The Ballad of Wallis Island
Tim Key und Tom Basden in der Tragikomödie „The Ballad of Wallis Island“ (© Universal Pictures)

Tom Basden / Tim Key [Interview]

The Ballad of Wallis Island (Kinostart: 10. Juli 2025) erzählt die Geschichte des kriselnden Sängers Herb McGwyer (Tom Basden), der von Charles Heath (Tim Key) dazu eingeladen wird, auf eine Insel zu kommen und dort ein Konzert zu geben. Groß ist die Lust zwar nicht. Doch die Belohnung ist üppig, was ihm gerade recht kommt bei der Vorbereitung eines neuen Albums. Dabei ahnt Herb noch nicht, dass der exzentrische Charles tatsächlich sein einziges Publikum sein wird und auch Nell Mortimer (Carey Mulligan) kommen wird, Herbs frühere Partnerin in einem Folk-Duo. Wir haben die beiden Hauptdarsteller bei der Deutschland-Premiere der Tragikomödie beim Filmfest München 2025 zum Interview getroffen.

The Ballad of Wallis Island basiert auf eurem Kurzfilm The One and Only Herb McGwyer Plays Wallis Island aus dem Jahr 2007. Wie seid ihr damals auf die Idee gekommen?

Tom Basden: Wir waren damals in einer Sketch-Comedy-Gruppe, die aus vier Leuten bestand, und haben unentwegt an Sachen geschrieben, haben an Sketchen und Ideen gearbeitet. Und eben auch an billigen Kurzfilmen, zusammen mit Freunden, die Regie studierten und etwas drehen wollten. Also haben wir angefangen, Ideen speziell hierfür aufzuschreiben. The One and Only Herb McGwyer Plays Wallis Island war eine von vielen Ideen.

Tim Key: Wir hatten keine Arbeit, nur irgendwelche Nebenjobs, und hatten deshalb die Zeit für sowas. So produktiv wie damals bin ich glaube ich nie in meinem Leben gewesen, wir haben unentwegt geschrieben. Der Kurzfilm war also kein Eureka-Moment für uns. Wir hatten nur das Gefühl, dass dieser Sketch das Potenzial für einen Kurzfilm hatte. Später hat Tom den Regisseur James Griffith beim Dreh eines Werbespots kennengelernt und James wollte wissen, ob Tom Lust hätte, auch noch etwas anderes als Werbung zu machen. So kam eins zum anderen.

Und warum habt ihr daraus einen Langfilm gemacht, so viele Jahre später?

Tom Basden: Noch während wir den Kurzfilm gedreht haben, hatten wir das Gefühl, dass da eine größere Geschichte drinsteckt. Das Setup mit dem grummeligen Singersongwriter und dem sehr gesprächigen Millionär, das bot sich einfach für mehr an. Außerdem liebten wir diese Figuren und haben angefangen, Sachen für diese Figuren zu schreiben, um noch einmal zu ihrer Welt zurückzukehren. Es hat aber gedauert, bis wir eine Idee hatten für einen kompletten Langfilm, aber auch die Zeit, um wirklich daran zu arbeiten.

Tim Key: Instinktiv haben wir aber wohl auch nach einem Jahr oder zwei erkannt, dass wir nicht einfach so zurückkehren konnten. Dass du im Leben nicht einfach nur zurückkehren solltest. Erst später, 15 Jahre später, wurde dieser Instinkt durch eine Nostalgie verdrängt für diesen Kurzfilm und den Dreh, den wir so liebten. Und dann erkannten wir: Da ist etwas. Da ist ein Herz in diesem Kurzfilm. Außerdem waren die Figuren ziemlich interessant. Aber wir brauchten eine Idee. Uns wurde bewusst, dass es vielleicht gerade diese lange Zeit war, die es gebraucht hatte, indem wir einen Herb zeigen, der selbst zurückblickt.

Tom Basden: Wir waren bereits in unseren 40ern, als wir wieder mit dem Schreiben angefangen haben. Für uns war es interessanter, mit einem Herb zu arbeiten, der ein wenig heruntergekommen ist. Und einem Charles, der hinter seiner konstanten Positivität eine Einsamkeit verbirgt, über die er nicht sprechen mag. Das ist eine Geschichte, die wir in unseren 20ern nicht hätten schreiben können. Wir hatten damals nicht diese Erfahrungen im Leben, um eine solche Geschichte zu erzählen.

Irgendwie ist es auch passend, dass der Langfilm so viel später entstanden ist. Ihr erzählt darin, wie jemand auf seine Vergangenheit zurückblickt, während ihr selbst auf euren Kurzfilm zurückblickt.

Tim Key: Das war uns gar nicht aufgefallen, als wir den Langfilm gemacht haben. Erst durch die Q&As ist uns das bewusst geworden.

Tom Basden: Für uns war es auch eine sehr emotionale Erfahrung, den Film mit anderen anzuschauen und unsere eigene Nostalgie zu spüren, weil wir auf eine gewisse Weise auf unser jüngeres Ich zurückgeblickt haben.

Eine wichtige Frage bei euch ist der Umgang mit der Vergangenheit. Eine Vergangenheit zu haben, ist ja per se nicht verkehrt. Sie macht uns zu dem, der wir sind, und ist dadurch die Grundlage für alles. Für eure Figuren ist sie aber zu einem Gefängnis geworden. Wie schafft man die Balance aus einer solchen Grundlage, auf der du aufbaust, und etwas, das du hinter dir lassen musst?

Tom Basden: Das ist eine sehr gute Frage und der Film ist der Versuch, diese Frage zu beantworten. Herb und Nell lernen im Laufe des Films, wie sie wieder miteinander umgehen und sich sehen können, wenn sie wollen, als Freunde. Sie müssen es aber nicht, sie können mit ihrem Leben getrennt weitermachen. Herb ist wieder aus diesem Gefängnis entkommen, wie du es ausgedrückt hast. Er kann dieses Bedauern und diese Nostalgie hinter sich lassen, dass in seinen 20ern alles besser war – ein Gefühl, das wir alle irgendwie kennen. Bei Charles ist es die Trauer um seine Frau, die er verarbeiten muss. Diese Trauer wird nie völlig weg sein. Aber dieses Konzert, mit dem er an sie erinnert und sie feiert, gibt ihm die Möglichkeit, auch wieder mehr an sein eigenes Glück zu denken. Ich weiß nicht, ob du jemals wirklich mit etwas abschließen kannst, das dir so viel bedeutet hat, als du jung warst. Es geht mehr darum, einen Frieden zu finden und eine Ruhe, die es dir erlauben, in der Gegenwart zu leben, anstatt immer an die Vergangenheit denken zu müssen.

Seid ihr selbst Menschen, die eher zurück oder nach vorne blicken?

Tim Key: Ich glaube schon, dass wir viel nach vorne blicken, zumindest in kreativer Hinsicht. Aber es gibt auch Sachen, die ich seit 20 Jahren mache. Ich habe eine Radioshow, die ich sehr gern mache und bei der Tom auch dabei ist. Alle zwei oder drei Jahre nehmen wir die auf. Und ich trete auch live auf und gehe seit vielen Jahren zum Edinburgh Festival. Wenn du in deinen 20ern bist, ist das alles wahnsinnig aufregend. Du siehst das dann alles aus einer anderen Perspektive, wenn du in deinen 40ern hingehst. Du tust dasselbe, bist im selben Raum, trinkst im selben Hof. Und doch ist alles etwas anders. Natürlich macht das noch immer sehr viel Spaß, ich würde nicht hingehen, wenn es anders wäre. Aber du fühlst die Geister der Vergangenheit um dich herum. Wahrscheinlich ist es besser, wenn du jedes Mal etwas Neues machst. Andererseits war der Kurzfilm sicherlich ein Höhepunkt in meinem Leben und auch die Arbeit an dem Langfilm eine ganz besondere Erfahrung. In dem Fall war es also wohl gut, nicht einfach nur nach vorne zu blicken.

Dann lasst uns über Kunst im Allgemeinen sprechen. In eurem Film wird Musik zu einem Bindeglied zwischen den Figuren. Kann Kunst Menschen zusammenbringen?

Tom Basden: Natürlich, dafür ist sie da. Das ist etwas, das meine Figur Herb erkennt. Am Anfang des Films denkt er, dass seine Musik etwas sehr Privates ist, sein persönlicher Ausdruck, wie er sich fühlt. Als Nell auftaucht und sie zusammen Musik machen, denkt er deshalb auch, dass sie dadurch ihre alte Liebe wiederaufnehmen, weil die Lieder das für ihn bedeuten. Zum Ende des Films erkennt er aber, dass diese Lieder für Charles die Welt bedeuteten, und für dessen Frau, die er nie getroffen hat. Und für all die anderen Menschen, die seine Musik liebten. Der Film zeigt auf, dass diese Lieder und die Kunst ein Eigenleben haben, dessen sich die Künstler selbst oft nicht bewusst sind. Sie kann Menschen auf eine Weise zusammenbringen, die sich nicht vorhersagen lässt, vielleicht nicht einmal verstehen lässt.

Tim Key: Da spielt dann auch die Zeit mit rein. Du kannst einen Abend auf der Bühne verbringen und dabei viel Spaß haben. Und dann triffst du 15 Jahre später ein Paar und es erzählt, wie sie sich bei diesem Auftritt kennengelernt haben. Daran denkst du natürlich nicht, wenn du auf der Bühne stehst. Du bist damit beschäftigt, irgendwie deinen Auftritt gut zu machen und nicht zu nervös zu sein, und merkst gar nicht, welche Bedeutung das für die Menschen hat, die direkt vor dir stehen.

The Ballad of Wallis Island
Der kriselnde Sänger Herb McGwyer (Tom Basden) trifft in „The Ballad of Wallis Island“ seine frühere (musikalische) Partnerin Nell Mortimer (Carey Mulligan) und seinen größten Fan Charles Heath (Tim Key) (© Universal Pictures)

Du denkst also nicht an die Außenwelt bei deiner Kunst?

Tim Key: Wenn ich etwas schreibe, ist mein oberstes Ziel, etwas zu machen, das mir selbst gefällt. Und du hoffst einfach, dass du damit später ein Publikum erreichst.

Tom Basden: Live Comedy ist natürlich etwas anderes, weil du da direkt dein Live-Publikum abholen musst. Natürlich versuchst du beim Schreiben etwas zu machen, das du selbst gut findest. Aber wenn du dann auftrittst, bekommst du ein unmittelbares Feedback, ob etwas funktioniert oder nicht. Wenn dein Publikum etwas nicht lustig findest, dann merkst du das sofort. Das hilft dir dann unterbewusst, wie du es besser machen kannst. Das Publikum lehrt dich, besser zu werden.

Tim Key: Ja, wenn du es nicht zum Laufen bringst, dann wirst du nicht sehr weit kommen. Ein bisschen kannst du es natürlich vor dir selbst leugnen. Aber auf Dauer reicht das nicht. So schwierig es natürlich ist, einen Langfilm zu machen und ihn finanzieren zu können: Die schwierigste Phase in meiner Karriere war für mich, in meinen 20ern unterwegs zu sein und nicht zu wissen, ob das jetzt gut lief oder nicht.

Ihr habt davon gesprochen, etwas zu machen, das ihr gut findet, aber auch, wie wichtig es ist, dass andere es gut finden. Wie findet man dann die richtige Balance? Wenn man zu sehr auf andere hört, läuft man schließlich Gefahr, sich selbst zu verlieren.

Tom Basden: Das ist wirklich ein nicht ganz einfacher Balanceakt. Selbst wenn du auf andere und ihre Meinung hörst, ist es wichtig, dass du etwas tust, das sich für dich echt anfühlt und das auf etwas Realem basiert. Die Witze müssen zu den Figuren passen und sich aus diesen entwickeln. Wir wollten etwas machen, das ehrlich ist. Wenn die Leute das mögen, ist das fantastisch. Und wenn nicht, ist das auch gut.

Tim Key: Na ja, nicht wirklich gut.

Tom Basden: Dann sagen wir akzeptabel. Natürlich kannst du nicht verhindern, dass du von etwas beeinflusst wirst, das andere gemocht haben. Um noch einmal auf deine Frage am Anfang zurückzukommen, warum wir den Langfilm gemacht haben: Die Leute liebten den Kurzfilm. Wir haben immer wieder welche getroffen, die ihn irgendwo gesehen haben und sich mit uns darüber unterhalten wollten. So sehr wir ihn selbst geliebt haben, da war offensichtlich etwas, auf das manche Menschen reagieren, wenn sie ihn sehen. Deswegen waren wir auch davon überzeugt, dass es das wert ist, noch einmal zu der Geschichte zurückzukehren. Es ist also eine Mischung aus einem eigenen Instinkt und dem, was du von dem Publikum lernst.

Wir haben darüber gesprochen, wie Kunst Menschen zusammenbringt und was sie ihnen bedeutet. Sie kann einem auch dabei helfen, durch schwere Zeiten zu kommen. Wie sieht es bei euch aus? Welche Kunst hilft euch durch schwere Zeiten?

Tim Key: Das hört sich jetzt bestimmt verrückt an, aber ich schaue mir gern The Office an. Ich habe die Serie schon so oft gesehen, aber sie hilft mir noch immer, zur Ruhe zu kommen, wenn ich gestresst bin. Oder auch, wenn ich Heimweh habe. Da ist etwas an dieser Serie, das mir das Gefühl gibt, dass alles wieder gut ist. Viele haben das glaube ich getan zur Zeit des Lockdowns und sie sind zu dem zurückgegangen, das ihnen ein Gefühl der Geborgenheit gibt, anstatt etwas Neues zu suchen. Ich habe viel Columbo geschaut damals.

Tom Basden: Ich bin ein sehr schlechter Klavierspieler. Im Film spiele ich zwar ein bisschen, aber ich bin wirklich nicht gut darin. Früher habe ich Chopin gespielt. Wenn ich eine schwere Zeit durchmache, versuche ich mich wieder daran und versuche mich zu erinnern, wie ich das spielen muss.

Tim Key: Bei mir sind es Gedichte. Wenn bei mir eine schwere Zeit ansteht, versuche ich Gedichte zu schreiben. Schreiben hilft mir, weil es schnell geht und Spaß macht.

Vielen Dank für das Interview!



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