Antibirth
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Antibirth

(„Antibirth“ directed by Danny Perez, 2016)

Antibirth
„Antibirth“ läuft im Rahmen des 30. Fantasy Filmfests vom 17. August bis 18. September

Ein Kind von Traurigkeit ist Lou (Natasha Lyonne) sicher nicht. Und auch keines von Nüchternheit: Eigentlich ist die in einer heruntergekommenen Absteige wohnende Putzkraft ständig zugedröhnt oder besoffen. Ein wirkliches Wunder ist es dann auch nicht, als sie eines morgens orientierungslos aufwacht und sich so gar nicht an die Nacht zuvor erinnern kann. Seltsam sind dafür die anderen Symptome wie die einer Schwangerschaft, denn Sex hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr. Auch ihre beste Freundin Sadie (Chloë Sevigny), die in jener Nacht dabei war, ist ihr keine große Hilfe. Erst als sie die Bekanntschaft der exzentrischen Obdachlosen Lorna (Meg Tilly) macht, scheint langsam Licht ins Dunkel zu kommen. Und auch Sadies Freund Gabriel (Mark Webber) scheint mehr über die Sache zu wissen, als Lou ahnt.

Okay, das war er also, der WTF-Moment des Fantasy Filmfests 2016. Nicht, dass es zuvor an seltsamen, absurden, grotesken Szenen und Einfällen gemangelt hätte, eigentlich ist das alljährliche Genrefestivals sogar dafür bekannt, neben klassischen Horrormetzeleien und Düsterthrillern auch diverse Kuriositäten zu versammeln. Und mit Swiss Army Man, Yoga Hosers und The Greasy Strangler gab es zuvor ja auch schon diverse andere Beiträge dieses Jahr, die stolz darauf waren, anders zu sein. Antibirth setzt dem mit seinem Finale jedoch die Krone auf, allein schon aus dem Grund, weil es so völlig aus dem Nichts kommt.

Vorher wird man knapp anderthalb Stunden gegrübelt haben, worauf der Film nun eigentlich hinausläuft. Ob Regisseur und Drehbuchautor Danny Perez bei seinem Spielfilmdebüt überhaupt ein Ziel vor Augen hat. Das darf man als etwas Positives ansehen, ein bisschen Rätselraten in Verbindung mit einer (partiellen) Amnesie ist bei finsteren Stoffen ja nie verkehrt. Nicht ohne Grund beginnen viele Thriller gern ihre Geschichte damit, dass der Protagonist sich an nichts erinnern kann, nach und nach gemeinsam mit dem Publikum vergangene Ereignisse rekonstruieren muss. Der Unterschied bei Antibirth ist jedoch, dass die fortschreitende Laufzeit nur in sehr begrenztem Maße neue Puzzleteile mit sich bringt. Wenn etwas passiert, dann wird es im Gegenteil in Folge noch verworrener, sofern der Film sich nicht gleich ganz surrealen Visionen hingibt. Oft passiert aber auch … nichts.

Das ist in Maßen noch unterhaltsam, da sich Natasha Lyonne um Leib und Seele spielt, ihre hemmungslose Version des verkorksten White Trashes viel zu sehr paralysiert, als dass man noch etwas anderes beachten wollte. Allgemein sind die Rollen der Indie-Produktion sehr gut besetzt, Meg Tilly als verwahrloste Verschwörungstheoretikerin steht ihrer Kollegin kaum nach. Richtig reichen will das aber auch nicht, Antibirth bleibt ein nicht nur seltsamer, sondern auch seltsam leerer Film, der sehr lange braucht, um überhaupt mal ein wenig in die Gänge zu kommen, der aber selbst dann zu sehr von sich selbst verwirrt ist. Spannend ist das nicht allzu sehr, trotz der alptraumhaft-bizarren Andeutungen, die einen Böses vermuten lassen. Der eigentliche Horror besteht aber nicht in der ungewollten und rätselhaften Schwangerschaft, sondern Perez’ Darstellung eines amerikanischen Kaffs, in dem die Leute sich selbst aufgegeben haben, der Versuch, mit der Welt mitzuhalten, längst im Nirgendwo geendet ist.



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Was steckt hinter der rätselhaften Schwangerschaft? Diese Frage bleibt mindestens ebenso lange unbeantwortet wie die nach dem Ziel von „Antibirth“. Einzelne bizarre Momente gibt es, dazu ein unglaubliches Finale. Vorher irrt der Film aber lange ereignislos umher, lebt einzig und allein von den starken Leistungen der Darstellerinnen.
5
von 10