Parchim International
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Parchim International

(„Parchim International“ directed by Stefan Eberlein and Manuel Fenn, 2016)

Man müsse große Träume haben, um etwas im Leben zu erreichen. Auf Jonathan Pang trifft das sicherlich zu. Ständig ist der chinesische Geschäftsmann in der Weltgeschichte unterwegs, um seine Projekte voranzutreiben. Projekte wie den kleinen Militärflughafen nahe des mecklenburg-vorpommerischen Ortes Parchim, den er zu einer internationalen Drehscheibe für den Frachtverkehr ausbauen möchte. Eine Million neuer Arbeitsplätze könnten dabei entstehen, sagt er irgendwann lachend, vielleicht sogar zehn. Eine ganze Menge auf jeden Fall, besonders für Parchim, wo kaum einer mehr Arbeit hat und die meisten Leute längst geflüchtet sind – gerade einmal 19.000 Menschen leben noch dort.

Die Gegenüberstellung dieser Zahlen zeigt bereits, wie hier zwei Welten aufeinanderprallen: Das verschlafene, von allen übersehene ostdeutsche Hinterland und chinesische Allmachtsfantasien. Es ist dann auch eine Mischung aus Skepsis und Euphorie, mit der die Bewohner von Parchim dem Investor begegnen. Ein Mensch, der so große Träume hat, dass man nicht genau weiß, ob man ihn auslachen oder ihm die Füße küssen soll. Parchim International ist dann auch die Geschichte einer kulturellen Auseinandersetzung zweier Gesellschaften, in denen die Uhren ganz unterschiedlich ticken, sowie der etwas unsanfte Widerstreit von Realität und Traum.

Mehrere Jahre haben Stefan Eberlein und Manuel Fenn Pang und sein Projekt begleitet, von einer schwierigen ersten Begegnung über langsame Fortschritte bis zu der Erkenntnis, dass der Plan eines internationalen Frachtflughafens wohl keine echte Zukunft hat. Dabei klang er auf dem Papier zumindest gar nicht so schlecht: Parchim ist nicht weit von Berlin und Hamburg entfernt, es gibt eine Menge brach liegendes Umland, damit der Flughafen leicht erweitert werden kann. Fast 30 Millionen Euro ließ sich Pang den Spaß kosten, eine noch mal deutlich höhere Summe sollten Investoren aufbringen. Doch eben Letzteres trat nie ein, auch seine Landsmänner konnten seinen Traum nicht wirklich teilen. Und als wäre das nicht schlimm genug, wurden plötzlich noch höhere Kosten fällig, um die Landebahn zu restaurieren, von den laufenden Kosten ganz zu schweigen.

Parchim International erzählt aber nicht nur vom wirtschaftlichen Faktor, auch die Bürokratie stellt den Flugzeugen immer wieder Hindernisse in den Weg, denen Pang aber mit einem – so scheint es – unerschütterlichen Optimismus begegnet. Nur an einer Stelle wird es persönlicher, wenn der Chinese in seiner fernen Heimat die emotionale Maske abnimmt, und die ganze Tragik dieses zerplatzenden Traumes deutlich wird. Auch hier setzen Eberlein und Fenn auf Kontraste. Nicht, dass es ihrem Dokumentarfilm vorher an betrüblichen Situationen gemangelt hätte. Nur war diese Geschichte eines jahrelangen Scheiterns oft von Humor begleitet: Wo eigentlich große Maschine landen und starten sollten, hoppelt ein Hase herum, ein Sinnbild für die Weltfremdheit des Projekts. Und auch der Blick in fremde Metropolen und andere Flughäfen, die als Vorbild dienen sollten, offenbart, wie hilflos Parchim und Pang gleichermaßen der Misere gegenüberstehen. Es hat einfach nicht sollen sein.

Viel passieren tut dabei naturgemäß nicht, der Dokumentarfilm erfordert ein bisschen Geduld. Und auch Einfühlungsvermögen, um dieser gleichermaßen kurios-komischen wie auch furchtbar traurigen Geschichte etwas abgewinnen zu können.



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Ein kleiner, nicht genutzter Militärflughafen im Osten Deutschland soll unter chinesischen Investoren zu einem internationalen Frachtflughafen ausgebaut werden. Das hört sich unglaublich an, ist es am Ende auch: „Parchim Internation“ erzählt die gleichermaßen traurige wie komische Geschichte eines gescheiterten Projekts und zweier Welten, die einfach nicht zusammenkamen.