The Sun and The Looking Glass – For One Easily Forgets But The Tree Remembers

The Sun and The Looking Glass – For One Easily Forgets But The Tree Remember

Inhalt / Kritik

Wenn die Vergangenheit einer Kultur oder eines Landes geprägt ist von Konflikten sowie von Ideologien, welche die Geschichte für ihre eigenen Zwecke ausnutzten und teils verfälschen, ist es ratsam, sich des Vergangenen immer wieder bewusst zu werden. In George Orwells 1984 wird der Protagonist Winston Smith Zeuge einer Veränderung des Feindbildes der Nation, in welcher er lebt, als vor seinen Augen, noch während einer Kundgebung, verkündet wird, man wäre doch eigentlich mehr im Krieg mit einer anderen Macht. Eine Kultur, wie die fiktive des Romans, welche den Bezug zur Vergangenheit verloren hat und deren Aufzeichnungen schon mehrmals gefälscht oder „korrigiert“ worden sind, ist eben so wechselhaft wie das Gras im Wind und daher anfällig für Betrüger. In ihrem Essayfilm The Sun and The Looking Glass – For One Easily Forgets But The Tree Remembers, welcher im Rahmen diesjährigen ALFILM Festivals in Berlin gezeigt wird, geht die Künstlerin Miléna Desse einer Vergangenheit nach, die sich zwar ständig im Wandel befand, deren Spuren aber nach wie vor vorhanden sind.

In ihrem Film konzentriert sich Desse auf Ein Qinya, ein kleines Dorf im Westjordanland, genauer gesagt auf verschiedene Objekte oder Orte, welche die Geschichte dieses Landstriches erzählen. Durch eine Lupe, welche mehrmals im Bild erscheint, wird – wortwörtlich – die Geschichte enthüllt, mithilfe der Sonneneinstrahlung, mit welcher die Buchstaben und Wörter auf eine Oberfläche gebrannt werden. Wie auch das Dorf sind auch die Objekte und Orte Zeugen der vielen Wechsel und Konflikte geworden, angefangen bei den Häusern aus der ottomanischen Zeit bis hin zu den Erzählungen eines Baumes, welche tief in seinen Jahresringen und der Rinde versteckt sind. Die Kamera, wie auch der Zuschauer, wird zu einem Aufzeichner dieser Geschichten, bevor sie vielleicht in Vergessenheit geraten.

Von der Oberfläche und was sie uns erzählen kann

Wie man bereits an der vorangegangenen Beschreibung sehen kann, ist The Sun and The Looking Glass – For One Easily Forgets But The Tree Remembers fast schon mehr eine Kunstinstallation über Themen wie Zeit, Erinnerung und Vergangenheit. In den knapp 23 Minuten des Filmes nutzt Desse verschiedene Techniken, insbesondere ein sehr intensives Sounddesign, welche allem Anschein nach eben jene Prozesse in der Natur imitiert, wie dem Verrosten oder dem Altern von Bäumen. Die Geschichten, in Kombination mit diesen audiovisuellen Effekten, erscheinen beinahe wie archäologische Funde, die es zu erhalten gilt, deuten sie doch auf eine Wahrheit hin, die man nicht vergessen sollte.

Credits

OT: „The Sun and The Looking Glass – For One Easily Forgets But The Tree Remembers“
Land: Palästina, Belgien
Jahr: 2020
Regie: Miléna Desse
Drehbuch: Miléna Desse
Kamera: Miléna Desse, Mashal Kawasmi

Bilder



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"The Sun and The Looking Glass – For One Easily Forgets But The Tree Remembers" ist ein Experimentalfilm, der seinen Zuschauer fordert, aber sich bei näherem Hinsehen als eine tiefgehende Studie über Zeit und Erinnerung herausstellt, bei der es um die Relevanz der Vergangenheit für unsere Gegenwart geht. Miléna Desse hat seinen sehr kreativen und nachdenklichen Film geschaffen, der, um die Metapher des Films zu nutzen, den Zuschauer herausfordert, ebenfalls durch die Lupe eben jene Geschichten zu entdecken, die eine tiefere Wahrheit für einen selbst und die Kultur, in die man lebt, beinhalten.