Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich

Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich

(„Your Sister’s Sister“ directed by Lynn Shelton, 2011)

Meine beste Freundin, ihre Schwester und ichSchwimmen gehen ist um diese Jahreszeit schwierig, dafür ist das Wasser einfach zu kalt. Und auch sonst halten sich die Ablenkungsmöglichkeiten in Grenzen: Einen Fernseher gibt es nicht, Internet ebenso wenig. Nur du, die Insel, die Hütte. Aber genau darum geht es: „Es hilft dir einen klaren Kopf zu bekommen.“ Und dass er einen solchen hat, kann man bei Jack (Mark Duplass) schon länger nicht mehr behaupten. Seit sein Bruder Tom vor einem Jahr verstarb, will einfach nichts mehr bei ihm laufen, privat nicht, beruflich nicht.

Als er bei der Gedenkfeier an Tom die anderen Gäste anpöbelt und auch noch verkündet, die neue Stelle nicht antreten zu wollen, reicht es seiner besten Freundin Iris (Emily Blunt). Ein Wochenende in der Hütte ihres Vaters soll Jack helfen, seine Trauer zu verarbeiten und endlich wieder einen Weg für sein Leben zu finden. Was Iris nicht ahnt: Ihre Schwester Hannah (Rosemarie DeWitt) verfolgt denselben Plan, will die Einöde nutzen, um das Ende ihrer siebenjährigen Beziehung zu überwinden. Nach einer Nacht mit vielen Gesprächen und noch mehr Alkohol kommen die beiden sich näher, was aus zwei Gründen ein Problem ist. 1. Hannah ist eigentlich lesbisch. 2. Iris ist in Jack verliebt. Als die am nächsten Tag unangemeldet auftaucht, ist das Beziehungschaos komplett.

Egal ob er nun Regie führt (Jeff, der noch zu Hause lebt) oder sich aufs Schauspielern beschränkt (Journey of Love), taucht in den Credits der Name Mark Duplass auf, weiß man schon in etwa, was einen erwartet: skurrile, etwas unbeholfene Figuren, eine Konzentration auf das Zwischenmenschliche und ein möglichst geringes Budget. Da macht auch Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich keine Ausnahme, wo er wie schon bei Humpday mit Regisseurin und Drehbuchautorin Lynn Shelton zusammenarbeitet. Den Namen Emily Blunt kennt man hingegen weniger aus dem Indie-Bereich, sondern mehr aus Erfolgsfilmen wie Der Teufel trägt Prada oder Looper, die Schauspielerin fügt sich aber ebenso gut ins Gefüge wie ihre Filmschwester Rosemarie DeWitt (Rachels Hochzeit).Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich Szene 1

Und das ist gut so, denn viel mehr als die drei bekommen wir die knapp anderthalb Stunden nicht zu sehen. Abgesehen vom Anfang und einer kürzeren Sequenz spielt der gesamte Film in der einen Hütte. Getan wird nicht viel, dafür umso mehr geredet. Wie in dem Bereich üblich unterscheiden sich die Dialoge aber deutlich von denen, die in Hollywood ausgedacht werden. Filmzitate für die Ewigkeit findet man hier nicht, auch keine schmissigen Oneliner. Stattdessen legt Shelton Wert auf eine authentische Sprache, so wie man sie selbst eben verwenden würde. Das ist nicht unbedingt immer schön oder gar aufregend, dafür aber nachvollziehbar.

Das gilt dann auch insgesamt für den Film als solchen. Anders als es Liebeskomödien oft vorgeben, ist hier so gar nichts ideal: die Situation nicht, die Aussichten nicht, die Figuren nicht. Wer sich das Genre normalerweise anschaut, um von einem besseren Leben zu träumen, sollte sich von den Leuten hier fernhalten. Jack rülpst beim Gespräch und zieht bei der Trauerfeier für seinen Bruder über den Verstorbenen her, Iris mischt ihrer vegan lebenden Schwester wissentlich Butter und Milch in den Kartoffelbrei und auch Hannahs Verhalten ist nicht immer ganz einwandfrei.Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich Szene 2

Aber das Leben ist es nun mal auch nicht. Wenn Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich eines kann, dann ist es eben den Alltag so zu zeigen, wie er manchmal ist: peinlich, umständlich und durcheinander. Wer mit dieser Indiefilm-Philosophie etwas anfangen kann, darf sich über einen gut umgesetzten, teils bewegenden Neuzugang freuen. Das Rad wird nicht neu erfunden, dank seines famosen Darstellertrios ist die schnörkellose Tragikomödie aber all denen empfohlen, die in Filmen weniger die Flucht, sondern eher die Bestätigung suchen. Denn auch das kann ein Trost sein: Das Leben der Anderen ist manchmal genauso verquer wie das eigene.



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Eine Indie-Tragikomödie wie aus dem Bilderbuch: Die Handlung ist überschaubar, die Figuren etwas verschroben, die Dialoge recht alltäglich. Meine beste Freundin, ihre Schwester und ich eignet sich aufgrund seiner schnörkellosen Machart daher weniger für Freunde idealisierter Liebeskomödien. Wer es gerne authentischer mag, wird aber dank der tollen Schauspieler seine Freude haben.
7
von 10