Die verlorene Zeit
© Tom Trabow

Die verlorene Zeit

Inhalt / Kritik

Die verlorene Zeit
„Die verlorene Zeit“ // Deutschland-Start: 24. November 2011 (Kino) // 14. Mai 2021 (DVD)

Hannah Levine (Dagmar Manzel) führt im New York der 70er ein glückliches Leben zusammen mit ihrem Mann Daniel (David Rasche) und Tochter Rebecca (Shantel VanSanten). Und doch ist sie in Gedanken ganz woanders. Schließlich hat sie kürzlich zufällig ein Fernsehinterview angeschaut und einen Mann darin gesehen, den sie für einen alten Bekannten hält. Und so kehren ihre Gedanken immer wieder ins Jahr 1944 zurück, als sie unter ihrem Mädchennamen Hannah Silberstein (Alice Dwyer) mit der Hilfe des polnischen Gefangenen Tomasz Limanowski (Mateusz Damiecki) aus Auschwitz-Birkenau floh. Seither hat sie ihn nicht mehr wiedergesehen, es hieß, er sei gestorben. War das vielleicht ein Irrtum? Hannah muss es genau wissen und beginnt daher, ihre Suche von einst wieder fortzusetzen …

Verfolgt von der Vergangenheit

So richtig los werden wir die Vergangenheit eigentlich nie. Selbst wenn wir nicht an sie denken, vielleicht sogar meinen, uns von ihr losgesagt zu haben, verschwunden ist sie nicht. Dafür hat sie uns zu sehr geprägt, uns zu dem gemacht, der wir heute sind – selbst wenn wir uns über die Zusammenhänge nicht immer ganz klar sind. Die verlorene Zeit erzählt von einer derartigen hartnäckigen Vergangenheit, wenn auf einmal die Gespenster des Holocausts wieder im Leben von Hannah herumspuken. Dass ein solches Erlebnis noch stärker nachwirkt als unsere üblichen alltäglichen Erfahrungen, ist klar. Vor allem wenn sie auch noch mit einer Liebesgeschichte verbunden sind, die keine sein durfte.

Darauf spielt auch der deutsche Titel an. Der Zufall hatte 1944 Hannah und Tomasz zusammengeführt, sie als Jüdin, ihn als Widerstandkämpfer. Wobei sich der Film nicht lange mit dem Kennenlernen oder dem Entstehen von Gefühlen beschäftigt. Sie sind schon da, wenn die Geschichte beginnt, sollen es zumindest sein. So richtig viel sieht man davon nicht. Das liegt zum Teil natürlich auch daran, dass Die verlorene Zeit  den beiden kaum Zeit dafür gibt. Im Konzentrationslager nicht, nicht auf der Flucht. Und selbst als sie vermeintlich in Sicherheit sind, droht ständig Unheil, nicht zuletzt weil Thomasz’ Mutter (Susanne Lothar) so gar nichts von der Verbindung hält. Dass ihr Sohn entkommen konnte, freut sie, zumal sie seinen Aktivitäten eh nie viel abgewinnen konnte. Die Jüdin darf hingegen gleich verschwinden, wenn es nach ihr geht. Bringt nur unnötig Ärger.

Keine Zeit für die Liebe

Für eine Diskussion pro und contra Widerstand gegen die deutschen Besatzer bleibt aber kaum Gelegenheit, da Tomasz recht bald wieder verschwindet. Und damit auch die zwar behauptete, aber nie wirklich spürbare Liebesgeschichte. Die gibt es höchstens noch im Rückblick. Leider verpasst es Die verlorene Zeit aber, dieses Thema dann auch wirklich zu vertiefen. Anstatt beispielsweise aufzuzeigen, was die ganzen Erlebnisse und Erfahrungen mit Hannah gemacht haben, ist die viel zu sehr damit beschäftigt, Tomasz zu finden und dem Rest ihrer Familie alles zu verheimlichen. Es findet eben nicht die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit statt oder der Frage, ob die Zwangstrennung von ihrem Geliebten eine verlorene Zeit bedeutet.

Vielmehr gibt es im ständigen Wechsel Szenen von 1944 und 1976, von der Besetzung und dem gutbürgerlichen Leben im Luxus. Das bringt starke Kontraste mit sich, welche durch die Farbgebung noch weiter verstärkt werden. Während die Vergangenheit oft grau und dunkel ist, da ist die Gegenwart von hellen Farben geprägt. Subtil ist das nicht, macht die Zuordnung der Bilder aber recht einfach – selbst ohne die Figuren. Ein größeres Manko ist ohnehin, dass Zwischenschritte oder eben auch Zwischentöne in Die verlorene Zeit fehlen. So zerfällt der Film in zwei Teile, die unvereinbar sind, ohne diese Unvereinbarkeit aber tatsächlich zu thematisieren. Die beiden Hälften sind einfach nur irgendwie da.

Verschwendete Themen

Das ist sehr schade, weil auf diese Weise eine Reihe interessanter Themen verschwendet wurden. Hat eine Liebe, die auf einem gemeinsamen Trauma basiert, eine langfristige Chance? Lässt sich ein neues Leben beginnen, wenn man ständig an das alte erinnert wird? Die verlorene Zeit  sagt darüber nichts, sondern hält sich etwas umständlich mit Konflikten auf, welche die Geschichte nicht voranbringen. Am besten funktionieren noch die Stellen, an denen sich Dagmar Manzel (Unterleuten – Das zerrissene Dorf) erschüttert zeigt von der plötzlichen Erinnerung, die sich gewaltsam in ihr Leben kämpft. Ansonsten ist das hier ein Film, der unbedingt etwas Tiefsinniges aussagen möchte, sich dabei jedoch so sehr verheddert, dass am Ende nicht viel herausspringt.

Credits

OT: „Die verlorene Zeit“
Land: Deutschland
Jahr: 2011
Regie: Anna Justice
Drehbuch: Pamela Katz
Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas
Kamera: Sebastian Edschmid
Besetzung: Alice Dwyer, Mateusz Damiecki, Dagmar Manzel, Shantel VanSanten, David Rasche, Lech Mackiewicz, Adrian Topol, Susanne Lothar, Joanna Kulig, Florian Lukas

Bilder

Trailer

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In „Die verlorene Zeit“ wird eine Frau plötzlich an den Horror des Holocausts und eine verschwundene Liebe erinnert. Das überzeugt dann, wenn die Vergangenheit sich gewaltsam in die Gegenwart kämpft. Der Film verpasst es jedoch, auf nennenswerte Weise die beiden Hälften miteinander zu verbinden. Auch die große Liebe bleibt mehr Behauptung als tatsächliches Gefühl.
5
von 10