
Seine Wandelbarkeit ist das größte Gut von Matthias (Albrecht Schuch). Als Inhaber der Agentur „My Companion“ ist er es gewohnt, jeden Tag zu einem anderen Menschen zu werden. Gegen Bezahlung wird er je nach Auftrag zu einem Partner oder auch einem Sohn, wie es seine Kundschaft eben verlangt. Nur machen es die ständigen Identitätswechsel schwierig für ihn, einmal er selbst zu sein. Darüber beklagt sich zumindest seine Freundin Sophia (Julia Franz Richter), die wegen seiner Teilnahmslosigkeit und aufgrund mangelnder Gefühle zunehmend unzufrieden mit ihrer Beziehung ist. Doch es ist nicht nur das Privatleben des Chamäleons, welches für Ärger sorgt. Auch im Beruflichen wird es zunehmend für ihn schwieriger, die Aufträge entgleiten ihm mehr und mehr …
Wer bin ich?
Die Frage nach der eigenen Identität ist eine, die sich die meisten Menschen unweigerlich irgendwann einmal stellen. Wer bin ich? Wer will ich sein? Vor allem während der Jugend ist das ein großes Thema, wenn es darum geht, die Grundsteine für das weitere Leben zu legen. Die Midlife Crisis ist berüchtigt dafür, vermeintlich sichere Bilder und Entscheidungen wieder in Frage zu stellen. Aber auch in anderen Phasen des Lebens kann das immer wieder relevant sein. Die Tragikomödie Pfau – Bin ich echt? nähert sich diesem Themenkomplex auf eine ganz eigene Weise an, indem sie einen Mann zum Protagonisten macht, der es gewohnt ist, ständig Rollen zu übernehmen und sich dabei so sehr auf die Charakterbeschreibungen anderer verlässt, dass er dabei verlernt hat, eigene zu entwerfen und wirklich jemand zu sein.
Das ist auf den ersten Blick eine recht spezielle Situation, mit der sich vielleicht Schauspieler und Schauspielerinnen befassen müssen, die ebenfalls beruflich jemand anderes werden, nicht aber unbedingt der Rest der Gesellschaft. Und doch ist die Geschichte von Bernhard Wenger durchaus relevant. Der Regisseur und Drehbuchautor, der nach einer Reihe von Kurzfilmen wie Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin hiermit sein Langfilmdebüt abgibt, beschreibt, wie jemand immer die Erwartungen anderer erfüllt und Rollen auszufüllen hat. Prinzipiell ist das etwas, das auch im Alltag vorkommt. So sind wir es zu einem gewissen Maß gewohnt, uns zu verstellen und als jemand auszugeben. Gerade das Leben in sozialen Netzwerken ist stark davon geprägt, jemand verkörpern zu wollen, weniger jemand zu sein. Pfau – Bin ich echt? stellt diese Verbindungen zwar nicht explizit her. Denkanstöße sind aber zweifelsfrei vorhanden.
Ungewöhnliches und gelungenes Debüt
Das heißt aber nicht, dass der Film deswegen verkopft ist. Wenger will durchaus unterhalten. Zu dem Zweck setzt er viel auf Humor, der gern von einer absurden Art sein kann. Schon das grundsätzliche Szenario ist etwas gewöhnungsbedürftig. Matthias kommt aber auch später immer mal wieder in kuriose Situationen. So haben in Pfau – Bin ich echt? manche Kunden und Kundinnen etwas eigene Wünsche, die der Protagonist zu erfüllen hat. Manche Stellen werden dabei auch satirisch, gerade bei der Darstellung der oberen Gesellschaft, die mit irgendwelchen schlau klingenden Phrasen um sich wirft, dabei aber keine Substanz hat. So wie beim beruflichen Hochstapler gibt es auch bei den anderen hinter der wohlgeformten Fassade nur Leere. Gerade das grandios-groteske Finale bringt das auf den Punkt.
Davor gibt es eine Weile Leerlauf, wenn sich manche Themen in Pfau – Bin ich echt? wiederholen und Matthias nicht die Entwicklung aufweist, die er haben könnte. Das Problem bei einem innerlich leeren Charakter ist natürlich auch, dass er selbst nicht wirklich fesselt. Dennoch gelingt es Albrecht Schuch (Lieber Thomas, Systemsprenger), dass man der obskuren Sinn- und Selbstsuche gern zusieht. Die Tragikomödie, die in der Woche der Kritik in Venedig Weltpremiere hatte, ist ein ungewöhnliches und gelungenes Debüt des österreichischen Filmemachers geworden, das neugierig macht auf seine nächsten Werke.
(Anzeige)