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Oscar schämt sich [Special]

An diesem Sonntag wird wieder einmal der Oscar verliehen. Wer? Die Statue, die man zu tausenden in amerikanischen Souvenir-Shops kaufen kann? Interessieren die noch jemanden außerhalb von Los Angeles? Anscheinend ja, denn der Academy Award hat in den Jahren (83 sind es mittlerweile mit Unterbrechungen) immer mehr an Bedeutung gewonnen und  ist von einem schlicht vergoldeten Gegenstand, den einige Preisträger als Türstopper (Schauspielerin Luise Rainer, zweifache Preisträgerin der 30er Jahre) missbrauchen oder als Schmuckstück fürs Badezimmer (Komponist Bernard Herrmann, 1941) benutzten, zu einem internationalen Event geworden, bei dem die Topstars und jene, die es gerne werden wollen, sich gegenseitig ihre neuen Kleider präsentieren.  Niemand, der dazugehören will, verpasst die Oscar-Verleihung. Nicht teilzunehmen wäre Hochverrat. Über die Entscheidungen der Jury zu spotten gleicht einem Massenmord. Wer etwas Negatives sagt, riskiert immerhin auch, nie wieder eine Nominierung zu erhalten. Doch wie sagte Billy Wilder einmal? „Preise sind wie Hämorrhoiden. Irgendwann kriegt jeder Arsch einen.

Sehen wir nicht vor und spekulieren auf die Gewinner, sondern blicken wir zurück auf Stephans favorisierte Geschichten um den Academy Award, auch wenn dieser deshalb höchstwahrscheinlich rot anlaufen wird.

Platz Nr. 3 der amüsantesten Anekdoten:

1970 war George C. Scott der erste „Gewinner“, der den Oscar ablehnte. Erhalten sollte er ihn für seine Darstellung des General Patton im gleichnamigen Film von Franklin J. Schaffner, doch Scott hasste den Hollywood-Trouble und blieb, statt zur Verleihung zu gehen, zu Hause und sah sich im Fernsehen Hockey an. Ein Jahr später gewann er einen Emmy, doch überaschenderweise nahm er diesen an – mit einer unmissverständlichen Begründung und einem verachtenden Blick Richtung Oscar: Der Emmy sei eine ehrliche(re) Anerkennung einer schauspielerischen Leistung. Hier ein weiteres Zitat: „The [Academy Awards] ceremonies are a two-hour meat parade, a public display with contrived suspense for economic reasons.

Platz Nr. 2:

1972 – 20 Jahre nach Fertigstellung des Films – kam Charlie Chaplins „Limelight“ in die amerikanischen Kinos. Die Academy fühlte sich bemüßigt, Chaplin eine Ehrung zukommen zu lassen und entschied, dass man für die Musik des Streifens einen Oscar entbehren könne, denn Chaplin selbst – so stand es im Vorspann – war für die Musik verantwortlich gewesen. Der Preis ging an ihn und seine beiden Arrangeure Ray Rasch und Larry Russell, doch wie sich Jahrzehnte herausstellen sollte, hatte ein gewisser Larry Russell gar nichts mit der Musik dieses Films zu tun. Warum hatte man das nicht bemerkt? Russell war seit 20 Jahren tot, ebenso wie Ray Rasch seit längerer Zeit. Vor der Verleihung fragte man bei Raschs Witwe an, wer denn als Dritter an der Filmmusik gearbeitet habe und die Dame erwiderte, ein Mann namens Russell. Nun war es aber nicht Larry Russell, sondern Russell Garcia, der Komponist, der für die Musik zu Die Zeitmaschine verantwortlich ist und der Chaplins Themen notierte und für ein Sinfonieorchester arrangierte. Jahrzehnte später klärte Garcia, den diese Angelegenheit nie bekümmerte, einen Journalisten darüber auf, was nach der Verleihung geschah: „The next day my phone in New Zealand rang off the hook. Keith Williams, the conductor of the Limelight score, called to apologize. So did Larry Russell’s son. I’m not sure why everyone was sorry after the award was given. Maybe they didn’t realize my role until those who were actually there started talking. I don’t know. I’m sure it didn’t help that I lived so far away.

Platz Nr. 1:

1971 schrieb Marlon Brando an die Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Er bat darum, dass ihm sein Oscar, den er für “On the Waterfront” in den 50er Jahren gewonnen hatte, ersetzt werde, da ihm die Statue gestohlen wurde. Angeblich habe er diesen Oscar vor dem Diebstahl als Türstopper benutzt. Zwei Jahre später – 1973 – sollte er einen neuen bekommen, doch keinen Ersatz, sondern einen neuen für seine Leistung als Don Vito Corleone in „Der Pate“. Als man jedoch während der Verleihung seinen Namen als besten Hauptdarsteller ausrief, erschien kein Marlon Brando. Auf die Bühne kam eine junge Indianerin, die sich weigerte, die Statue an sich zu nehmen. Freundlich stellte sie sich vor, ehe sie sagte, dass Mr. Brando diesen Preis nicht annehmen würde. Er habe sie geschickt, um allen Anwesenden auszurichten, dass er sich weigere, da er die (negative) Darstellung der Indianer in amerikanischen Filmen nicht akzeptiere. Augenblicklich wurden Buh-Rufe im Publikum laut (denken sie sich ihren Teil über die entsprechenden Personen und deren Gesinnung), gemischt mit vereinzelten Beifallsbekundungen. Die Moderatoren Liv Ullmann und Roger Moore sind sichtlich verlegen und wissen zunächst nicht, wie sie sich verhalten sollen, ehe sie die Apachin nach einer kurzen Rede von der Bühne geleiten.

Dankesreden der Oscar-Gewinner sind schön, oder nicht? Natürlich sind sie es – für den Gewinner. Ich wage jedoch zu behaupten, dass Geschichten wie diese hier für alle anderen wesentlich amüsanter und unterhaltsamer sind. Mit diesen Worten wünsche ich all jenen viel Spaß, die sich die Verleihung in ein paar Stunden anschauen wollen – auf das es viele spannende Reden zu bestaunen gibt (abgesehen von den erstaunlichen Entscheidungen der Academy, die immer für Spannung sorgen…).

Für alle, die einen bestimmten, legendären Oscar-Moment vermissen hier der entsprechende Link:

http://www.youtube.com/watch?v=2IIl3zSYL8k



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