Ein Tag wie kein anderer
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Ein Tag wie kein anderer

(„Shavua ve Yom“ directed by Asaph Polonsky, 2016)

Ein Tag wie kein anderer
„Ein Tag wie kein anderer“ läuft ab 11. Mi 2017 im Kino

Die jüdische Tradition will es, dass nach dem Tod sieben Tage lang getrauert wird. Diese Phase ist nun vorbei, für Eyal (Shai Avivi) und Vicky (Evgenia Dodina) heißt es jetzt, in den Alltag zurückzukehren. Während Vicky auch tatsächlich wieder mit der Arbeit beginnt, kommt es für Eyal nicht infrage, nach dem frühen Krebstod seines Sohnes normal weiterzumachen. Stattdessen sucht er lieber im Krankenhaus die verschwundene Decke seines Sohnes, lässt dort Marihuana mitgehen und freundet sich mit Zooler (Tomer Kapon) an, dem Sohn seiner verhassten Nachbarn.

Sie ist sicher eine der schlimmsten Erfahrungen, die man im Leben machen kann. Vielleicht sogar die schlimmste. Das eigene Kind begraben zu müssen, das wünscht man nicht einmal seinem schlimmsten Feind. Und so hat Eyal das dann auch gar nicht vor. Nicht jetzt. Noch nicht zumindest. Bei der Frage von Vicky, warum er lieber die Decke sucht, anstatt zum Grab zu gehen, antwortet dieser: „Das Grab ist morgen auch noch da. Die Decke ist aber vielleicht weg.“

Trauerarbeit zwischen Tragik und Komik
Es ist eine dieser Antworten und Szenen in Ein Tag wie kein anderer, bei denen man nicht so recht weiß, ob man vor Schreck zusammenzucken oder laut auflachen soll. Horror und Absurdität, Tragik und Komik – in dem israelischen Filmen sind die Bestandteile kaum voneinander zu trennen. Und genau das wollte Asaph Polonsky auch: Der Regisseur und Drehbuchautor macht sich nicht über trauernde Menschen lustig. Vielmehr verdeutlich er mit seinem Film, dass Trauer nicht nach einem Handbuch erfolgen kann. Wo deutsche Themenbeiträge sich in Betroffenheit ertränken, sucht der Israeli die Konfrontation.

Stichwort Alltag. Immer wieder wird gern gesagt, dass Menschen nach einem schweren Verlust die Normalität suchen sollen. Aber was heißt schon normal, wenn man gerade seinen 25-jährigen Sohn an eine Krankheit verloren hat? Eine wirkliche Antwort darauf hat in Ein Tag wie kein anderer niemand, allenfalls ein paar Floskeln und Traditionen. Die Komik des Films besteht dann darin, die Absurdität solcher Regeln aufzuzeigen. Und sie besteht in der Reibung: Unterschiedlicher als Eyal und Vicky wird wohl kaum ein Paar mit der Situation umgehen. Der eine verweigert sich dem Alltag, die andere sucht ihn. Auf der Flucht sind sie aber beide. Auf der Flucht vor dem schrecklichen Tod. Auf der Flucht vor sich selbst. Auf der Flucht voneinander.

Die hässliche Seite der menschlichen Trauer
Nicht alles davon ist wirklich komisch. So wird der klägliche Versuch von Eyal, einen Joint zu drehen, schnell zu einer echten Qual. Gegen Ende hin scheint sich der Film dann auch völlig zu verlaufen – was einerseits gut zu der unmenschlichen Sinnsuche passt, andererseits aber nicht unbedingt unterhaltsam ist. Schenkelklopferhumor braucht hier dann auch niemand zu erwarten. Bei Ein Tag wie kein anderer passiert nur wenig, was als wirklicher Gag durchgehen würde. Leise und skurril ist diese Tragikomödie. Fast schon surreal. Und dennoch nah am Leben: Es fällt nicht schwer, Eyal mitzufühlen, wie er einfach aus allem aussteigen möchte. Seine Wut zu verstehen, die sich immer wieder, auch in den harmlosesten Momenten zeigt. Die von Shai Avivi (Atomic Falafel) gespielte Figur muss man nicht mögen. Er ist aggressiv, rechthaberisch, zu keiner Kommunikation imstande, irgendwie unangenehm. Aber genau dadurch wird er auch wunderbar menschlich, die Tragikomödie zu einer eigenwilligen Auseinandersetzung mit einer Situation, die kaum greifbar und eben absolut hässlich ist.



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Ein Paar muss mit dem Krebstod des Sohnes umgehen. Das schreit eigentlich nach einem Drama. Stattdessen ist „Ein Tag wie kein anderer“ aber eine Tragikomödie, die das Absurde in Trauerritualen hervorholt. Das ist nicht immer unterhaltsam, aber doch auf eine ganz eigene Art und Weise menschlich.
6
von 10