TENOR
© Studiocanal GmbH/David Koskas

Tenor: Eine Stimme – zwei Welten

„Tenor: Eine Stimme – zwei Welten“ // Deutschland-Start: 3. November 2022 (Kino) // 19. Januar 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

An Beschäftigung mangelt es Antoine (Mohamed Belkhi aka MB14) nicht unbedingt. Wenn er nicht gerade an der Schule die Regeln der Buchhaltung büffelt oder sich in derben Rap Battles mit anderen Leuten duelliert, verdient er sich als Lieferjunge von Sushi etwas dazu. So kommt es dann auch, dass er eines Tages in der Pariser Oper auftaucht, um eine Bestellung abzugeben. Dabei legt er sich gleich mit dem versnobten Maxime (Louis de Lavignère) an, der dort mit anderen eine Operngesangsausbildung absolviert. Doch er erregt eben auch die Aufmerksamkeit von Madame Loyseau (Michèle Laroque), eine Koryphäe auf diesem Gebiet. Diese erkennt sofort das musikalische Talent des einfachen Lieferjungen und überredet ihn dazu, ebenfalls an dieser Ausbildung teilzunehmen. Tatsächlich entdeckt er seine Vorliebe für diese ungewohnte Musikrichtung und verliebt sich zugleich in seine Mitschülerin Joséphine (Marie Oppert). Seine eigene Familie und seine Freunde dürfen von all dem jedoch nichts wissen, schließlich passt Oper nicht in seinen Alltag in den Banlieues …

Zwei Welten treffen aufeinander

In Komödien ist es einer der beliebtesten Kniffe überhaupt: Man führt irgendwo einen ganz starken Kontrast ein und nutzt die damit verbundenen Reibungen, um das Publikum zum Lachen zu bringen. Im Idealfall zumindest. Viele Filme haben auf dieses Rezept zurückgegriffen, seien es Buddy-Filme, Culture-Clash-Komödien oder auch Geschichten rund um das Fish-out-of-Water-Prinzip. In Die Küchenbrigade neulich ging es beispielsweise um eine ambitionierte Sterneköchin, die in der Kantine eines Heims für jugendliche Migranten und Asylsuchende arbeiten musste. Da prallten zwei doch sehr unterschiedliche Welten aufeinander. Ähnlich funktioniert das in Tenor, wenn ausgerechnet ein Rapper aus einem sozialen Brennpunkt plötzlich Opernarien schmettern soll. Geht nicht? Geht wohl!

Dieser Ansicht war zumindest Regisseur und Co-Autor Claude Zidi Jr., der in seiner ersten Solo-Regie-Arbeit von einer ungewöhnlichen Karriere berichtet. Wobei der Film nur bei der Paarung dieser beiden Welten wirklich etwas Eigenes erschafft. Ansonsten hält sich Tenor an vielen Stellen an die bewährte Abfolge solcher Filme. Dass beispielsweise das Lügen-Kartenhaus, das sich der junge Mann aufgebaut hat, irgendwann krachend zusammenbrechen muss, ist Pflicht. Das drei Kopf starke Drehbuchteam versuchte an der Stelle auch noch nicht einmal, sich von den Konventionen zu emanzipieren. Auch das Ende hält keinerlei Überraschungen bereit, man weiß hier weit vorher schon, worauf das hinauslaufen wird. Die Idee, dass sich ein Underdog gegen die mächtige Konkurrenz durchsetzen wird, ist sogar derart abgegriffen, dass man keinen wirklichen Anlass verspürt, noch Daumen drücken zu wollen. Läuft doch eh alles.

Gut gespieltes Wohlfühlkino

Wobei es zwischendurch durchaus auch Punkte gibt, bei denen sich Tenor dann doch von dem 08/15-Kurs löst. So nimmt beispielsweise die Romanze mit Joséphine eine andere Richtung, als die meisten erwartet hätten. Vor allem aber durch die Kombination aus Rap und Oper kommt es zu Situationen, in denen aus dem vermeintlichen Gegensatz eine Symbiose entsteht. Antoine und seine Mentorin können auf diese Weise voneinander lernen, beide sind sie von einer Neugierde auf die jeweils andere Person und deren Welt geprägt. Wenn Loyseau beispielsweise das erste Mal 2Pac hört oder Antoine lernt, dass er die Techniken des Operngesangs auch für Rap nutzen kann, dann ist das amüsant und hat zugleich Wohlfühlcharakter, ohne sich zu sehr verkaufen zu müssen.

In dieser Hinsicht wäre noch mehr schön gewesen, anstatt auf die besagten Konventionen zurückzukommen. Da werden unnötig irgendwelche Konflikte konstruiert und ebenso willkürlich wieder aufgelöst. Andere Punkte kommen hingegen zu überhaupt keinem wirklichen Abschluss, wurden offensichtlich unterwegs einfach vergessen. Pluspunkte gibt es hingegen dafür, dass bei Tenor tatsächliche Leute mit Opernerfahrung engagiert wurden, etwa Marie Oppert und Louis de Lavignère oder auch Roberto Alagna, der sich selbst spielt. Dass die in ihren Rollen überzeugend sind, verwundert daher nicht wirklich. Aber auch sonst ist das Ensemble gut gewählt. MB14, der mit bürgerlichem Namen Mohamed Belkhi heißt und durch die Teilnahme an The Voice bekannt geworden ist, gefällt in seinem ersten Anlauf als Schauspieler durch eine Mischung aus Biss und Charme.

Credits

OT: „Ténor“
Land: Frankreich
Jahr: 2022
Regie: Claude Zidi Jr.
Drehbuch: Claude Zidi Jr., Cyrille Droux, Raphaël Benoliel
Musik: Laurent Perez del Mar
Kamera: Laurent Dailland
Besetzung: Michèle Laroque, MB14, Guillaume Duhesme, Maéva El Aroussi, Samir Decazza, Marie Oppert, Louis de Lavignère

Bilder

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Tenor: Eine Stimme – zwei Welten
fazit
„Tenor“ hat ein originelles Szenario, wenn ein Rapper plötzlich zum Opernsänger wird. Es gelingt dem Film dabei gut, diesen Widerspruch gleichzeitig zu nutzen und aufzulösen, wenn die zwei Welten sich annähern. Schade ist jedoch, dass es an anderen Stellen umso konventioneller wird, inklusive einiger weniger überzeugenden Pflichtübungen.
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