mit unsympathischen bis nervigen Figuren bevölkert, mit denen man nicht unbedingt mitzittern möchte.

Hinzu kommt, dass von einer späteren Wendung einmal abgesehen Seoul Station nicht wirklich viel dafür tut, sich innerhalb des hoffnungslos überlaufenen Genres inhaltlich hervorzutun, sobald die soziale Komponente in den Hintergrund rückt. Und auch visuell ist die südkoreanische Produktion keine Offenbarung: Die Mischung aus Zeichentrick- und Computerelementen hat im Vergleich zu The King of Pigs durchaus zugelegt, verwöhnt einen immer mal wieder mit schönen, pseudorealistischen Bildern. Die Animationen sind aber noch immer recht holprig, außerdem kommt es regelmäßig zu etwas irritierenden Stilbrüchen. Aber auch wenn das Gimmick des Zombieanimationsfilms die diversen Schwächen nicht ganz ausgleicht, kompetent umgesetzt ist die Hatz durch die zombieverseuchte Großstadt jedoch schon, gerade auch für einen „Fachfremden“. Wer das Fantasy Filmfest 2016 besucht, sollte daher nicht nur für Yeons gefeierten Abschlussblockbuster Train to Busan eine Karte kaufen, sondern auch dem kleinen Animationsbruder eine Chance geben – besser als die meisten derzeit erscheinenden Horroranimes ist der Film allemal.



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Zwar wechselt der eigentlich für harte Animationsdramen bekannte Sang-Ho Yeon ins Horrorgenre, ganz auf seine typischen sozialkritischen Kommentare möchte er aber nicht verzichten. Diese geben dem Zombiefilm, der sich sonst inhaltlich nicht unbedingt hervortut, eine eigene Note und machen „Seoul Station“ trotz einer ungleichmäßigen Optik sehenswert.
7
von 10