Theatre of Violence
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Theatre of Violence

Theatre of Violence
„Theatre of Violence“ // Deutschland-Start: 14. September 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

In einer der besseren Szenen von Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser gehrt es um eine Diskussion des Juraprofessors des Protagonisten, in der es um das Thema der Schuld geht. In den 1960ern, in denen die Szene spielt, tut sich hier eine Kluft auf zwischen zwei Generationen auf, eine Verhärtung der Positionen, besonders die der Studenten, bei der es um die Schuld im juristischen Sinne geht, die eben nicht die moralische Komponente dieses Begriffs abdeckt. Für Kenner des Romans spielt naturgemäß noch die Idee der Schuldfähigkeit eine Rolle, bei der es immer mehrere Aspekte zu bedenken gibt, nicht nur im juristischen Sinne. Im Verurteilen ist man meist schnell, doch wenn man den Finger auf einen Menschen oder auf eine Gruppe zeigt, muss man auch noch weiter gehen und weitere Faktoren mit in Betracht ziehen, was mitnichten heißt, dass man sich seiner eigenen Verantwortung entziehen kann. Im Kontext der Prozesse gegen Kriegsverbrecher spielt der begriff des Schuldbewusstseins und der -fähigkeit eine durchaus wichtige Rolle, denn auch wenn wir das Verhalten eines Individuums verurteilen, so müssen wir auch konsequent diesen nächsten Schritt gehen und dieses Handeln in einem größeren Kontext sehen.

Innerhalb des Prozesses des Kriegsverbrechers Dominic Ongwen, einem ehemaligen ugandischen Kindersoldaten und Anführer der Lord’s Resitance Army (LRA), spielen die oben genannten Themen eine wichtige Rolle. Auch wenn es mehrere Haftbefehle, auch gegen Jisoeh Kony, den Gründer und spirituellen Führer der LRA, gab, war Ongwen der einzige, der sich für seine Taten vor dem Gerichtshof in Den Haag verantworten musste, wo er 2021 zu 25 Jahren im Gefängnis verurteilt wurde. In ihrer Dokumentation Theatre of Violence, die im Rahmen des diesjährigen DOK.fest München gezeigt wird, begleiten die Regisseure Emil Langballe und Lukasz Konopa den Prozess und die Recherche der Verteidigung sowie der Anklage. Darüber hinaus reisen sie nach Uganda, um nicht nur die Hintergründe Ongwens zu klären, sondern um die Relevanz seines Falles zu zeigen, der für heftige Kontroversen dort sorgte. Theatre of Violence ist somit eine Dokumentation um Schuld, doch vielmehr noch ein Film darüber, dass oftmals nur einige wenige verurteilt werden, sich die Verantwortung aber auf viele Schultern verteilt.

Opfer und Täter

Ongwen ist zugleich Opfer und Täter, sagt einer seiner Verteidiger zu Beginn des Prozesses. Damit wird so etwas wie der Kern dieser Dokumentation definiert, die sich ebenso in den Büros des Gerichts sowie im Gerichtssaal aufhält, wie auch in der Heimat des Angeklagten, in der ein solcher Prozess genauestens verfolgt wird. Langballes und Konopas Dokumentation will zu keiner Zeit die Schuld absprechen, betont aber mehr als eindrücklich, dass man genauer hinsehen muss und Fragen stellen muss, die im Laufe des Film die Richter, Anwälte und die Menschen in Uganda immerzu beschäftigen.

Wie in einem Theater ergeben sich mit der Zeit mehrere Spieler und ein neuer Kontext, in dem man die Szene zu verstehen hat, sodass das Drama immer komplexer wird. Dem Zuschauer wird deutlich, dass es bei dem Prozess zwar um einen Einzelfall geht, doch es sollte ebenso um Männer wie Kony gehen oder eben die Seite, gegen die die LRA kämpft, und die nicht minder grauenvolle Taten vollbrachte. Moral und Rechtsprechung überschneiden sich immerzu und man findet sich mehr als einmal als Zuschauer in einem Widerspruch wieder, mit den eigenen Werten und dem Begriff der Schuld, was Theatre of Violence zu einem Film macht, der noch lange beim Publikum nachhallen wird.

Credits

OT: „Theatre of Violence“
Land: Dänemark
Jahr: 2023
Regie: Lukasz Konopa, Emil Langballe
Musik: Markus Aust
Kamera: Kacper Czubak

Bilder

Trailer

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Theatre of Violence
fazit
„Theatre of Violence“ ist eine Dokumentation über den Prozess an einem ugandischen Kriegsverbrecher. Lukasz Konopa und Emil Langballe begleiten mit der Kamera die Juristen wie auch die Freunde Dominic Ongwens und gehen dabei Themen wie Schuld und Verantwortung auf den Grund, ohne Lösungen zu präsentieren, aber teils sehr unangenehmen Fragen zu stellen.
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