Sully
© Warner Bros.

Sully

(„Sully“ directed by Clint Eastwood, 2016)

„Sully“ läuft ab 1. Dezember im Kino

Als am 15. Januar 2009 der Pilot Chesley B. Sullenberger (Tom Hanks) und sein Co-Pilot Jeff Skiles (Aaron Eckhart) den Airbus A320 starten, um von New York nach North Carolina zu fliegen, sah alles nach einem absoluten Routineflug aus. Doch als ein Schwarm Vögel in das Triebwerk des Fliegers gerät und dieses daraufhin ausfällt, muss schnell eine Idee her. Da Sullenberger die Optionen fehlen, beschließt er, auf dem Hudson River notzulanden – eine ebenso ungewöhnliche wie riskante Operation. Doch wie durch ein Wunder überleben alle, der Pilot wird landesweit als Held gefeiert. Die US-amerikanische Verkehrsbehörde ist aber weniger erbaut anlässlich der unkonventionellen Landung und lässt den Fall untersuchen. War das hohe Risiko am Ende unnötig gewesen?

Die Bilder des im Hudson River notgelandeten Flugzeugs gingen vor bald acht Jahren um die ganze Welt, manch einer sagt sogar, dies wäre die eigentliche Geburtsstunde von Twitter gewesen. So oder so, kaum einer wird behaupten wollen, bei dem medial ausgeschlachteten Glück-im-Unglück-Zwischenfall handele es sich um ein wenig bekanntes Ereignis. Warum also einen Film drehen über etwas, das jeder schon kennt? Anderthalb Stunden aufwenden, um einige wenige Sekunden Revue passieren zu lassen?

Um eine tatsächliche geschichtliche Aufarbeitung geht es in Clint Eastwoods neuestem Film aber auch gar nicht. Vielmehr ist das Hollywood-Urgestein wie zuletzt in American Sniper auf der Suche nach einem großen Helden, der hier zudem ein bisschen die geschundene amerikanische Seele streicheln darf. Dass er dafür der anschließenden Untersuchung zum Vorfall einen unnötigen Strafverfolgungscharakter gibt, der den Original-Sully dazu veranlasste, die Namen der beteiligten Personen ändern zu lassen, das nimmt der Filmemacher in Kauf. Und auch, dass er die Vertreter der Verkehrsbehörde NTSB zu weltfremden Paragraphenreitern degradiert.

Diese romantisierte, geradezu verklärende Darstellung hätte es kaum gebraucht, zumindest als Europäer wird einem dieses durch und durch amerikanische Heldenporträt mit Hang zum Pathos an manchen Stellen etwas aufstoßen. Sehr viel interessanter als die Gegenüberstellung eines intuitiv arbeitenden Flugveteranen mit den auf bloßen Simulationen basierenden Ermittlern ist die Figur des Sully an sich. Gerade weil der Kult um den Piloten teils bizarre Züge annimmt, er auf offener Straße von wildfremden Menschen umarmt wird, ist der Kontrast zum eigenen Seelenleben umso größer. Auch wenn der sich seiner Sache sicher war und das Ergebnis für sich sprach, die Erfahrung hat großen Schaden bei ihm hinterlassen. Wenn er verloren in den Spiegel schaut, er von Visionen abstürzender Flugzeuge heimgesucht wird, dann wird aus dem Strahlemann ein gebrochener Mensch, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Der auch nicht weiß, wie es weitergehen soll.

Dass dies so eindrücklich wirkt, das verdankt Eastwood dem zweimaligen Oscar-Preisträger Tom Hanks, der wie zuletzt in Captain Phillips, Bridge of Spies – Der Unterhändler oder auch Ein Hologramm für den König gezeigt hat, dass er selbst mit 60 Jahren noch zur ersten Schauspielgarde zählt. Die Kollegen verblassen im Vergleich, was aber auch damit zusammenhängt, dass sich Sully mit Charakterisierungen relativ zurückhält. Bei den regelmäßigen Telefonaten mit Ehefrau Lorainne (Laura Linney) wird ein bisschen Kontext bereitgestellt, ein paar der Passagiere bekommen Mini-Soloauftritte. Das war es aber auch schon, nicht einmal dem ständig anwesenden Co-Piloten Skiles wird ein Profil zugestanden. Zu einem echten Biopic reicht es daher gar nicht, die Personen haben größtenteils einen rein symbolischen Nutzen. Als herzerwärmende Zusammenhaltparole funktioniert das Drama aber recht gut, zusammen mit der packenden Absturzsequenz wird ein sehenswerter Film draus, der wie gemacht ist für die kommende etwas gefühlsbetontere Weihnachtszeit.



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Wie war das eigentlich damals bei der spektakulären Notlandung auf dem Hudson River? „Sully“ interessiert sich überraschend wenig für das Ereignis an sich, sondern dafür, was danach geschah. Das ist in gleichen Teilen das fesselnd gespielte Porträt eines gebrochenen Helden wider Willen und ein zu Pathos neigendes Wohlfühldrama.
7
von 10