Shinya Tsukamoto ist ein international bekannter japanischer Regisseur und Schauspieler. Gleich mit seinem ersten Spielfilm Tetsuo: The Iron Man gelang ihm ein Werk, das heute Kultstatus genießt und für das er international bei Kritik wie auch dem Publikum gefeiert wurde. In Filmen wie Tokyo Fist, Bullet Ballet, Fires on the Plain oder Killing setzte er sich nicht nur mit unterschiedlichen Genres auseinander, sondern zudem mit teils sehr provokanten Themen wie der Obsession mit Technologie, Körperkult, Kriegstreiberei oder der mangelhaften Verarbeitung der eigenen Vergangenheit in seiner Heimat. Ästhetisch ist der Fokus seines filmischen Schaffens der menschliche Körper, der als Metapher für den Zustand der Welt sowie den emotional-psychologischen Verfall seiner Hauptfiguren steht.
Neben seiner Karriere als Regisseur tritt Tsukamoto auch immer wieder als Schauspieler in Erscheinung. Er spielte in seinen eigenen Filmen wie beispielsweise in Bullet Ballet oder Fires on the Plain mit, aber auch in Produktionen von Kollegen wie Hideaki Annos und Shinji Higuchis Shin Godzilla, Takashi Shimizus Marebito, Takashi Miikes Ichi – The Killer oder Martin Scorseses Silence.
Mit seiner Regiearbeit Shadow of Fire, der aktuell im Programm der Nippon Connection 2025 vertreten ist, schließt er seine Kriegs-Trilogie ab, die er mit Fires on the Plain und Killing begann. Im Interview mit film-rezensionen spricht er über den Film, dessen Themen und den Umgang mit Schauspielern.
Was war die Inspiration für Shadow of Fire?
Ich wollte einen Film über den Schwarzmarkt drehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Japan, wie auch in anderen Ländern, eine große Not und es fehlte den Menschen an Dingen, die sie für das tägliche Leben brauchten. Es bildete sich der Schwarzmarkt, auf dem man diese Dinge kaufen konnte, meist für einen hohen Preis. Es ist ein Ort jenseits der Legalität. Das faszinierte mich.
Shadow of Fire ist einer von mittlerweile drei Filmen, in denen du dich mit vom Krieg traumatisierten Menschen befasst. Das Trauma ist aber nicht allein emotionaler Natur, sondern es ist die Ursache für den physischen Schmerz. Ist das als Metapher zu verstehen oder basiert das auf einer Recherche?
Als ich die Arbeit an Fires on the Plain begann, traf ich mich mit Onoda Hiro, dem japanischen Soldaten, der auf den Philippinen den Zweiten Weltkrieg überlebte. Durch diese Gespräche habe ich verstanden, was es heißt, einen Krieg durchzumachen und welche Wunden, emotional wie auch mental, ein solches Ereignis bei einem Menschen hinterlässt. Die Begegnung mit ihm hat auch meine Arbeit an Shadow of Fire beeinflusst.
Die Schauspieler in Shadow of Fire machen einiges mit. Wie war die Zusammenarbeit mit Darstellern wie Shuri oder Oga Tsukoa?
Besonders bei Oga habe ich mich bemüht, ihn bei Laune zu halten. Was seine Figur in meinem Film durchmachen muss, ist schrecklich, deshalb war es mir wichtig, dass er sich am Set wohlfühlt. Ich hatte auch den Eindruck, dass er gerne ans Set kommt. Er war immer sehr fröhlich und hat gelacht, was mich sehr beruhigte.
Wenn ich einen Film wie Shadow of Fire drehe, ist es mir wichtig, dass wir einen Szene komplett drehen, also mit nur sehr wenigen Schnitten. Ich bevorzuge es, die Schauspieler eine Szene ganz spielen zu lassen und dafür mehrmals. Dabei nehmen wir aus verschiedenen Winkeln das Geschehen auf.
Die Kamera, die wir bei Shadow of Fire verwendeten, sind sehr klein. Im Gegensatz zu Filmkameras sieht man sie kaum, sodass die Schauspieler sich voll und ganz auf ihr Spiel konzentrieren können und nicht durch die Präsenz einer Kamera aus dem Konzept gebracht werden.
Deine Filme sind auch für den Zuschauer eine körperliche Erfahrung, weil man auf das reagiert, was die Figuren durchmachen. Ist das von dir so beabsichtigt, wenn du das Drehbuch schreibst, oder bist du teils selbst überrascht, wenn du merkst, wie dein Film beim Publikum ankommt?
Ich halte nichts davon, beim Schnitt oder durch andere Tricks oder gar Effekte eine Wirkung beim Zuschauer zu provozieren. Mir ist es wichtig, dass sich das Publikum bei meinen Filmen so fühlt, als ob es selbst vor Ort ist und alles live miterlebt. Beim Dreh habe ich diesen Gedanken immer im Hinterkopf und gebe alles, damit diese Wirkung erzielt wird. Es freut mich immer wieder zu hören, dass die Zuschauer meiner Filme gerade die zu schätzen wissen, auch wenn es nicht immer schön ist, was sie in meinen Filmen erleben.
Wenn man auf Festivals ist, kommt es immer wieder vor, dass ein Film nicht so ankommt, wie man es sich als Regisseur erhofft hat. Ich habe einmal erlebt, dass Zuschauer bei einem meiner Filme gekichert und sich köstlich amüsiert haben. Natürlich ist das schön für sie, aber bei den Themen meiner Filme finde ich so eine Reaktion irgendwie auch sehr irritierend. (lacht)
Bei welchem Film war das denn?
Das war Nightmare Detective II. Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie man auf diesen Film so reagieren kann. Ein anderes Mal haben Zuschauer beim ersten Tetsuo-Film gelacht.
Das wundert mich nun nicht wirklich, denn Tetsuo hat ja durchaus viele komische Szenen?
Da hast du recht, aber in diesem Fall hatte das einen anderen Grund. Die Zuschauer haben gelacht, als eine Frau im Film ein Telefonat annahm und sich mit „Hallo! Hallo!“ meldete [auf Japanisch: „Moshi moshi“].
Du hast einmal in Bezug auf Killing gesagt, dass ein Kriegsfilm oder ein historischer Film immer auch etwas über unsere Welt heute aussagen muss. Was wäre das bei Shadow of Fire?
Wenn ich an die Figuren meines Films denke, hoffe ich inständig, dass der kleine Junge eine schöne Zukunft haben wird. Leider leben wir in einer Zeit, in der sehr viel Krieg herrscht und ebenso viel Unsicherheit, sodass ich nicht weiß, ob diese Zukunft für viele Kinder so schön sein wird. Das erlebe ich auch in meiner Heimat Japan, in der viele junge Menschen einer Zukunft entgegensehen, die alles andere als schön sein wird. Dennoch hoffe ich, dass das Gegenteil eintritt.
Was wären Themen, Figuren und Geschichten, die dich für deine nächsten Projekte interessieren würden?
Nach Killing hatte ich vor, einen Kriegsfilm zu drehen. Wegen der Pandemie und des Lockdowns war dies leider nicht möglich und ich hoffe, dass ich dieses Projekt noch machen werde. Danach ist aber endlich einmal Schluss mit diesem Thema. (lacht)
Vielen Dank für das tolle Gespräch.
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