Raum
© Universal Pictures

Raum

(„Raum“ directed by Lenny Abrahamson, 2015)

Raum
„Raum“ läuft ab 17. März im Kino

Ein Bett, ein Schrank, eine Toilette, eine Küche, eine Badewanne – an Einrichtungsgegenständen mangelt es dem 9 Quadratmeter großen Raum nicht. Wohl aber an einer Tür, zumindest einer, die sich von innen öffnen ließe. Seit einigen Jahren schon sind Joy (Brie Larson) und ihr kleiner Sohn Jack (Jacob Tremblay) dort eingesperrt. Während sich Joy noch schmerzlich an ihr Leben vor ihrer Entführung zurückerinnern kann, kennt Jack nichts anderes. Und die junge Mutter bringt es auch nicht übers Herz, ihn über ihre Situation wirklich aufzuklären. Darüber, wer Old Nick eigentlich ist. Eines Tages gelingt den beiden doch noch die Flucht. Damit fangen die Probleme aber erst wirklich an. Wie will jemand ein normales Leben führen, der jahrelang isoliert wurde?

Dass einer Darstellerin schon vor der Verleihung der Oscars der Preis als beste Schauspielerin nicht mehr zu nehmen ist, das kommt schon mal vor. Wenn es sich dabei aber um jemanden handelt, der das erste Mal nominiert wurde und auch nicht unbedingt zu den größten Stars zählt, dann ist das schon etwas ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist ja aber auch der Film, um den es hier geht. Wie schon zuletzt in seiner wunderbaren Tragikomödie Frank zeigt Regisseur Lenny Abrahamson bei Raum ein Gespür für bewegende Schicksale und eine Atmosphäre, die nicht ganz von dieser Welt zu sein scheint. Der Grund für Letztere ist ähnlich: die Flucht vor einer Realität, mit der die Protagonisten nicht klarkommen.

Welche das ist, das wird hier jedoch zunächst nicht genau gesagt. Wer nicht die Kurzbeschreibung des Films gelesen hat oder auch die Romanvorlage der irischen Autorin Emma Donoghue kennt, der freut sich zunächst über eine liebevolle Mutter-Sohn-Beziehung und eine poetische, geradezu märchenhafte Sicht auf die Welt. Bis einem dämmert, warum die beiden in den Raum sind, die skurrilen Geschichten ein Schutzmechanismus vor der Tatsache sind, dass zwei Menschen unter widrigen Umständen gefangen gehalten werden und jeglicher Kontakt zur Außenwelt abgeschnitten ist. Da wird ein kleines Oberlicht zum mit Sehnsüchten verknüpften Tor zu einer anderen Welt, ein Fernseher zum Lehrmeister des kleinen Jacks.

Dieser Hang zum Verträumt-Poetischen ist der eine Punkt, der Raum von dem thematisch ähnlichen Film 3096 Tage über den realen Fall der entführten Natascha Kampusch unterscheidet. Der andere ist, dass sich Donoghue nicht nur für das Leben in Gefangenschaft interessierte, sondern auch das danach. Wie wieder von vorne anfangen? Noch mehr emotionalen Sprengstoff erhält die Geschichte durch die Figur des Jacks, der bereits in dem Raum geboren wurde, also nicht anderes kennt und zudem das Ergebnis des Missbrauchs ist. Behutsam beleuchtet Abrahamson die schwierige Zeit der Anpassung sowie die Reaktionen des Umfelds – denn das verhält sich nicht unbedingt ideal.

Und auch das zeichnet Raum aus: Ja, Joy und die anderen waren die Opfer einer unmenschlichen Tat, werden dadurch aber nicht gleich zu undifferenzierten Gutmenschen. Sie alle zeigen Schwächen, benehmen sich manchmal irrational, sind von Situationen überfordert, verhalten sich unfair, Jack kann zwischendurch auch einmal sehr anstrengend werden. Durch den Verzicht auf die übliche Schwarzweiß-Zeichnung gewinnt man hier den Eindruck, es auch tatsächlich mit realen Menschen zu tun haben, was deren Schicksal umso aufwühlender macht. Und dann wären da noch die Schauspieler. Dass Larson wie prognostiziert den Oscar am Ende mit nach Hause nahm, das dürfte ihr nach der nuancierten, von widersprüchlichen Emotionen geprägten Leistung hier wohl kaum einer übelnehmen. Eine echte Überraschung ist aber Jacob Tremblay, der mit einer unbändigen Energie manche Szenen an sich reißt, aber auch die stillen, verletzlichen Momente beherrscht und so dazu beiträgt, dass Raum einer der bislang stärksten Filme des Kinojahres 2016 ist.



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Die Romanverfilmung „Raum“ erzählt die bewegende Geschichte einer Mutter und ihres kleinen Sohns, die jahrelang gefangen gehalten wurden. Das ist mal erschütternd, dann wieder poetisch und nicht zuletzt aufgrund des fabelhaften Darstellergespanns einer der stärksten Filme von 2016.
9
von 10