Alle Farben des Lebens
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Alle Farben des Lebens

(„3 Generations“ directed by Gaby Dellal, 2015)

Alle Farben des Lebens DVD
„Alle Farben des Lebens“ ist seit 7. April 2017 auf DVD und Blu-ray erhältlich

Für Ramona (Elle Fanning) steht schon länger fest, dass sie eigentlich ein er ist. Und so beschließt sie, sich den Namen Ray zu geben und fortan als Junge zu leben. Eine Hormonbehandlung und anschließende Geschlechtsumwandlung soll den Prozess abschließen. Rays Mutter Maggie (Naomi Watts) ist damit grundsätzlich einverstanden, braucht dafür aber die Einverständniserklärung ihres Ex-Mannes Craig (Tate Donovan). Und mit dem hat sie seit Jahren nicht mehr gesprochen. Der Kontakt zu Maggies eigener Mutter Dolly (Susan Sarandon) ist dafür umso enger, da sie zusammen in einem Haus leben. Eine wirkliche Hilfe ist aber auch sie nicht, da sie als überzeugte Lese so gar nichts davon hält, was ihr Enkelkind da vor hat.

So schwierig der Alltag von Homosexuellen im Laufe der letzten Jahrhunderte auch gewesen sein mag, gegenüber Transsexuellen haben sie zumindest einen Vorteil: Sie werden als Gruppe wahrgenommen. Ein Mensch, der mit einem des anderen Geschlechts ins Bett ging, das war zumindest als Konzept begreifbar. Was aber ist ein Mensch, der von sich selbst sagt, das falsche Geschlecht zu haben? Nicht einmal hundert Jahre her ist es, dass überhaupt ein Begriff dafür gefunden wurde, bis in die 90er hinein wurde Transsexualität zudem als psychische Störung definiert.

Was tun, wenn die Seele im falschen Körper steckt?
Inzwischen ist das Phänomen ein Stück weit alltäglicher geworden, als Teil der LGBT-Bewegung gab es doch einiges an Publicity. Die Verwirrung beim ersten Umgang mit Transsexuellen ist jedoch geblieben, wie man auch an Alle Farben des Lebens sieht. Eine Art Running Gag des Films ist es, wenn Ray, später auch Maggie ständig andere Menschen verbessern muss, die das falsche Pronom verwenden – „sie“ statt „er“. Ein reines Detail, möchte man meinen, aber doch verräterisch: Es zeigt die Unsicherheit und Schwierigkeit, ein solches Konzept auch wirklich zu verinnerlichen. Kann ein Mädchen ein Junge sein, nur weil es das von sich behauptet?

Interessant ist eine solche Frage nach sexueller Identität sicherlich, zumal sie auch mit anderen sehr existenziellen einhergeht – was macht einen Menschen eigentlich aus? Ganz so sehr wollte Regisseurin und Drehbuchautorin Gaby Dellal dann aber doch nicht gehen. 3 Generations nannte sie den Film im Original. Alle Farben des Lebens, der deutsche Titel, kommt dem Inhalt da aber schon näher. Denn irgendwie kommt hier alles mal vor, was so in einem Leben passieren kann: Homosexualität, Transsexualität, Ehebruch, alles mit einem eigenen Rattenschwanz an Problemen verbunden.

Warmherzig, aber etwas mutlos
Das ist in dieser geballten Form natürlich wenig nah am Leben gebaut, einige Wendungen und Dramen sind mehr zum Selbstzweck da, anstatt den Film wirklich voranzubringen. Die Konfrontation der lesbischen Großmutter mit dem transsexuellen Enkel ist dabei noch der interessanteste Aspekt, da hier Konflikte innerhalb der LGBT-Szene angesprochen werden – ein mindestens heikles, gern verschwiegenes Thema. Hier wird es jedoch eher humorvoll aufgegriffen, so wie Alle Farben des Lebens insgesamt niemandem wirklich weh tun will. Eine typische Indie-Feelgood-Tragikomödie, die das Herz sicher am rechten Fleck hat, mit schöner Musik das Ohr umschmeichelt, aber auch etwas mutlos ist. Dafür entschädigen die fabelhaften Darsteller: Wenn Flanning (Jahrhundertfrauen), Watts (St. Vincent) und Sarandon (Jeff, der noch zu Hause lebt) aufeinandertreffen, dann knirscht das auf eine so sympathische und schrullige Art und Weise, dass man ihnen noch sehr viel länger zuschauen mag, egal was sie da nun so genau treiben und sagen.



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„Alle Farben des Lebens“ nimmt die geplante Geschlechtsumwandlung des jüngsten Familienmitglieds zum Anlass, um eine Reihe von Konflikten aufzuzeigen. Der Film hat dabei sicher das Herz am rechten Fleck und gefällt auch durch das fabelhafte Ensemble. Ein bisschen mehr Tiefgang und Mut hätten der Feelgood-Tragikomödie aber sicher nicht geschadet.
6
von 10