Warum haben sie nicht Evans gefragt
© ITV Studios Limited 1980

Warum haben sie nicht Evans gefragt?

(„Why Didn’t They Ask Evans?“ directed by John Davies and Tony Wharmby, 1980)

Warum haben sie nicht Evans gefragtBobby Jones (James Warwick) mag den Namen eines berühmten Golfers tragen, dessen Talent teilt er definitiv nicht. Ein missglückter Schlag führt ihn dann auch bis an den Abgrund einer Klippe, wo er einen Mann entdeckt, der offensichtlich hinabgestürzt ist. Viel Lebenszeit bleibt dem gefundenen Pechvogel nicht mehr, gerade genug Zeit, um einen rätselhaften Satz von sich zu geben: „Warum haben sie nicht Evans gefragt?“ Rätselhaft geht es aber auch weiter: Erst wird Bobby eine übertrieben gut bezahlte Arbeit im Ausland angeboten, danach ein Anschlag auf sein Leben verübt. War doch mehr dran an der Geschichte? Versucht jemand, ihn loszuwerden? Seine alte Freundin Lady Frances Derwent (Francesca Anis) zumindest ist davon überzeugt. Und so begeben sich die beiden auf Spurensuche und machen dabei die Bekanntschaft der eigenartigen Familie Bassington-ffrench.

Fernsehen ist einfach Müll! Das ist nicht erst heute eine traurige Erkenntnis, schon vor Jahrzehnten gab es Leute, die den Flimmerkasten vehement ablehnten – darunter auch Agatha Christie. Enttäuscht von den ersten TV-Adaptionen ihrer Bücher verweigerte sie ab den 60ern jedwede Umsetzung fürs Fernsehen, wer einen ihrer Krimis sehen wollte, musste wenn dann ins Kino gehen. 1980, Christie war zu dem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren verstorben, änderte sich dies jedoch, mit Warum haben sie nicht Evans gefragt? begann eine ganze Reihe von Fernsehfällen der englischen Autorin.

Mit den zuvor im Kino gestarteten Mord im Orientexpress und Tod auf dem Nil hatte der Zweiteiler jedoch nur wenig gemeinsam. Hier gab es auch budgetbedingt keine exotischen Schauplätze, keine Hollywoodstars, nicht einmal bekannte Romanhelden. Für Christie-Historiker ist Warum haben sie nicht Evans gefragt? dennoch interessant, zum einen weil hiermit die TV-Umsetzung-Renaissance eingeleitet wurde, aber auch weil sich in den Credits viele Namen verbergen, die später noch einmal mit Adaptionen der Krimikönigin von sich reden machen sollten. Francesca Anis und James Warwick ermittelten einige Jahre später in der Fernsehserie Detektei Blunt erneut zusammen, Joan Hicksen – die hier in einer Nebenrolle als extravagante High-Society-Klatschbase eine köstliche Vorstellung gibt – durfte später zwölfmal Miss Marple spielen. Und auch die Regisseure kehrten noch einmal an den Tatort zurück: Tony Wharmby inszenierte besagte Detektei Blunt, John Davies den Marple-Film Ruhe unsanft.

Wer die späteren Produktionen kennt, wird hier daher einiges bekannt vorkommen, vor allem die Parallelen zu Detektei Blunt sind unverkennbar. Hier wie dort gehen zwei junge Hobbydetektive, die anfangs noch kein Paar sind, gemeinsam auf Verbrecherjagd. Die mangelnde Routine und der im Vergleich zu Miss Marple oder Hercule Poirot weniger ausgeprägte Scharfsinn macht das Duo deutlich zugänglicher, hier gibt es keine unnachvollziehbaren Geistesblitze, man hat zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass die beiden mehr wissen als der Zuschauer. Das erleichtert dann auch das Mitraten, für viele ein integraler Bestandteil des Krimi-Spaßes; wer etwas nachdenkt, wird auf dieselben (Fehl-)Schlüsse wie die zwei Amateure kommen. Schön ist zudem, dass man sich hier viel Zeit ließ. Anders als bei den Poirot-Werken fürs Kino, wo die Ermittlung aus Zeitgründen oft sehr reduziert wurde und man stattdessen gleich zur Auflösung überging, standen hier mehr als drei Stunden zur Verfügung, was der Spuren- und Mördersuche sehr zugute kommt, die Umsetzung ist äußerst originalgetreu geworden.

Im Gegenzug ist das Tempo natürlich recht gemütlich, was zusammen mit den wenig aufregenden Schauplätzen und der typischen TV-Ästhetik trotz der hübschen Kostüme heute etwas bieder wirkt. Und sonderlich actionreich waren die Bücher Christies ohnehin nie gewesen: Hier gibt es keine wilden Schießereien, die Anzahl der Leichen bleibt gering. Man muss sich also schon darauf einlassen können, ein bisschen in die Vergangenheit zu reisen, inhaltlich – das Buch erschien 1934 –, wie auch inszenatorisch. Liebhaber etwas altmodischer Krimis erwartet hier jedoch ein spannender und wendungsreicher (wenngleich später unglaubwürdiger) Fall, sympathische Figuren, humorvolle Elemente und kleinere Abenteuerelemente. Kritiker und Zuschauer waren seinerzeit dann auch recht angetan, weshalb ein Jahr später mit Das Geheimnis der 7 Zifferblätter bereits die nächste Adaption im englischen Fernsehen lief.



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Die erste Fernsehfassung eines Agatha-Christie-Krimis nach ihrem Tod überzeugt mit einer originalgetreuen Umsetzung, hübschen Kostümen, zwei zugänglichen Ermittlern, etwas Humor und einem wendungsreichen Fall. Später wird es jedoch recht unglaubwürdig, heutigen Zuschauern könnte die Mördersuche außerdem zu tempoarm und bieder sein.
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von 10