Oxana – Mein Leben für die Freiheit
© 2024 - Rectangle Productions - 2.4.7. Films - Hero Squared - France 3 Cinéma - Tabor Ltd - X Verleih AG

Oxana – Mein Leben für die Freiheit

Oxana – Mein Leben für die Freiheit
„Oxana – Mein Leben für die Freiheit“ // Deutschland-Start: 24. Juli 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Schon als kleines Mädchen zeigt Oxana (Yesenia Selezniova) großes künstlerisches Talent und erhält eine Ausbildung zur Ikonenmalerin. Und bereits als junge Frau (jetzt: Albina Korzh) kann sie ihre in ärmlichen Verhältnissen im ukrainischen Chmelnyzkyj lebende Familie mit ihrer Malerei ernähren. Schnell erkennt sie jedoch, dass der Handel mit den Heiligenbildern ein krummes Geschäft ist, mit dem sich die orthodoxen Priester in erster Linie die eigenen Taschen vollmachen. Der Blick ins eigene Wohnzimmer vergrößert den Frust. Wie viele andere Männer aus der Region hat auch ihr Vater (András Komornik) seine Arbeit verloren und lässt seine Wut an Oxanas Mutter (Olesya Ostrovska) aus. Während der Vater sich vor dem Fernseher betrinkt, laufen Nachrichten über Femizide über den Schirm, zu denen der Mutter nichts als beten einfällt.

Oxana und ihre Freundinnen Anna Hutsol (Oksana Zhdanova) und Alexandra Schewtschenko (Mariia Kokshaikina) wollen die Zustände im Land hingegen nicht länger hinnehmen und gründen im April 2008 die feministische Gruppe Femen. Deren aufsehenerregende Protestaktionen machen weltweit Schlagzeilen und inspirieren Femen-Gründungen in anderen Ländern. Derweil wird die Lage in der Ukraine immer gefährlicher für die jungen Frauen. Als Oxana, Anna und Alexandra 2013 in Frankreich Asyl suchen, ist ihre Mitstreiterin Inna Schewtschenko (Maryna Koshkina) dort bereits angekommen, bestens vernetzt und mit der Neuausrichtung der Gruppe beschäftigt, was deren Einheit vor die Zerreißprobe stellt.

Die Waffen der Frauen

Der alles verändernde Moment folgt einer spontanen Eingebung. Oxana (Albina Korzh) und ihre Mitstreiterinnen sind nach Kiew gereist, um gegen Prostitution und Sextourismus zu demonstrieren. Dass die Ukraine kein Bordell sei, ist auf ihren Plakaten zu lesen. Mit Blumenkränzen in den Haaren und wie Sexarbeiterinnen aufgemacht bedrängen sie im Treppenhaus eines Regierungsgebäudes einen Politiker, als Oxana die zündende Idee kommt. Sie zieht blank und damit die Blicke der Fotografen auf sich. Fortan machen die Femen mit ihren Oben-ohne-Aktionen auch über die Landesgrenzen hinaus Schlagzeilen. Und Oxana und Co. machen nicht in Kiew und beim Thema Sexismus Halt. Von langer Hand geplante Proteste in Minsk und Moskau richten sich gegen Alexander Lukaschenko, Wladimir Putin und deren diktatorische Regime. Was die Frauen einmal beinahe mit dem Leben bezahlen. Ein anderes Mal kommen sie mit einem blauen Auge, geschorenen Haaren und gebrochenen Knochen davon – und suchen schließlich in Frankreich Asyl.

Dass der Preis der Freiheit hoch ist, macht die Regisseurin Charlène Favier in ihrem zweiten abendfüllenden Kinofilm, der ihrem bemerkenswerten Debüt Slalom (2020) folgt, unmissverständlich klar. Dafür bedarf es nicht erst der beklemmenden Bilder, die der Kameramann Eric Dumont, der bereits die drei Filme Der Wert des Menschen (2015), Streik (2018) und Eine andere Welt (2021) des Regisseurs Stéphane Brizé beeindruckend in Szene gesetzt hat, für Folter und Erniedrigung findet. Über Dumonts Einstellung zeichnet Favier von vornherein zwei patriarchale Gefängnisse, aus denen die Frauen ausbrechen müssen: die Familie und die Kirche. Die omnipräsente Nacktheit wird nicht etwa voyeuristisch ins Bild gerückt, sondern ganz im Sinne der Femen-Aktivistinnen. „Das Sexualobjekt verwandelt sich in ein Subjekt, das protestiert“, bringt es Oxana im Film auf den Punkt. „Unsere Brüste sind unsere Waffen“, setzt sie ihren Gedankengang fort. „Wir ziehen uns gar nicht aus, wir ziehen eine Uniform an.“ Und diese Uniform sitzt wie angegossen.

Eine Ikone, blasphemisch und selbstbestimmt

Das kurze, tragische und öffentliche Leben von Oksana Schatschko (1987–2018) bietet sich für ein Biopic förmlich an. Charlène Favier entscheidet sich dafür, diese Aktivistin, die als Künstlerin blasphemische Ikonen malte, selbst zu einer Ikone zu stilisieren. Dabei nimmt sie sich die Freiheit, zu verkürzen, zu vereinfachen, zusammenzuführen und zuzuspitzen, wo es nötig ist. Dass der Name der feministischen Gruppe während eines kurzen Wortwechsels zwischen Oxana und ihren Freundinnen und Femen-Mitgründerinnen Anna (Oksana Zhdanova) und Alexandra (Mariia Kokshaikina) zwischen Bier und Schnaps spontan in einer Kneipe gefunden wurde, dürfte dazu zählen. Eine erzählerische Freiheit wie diese bringt den Film voran, überträgt sie doch ungemein viel von der ansteckenden Energie und der rebellischen Aufbruchstimmung direkt in den Kinosaal. Hier sind die drei Protagonistinnen, allen voran Newcomerin Albina Korzh in der Titelrolle, hervorzuheben. Wie sich Korzh unerschrocken in jede Szene wirft und damit ihrer Figur sehr nahekommt, macht manche Schwäche dieses Dramas wett. Denn nicht jede Freiheit, die sich Favier nimmt, geht auf.

Die ausgesprochen lose Erzählweise, die zwischen gleich drei Zeitebenen hin und herwechselt, erschwert den Überblick. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die Hauptfigur nur unmerklich altert, obwohl mehr als 15 Jahre zwischen den entscheidenden Erzählebenen vergehen. Erschwerend hinzu kommt, dass die im Jahr 2000 in Kiew geborene Hauptdarstellerin Albina Korzh, so umwerfend sie auch agiert, weder als 16-jährige noch als 31-jährige Oxana durchgeht, weil sie für den einen Lebensabschnitt schlicht zu alt und für den anderen zu jung aussieht.

Ein zusätzliches Irritationsmoment entsteht durch den deutschen Verleih. Der hat sich dafür entschieden, den kompletten Film zu synchronisieren, was dazu führt, dass die Figuren durchweg Deutsch sprechen, egal ob sie sich auf Ukrainisch, Russisch oder Französisch unterhalten. Durchaus vorhandene Sprachbarrieren gehen dadurch völlig verloren. (Wer die Gelegenheit dazu hat, den Film im untertitelten Original zu sehen, sollte diese wahrnehmen.) Die schiere Wucht dieses bewegenden Lebens bremsen die Fehlentscheidungen aber nur bedingt. Favier inszeniert so dynamisch, dass man nicht anders kann, als sich mitreißen zu lassen von einer Frau, die die Freiheit über alles stellte, die mitansehen musste, wie die Revolution erst zur Modeerscheinung pervertierte und schließlich ihre eigenen Kinder fraß und die letztlich zu einer Kriegerin ohne Krieg verkümmerte. „Ohne Kampf hört das Leben auf“, sagt Oxana kurz vor Schluss und beendet ihr Leben so, wie sie es gelebt hat: selbstbestimmt.

Credits

OT: „Oxana“
Land: Frankreich
Jahr: 2024
Regie: Charlène Favier
Drehbuch: Diane Brasseur, Charlène Favier, Antoine Lacomblez
Musik: Delphine Malaussena
Kamera: Eric Dumont
Besetzung: Albina Korzh, Maryna Koshkina, Lada Korovai, Oksana Zhdanova, Mariia Kokshaikina, Noée Abita

Bilder

Trailer

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Oxana – Mein Leben für die Freiheit
fazit
Einen Film, der mit allen Fakten wahrheitsgetreu umgeht und ein komplexes und realistisches Bild der Aktivistinnen-Gruppe Femen zeichnet, sollte man von „Oxana“ nicht erwarten. Stattdessen nutzt die Regisseurin Charlène Favier das kurze, tragische und öffentliche Leben von Oksana Schatschko (1987–2018), um ein dynamisches Drama auf die große Leinwand zu werfen. Dieses Biopic ist in erster Linie ein mitreißendes Plädoyer für die Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben.
Leserwertung0 Bewertungen
0
7
von 10