Jenseits von Schuld

Jenseits von Schuld

Jenseits von Schuld
„Jenseits von Schuld“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Wer in ein Krankenhaus geht, tut dies meistens in der Hoffnung, dass einem geholfen wird und man gesünder wieder rausgeht. Die implizite Erwartung: Dort arbeiten Menschen, die einem helfen wollen. Umso perfider und schockierender sind die Fälle, in denen ausgerechnet dort Leute arbeiten, die andere gezielt töten oder zumindest deren Tod in Kauf nehmen. Das macht die Geschichten zu dankbaren Vorlagen für True-Crime-Produktionen. The Good Nurse erzählte die Geschichte des US-Amerikaners Charles Cullen, der bis zu 400 Menschen getötet haben soll. Das deutsche Pendant hierzu ist Niels Högel, der ebenfalls mehrere Hundert Menschen getötet haben könnte. Das weiße Schweigen zeigte eine fiktionalisierte Version des Verbrechers. Mit Jenseits von Schuld kommt nun ein Dokumentarfilm, der ebenfalls den notorischen Serienmörder zum Inhalt hat.

Schatten der Vergangenheit

Und gleichzeitig wieder nicht. Anstatt aus dem Stoff eine weitere beliebige True-Crime-Doku zu machen, die mit dem Leid anderer schockieren oder für Nervenkitzel sorgen möchte, geht der Film einer Frage nach, die nur wenige stellen: Wie geht es eigentlich den Eltern von Högel? Katharina Köster und Katrin Neme begleiten in Jenseits von Schuld die zwei, zeigen sie im Alltag wie auch in Interviewsituationen, bei denen sie sich alles von der Seele sprechen dürfen. Sohn Niels kommt hingegen gar nicht vor, zumindest nicht direkt. Zwischendurch hören wir zwar, wie die zwei mit ihm telefonieren. Das war es aber auch schon. Wer sich den Film anschaut in der Erwartung, den Täter in Person zu erleben, wird enttäuscht.

Und doch ist Niels da, als Schatten, der über dem Leben der beiden Eltern liegt. Und das viele Jahre später: Ende 2006 wurde er das erste Mal verurteilt, es folgen später noch einige andere. Doch man hat nicht das Gefühl, dass die zwei seither viel weiter gekommen sind. Zwar haben sie in mancher Hinsicht ihren Frieden gemacht. Beispielsweise sind sie überzeugt davon, dass sie nichts haben ahnen können von dem, was ihr Sohn so tat. Bei anderen Punkten sind sie hingegen weniger sicher. Letztendlich können sie sich in Jenseits von Schuld noch immer nicht erklären, wie das alles geschehen konnte. Auch von dieser Erwartung muss sich das Publikum lösen: Der Film liefert keine Antwort darauf, wie es zu diesen schrecklichen Verbrechen kommen konnte.

Eine unmenschliche Aufgabe

Das wird manche nicht befriedigen. Und doch ist der Film sehenswert, eben weil er etwas anspricht, das in solchen Fällen nur selten thematisiert wird. Wie geht man damit um, wenn ein geliebter Mensch ein Mörder ist? Sicher wird es Leute geben, die dann alles abbrechen, nichts mehr mit demjenigen oder derjenigen zu tun haben wollen. Vielleicht werden andere das sogar einfordern. Aber das ist eben nicht so einfach. Niels ist natürlich derjenige, der viele Menschenleben ausgelöscht hat. Aber er ist auch der Sohn. Er ist das Kind, das bei ihnen aufgewachsen ist und das sie in den Bildern suchen, das sie noch einmal ausgraben. Jenseits von Schuld erzählt von Schmerz, erzählt von Liebe – und der geradezu unmenschliche Aufgabe, die beiden Ausgaben von Niels in Einklang zu bringen.

Der Beitrag vom DOK.fest München 2024 kann einem dadurch durchaus zu Herzen gehen. Die Geschichte der Eltern ist ebenfalls eine tragische, wenn sie durch die Taten des Sohns selbst zu Opfern wurden. An einer Stelle überlegen sie, ob sie die Namen wechseln und an einen anderen Ort gehen sollten, um allem zu entkommen. Doch zum einen wollen sie das nicht, wollen nicht alles Gute aufgeben, das sie sich aufgebaut haben. Zum anderen ist es fraglich, ob es überhaupt ein Entkommen geben kann. Denn die Erinnerungen bleiben, die Fragen und die Hilflosigkeit. Zwischendurch gibt es kleine Momente des Glücks, wenn sich doch wieder eine Art Alltag einstellt. Jenseits von Schuld vermittelt aber das Gefühl, dass es keinen Weg zurück gibt. Und manchmal eben keine Antworten.

Credits

OT: „Jenseits von Schuld“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Katharina Köster, Katrin Neme
Drehbuch: Katharina Köster, Katrin Neme
Musik: Cico Beck
Kamera: Tobias Tempel

Bilder

Trailer



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Jenseits von Schuld
fazit
„Jenseits von Schuld“ erinnert an den berühmten Fall des Krankenpflegers Niels Högel, der Hunderte von Menschen getötet haben. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine reguläre True Crime Doku. Vielmehr interessiert sich der Film dafür, wie man als Eltern damit umgeht, wenn das eigene Kind solche Taten begangen hat.
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