
Im oberbayerischen Pischelsdorf stand das Wirtshaus „Fanni“ seit Mitte der 1980er Jahre leer. Die letzte Wirtin, Franziska Riedmair, hatte ihrer Tochter am Sterbebett das Versprechen abgenommen, das Gebäude unverändert zu lassen – andernfalls würde sie sie „im Traum heimsuchen“. Als die Tochter 2016 verstarb und das Wirtshaus an ihre Erbengemeinschaft überging, fassten einige Dorfbewohner den Entschluss, das traditionsreiche Gebäude wiederzubeleben. Sie gründeten eine Initiative, aus der später eine Genossenschaft entstand, mit dem Ziel, die Wirtschaft zu renovieren und gemeinschaftlich zu führen. Regisseur Hubert Neufeld, selbst in Pischelsdorf aufgewachsen, begleitete dieses Projekt mit seiner Kamera. Entstanden ist der Dokumentarfilm Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?.
Kulturgeschichte des Wirtshauses
Der Film dokumentiert nicht nur die praktische Umsetzung von der ersten Versammlung bis zur feierlichen Wiedereröffnung, sondern bettet die Geschichte der „Fanni“ in einen größeren kulturellen Kontext ein. In klug montierten Einschüben kommen Zeitzeugen, Humoristen wie Gerhard Polt und Experten wie der ehemalige Wirt und heutige Museumsbetreiber Hans Schneider zu Wort. Sie veranschaulichen den einstigen Stellenwert des Wirtshauses im dörflichen Leben. Vertreter von Heimatverbänden und dem Hotel- und Gaststättenverband erläutern die Ursachen des sogenannten Wirtshaussterbens, während Stadtplanerin Barbara Hummel darlegt, welche soziale Bedeutung solche Treffpunkte nach wie vor haben – auch wenn dies vielen gar nicht mehr bewusst ist.
Zentrum des Films bleibt jedoch das gemeinschaftliche Engagement der Dorfbewohner. Neufeld fängt in Gesprächen und beobachtenden Szenen das Herzblut der Beteiligten ein, das sie in dieses Projekt stecken. Man spürt die Begeisterung, mit der Alteingesessene und Zugezogene gleichermaßen an der Renovierung arbeiten. Ihre Zusammenarbeit lässt eine neue Gemeinschaft entstehen – ein lebendiges Beispiel dafür, was möglich ist, wenn Menschen sich mit einem gemeinsamen Ziel verbinden. Diese stille, aber kraftvolle Botschaft hebt sich wohltuend von der oftmals betonten gesellschaftlichen Spaltung der Gegenwart ab.
Gelungene Komposition
Neufeld gelingt es, die unterschiedlichen Stränge seines Films zu einem stimmigen Ganzen zu verweben. Die kulturhistorischen und gesellschaftlichen Reflexionen wirken nie aufgesetzt, sondern ergänzen die dokumentarische Erzählung auf sinnvolle Weise. Die Spannung entsteht ganz ohne dramaturgischen Kniff: Man fiebert mit, hofft auf den Erfolg dieses ungewöhnlichen Projekts, fühlt mit den Beteiligten, die einem durch ihre Authentizität ans Herz wachsen. Der Film zeigt dabei nicht nur, wie ein einzelnes Wirtshaus gerettet werden kann, sondern auch, wie durch gemeinsames Handeln dem Gefühl ländlicher Abgehängtheit entgegengewirkt werden kann.
Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus? ist mehr als ein nostalgischer Blick auf vergangene Zeiten. Der Film erzählt eine hoffnungsvolle Geschichte über Heimat, Zusammenhalt und das, was möglich ist, wenn Menschen an einem Strang ziehen. Damit ist er nicht nur ein Porträt eines Dorfes und seines Wirtshauses, sondern auch ein stilles Plädoyer für gelebte Gemeinschaft.
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