Wiener Blut
© ZDF/Fabio Eppensteiner/Satel Film

Wiener Blut

Kritik

Wiener Blut
„Wiener Blut“ // Deutschland-Start: 2. November 2020 (ZDF)

Selbstmord oder Mord? Als ein Mann erhängt an einer Brücke in Wien aufgefunden wird, steht die Polizei erst einmal vor einem Rätsel. Für die ermittelnde Staatsanwältin Fida Emam (Melika Foroutan) ist jedoch klar, dass an der Sache etwas faul ist. Die Suche nach Hinweisen führt sie bis in die obersten Kreise, handelte es sich bei dem Verstorbenen doch um einen Mitarbeiter der Österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde, der einer großen Bank auf der Spur war. Gleichzeitig hat Emam deren familiäre Wurzeln in Ägypten liegen, privat viel um die Ohren. Ihre Tochter Aline (Noelia Chirazi) hat zum islamischen Glauben gefunden, auch unter dem Einfluss ihres Freundes Djamal Hemidi (Hassan Kello) und droht ihr zunehmend zu entgleiten …

Wenn es mal wieder etwas länger dauert. Premiere feierte Wiener Blut eigentlich schon vor rund anderthalb Jahren beim Filmfest München 2019. Im ORF wurde der Thriller auch schon im Oktober vergangenen Jahres gezeigt. Warum es mit dem deutschen Termin anschließend so lange brauchte, ist nicht bekannt. Andererseits: Weniger aktuell ist der Film in den vergangenen Monaten nicht geworden. Im Gegenteil, die grausamen Morde in Frankreich, ausgeführt durch Islamisten, die sich durch die Karikaturen zum Bestimmer über Leben und Tod berufen fühlten, zeigen wie notwendig die Auseinandersetzung mit dem Thema ist, wie tief die Gräben sind zwischen Extremisten auf der einen Seite und einer zunehmend fremdenfeindlichen Gesellschaft, die niemand akzeptiert, der irgendwie anders ist.

Identitätsfrage einer Familie
In Wiener Blut wird dieser Konflikt mitten in einer Familie ausgetragen. Tatsächlich ist das sogar der spannendste Aspekt des österreichischen Films: Großmutter Afifa (Charlotte Schwab) trauert der Zeit hinterher, als man als Frau in Ägypten noch völlig frei war, während die Enkelin zunehmend diese Freiheiten abgibt, freiwillig. Alleine mit einer solchen Konstellation hätte man einen kompletten Film füllen können. Das ebenfalls in Österreich produzierte Womit haben wir das verdient? ging vor rund zwei Jahren in eine ähnliche Richtung, als eine rebellierende Tochter sich verhüllte und das westliche Konzept ablehnte. Damals geschah das jedoch mit Humor und spielte mit dem Widerspruch einer liberalen Frau, die nicht damit umgehen kann, wenn die Tochter erkämpfte Freiheiten aufgibt.

Autor Martin Ambrosch (Die Hölle – Inferno) war dies aber offensichtlich nicht genug, weshalb das Ganze noch mit einem Politthriller verbunden wurde, mit bösen Intrigen, finsteren Hintermännern und dunklen Agenden, die im Geheimen die Tagesordnung bestimmen. Das ist an und für sich nicht verkehrt. Spannung mit gesellschaftlichem Anspruch zu verknüpfen, kann schon dabei helfen, das Publikum stärker mitzunehmen. Leider klappt das hier aber nicht so wirklich, da es letztendlich an beidem hapert, an der Spannung wie auch der gesellschaftlichen Relevanz. Wiener Blut gelingt es einfach nicht, die verschiedenen Aspekte zu einem Ganzen zu formen.

Zwischen viel und wenig
Der Thriller hat dabei einerseits das Problem, dass er ziemlich überladen ist. Da passiert so viel, gibt es zahlreiche Wendungen, dass es den Film irgendwann aus der Kurve haut. Gleichzeitig passiert aber auch nicht genug, da bei dem Versuch, die verschiedenen Elemente in Balance zu halten, die Geschichte zu langsam vorankommt. Streckenweise ist Wiener Blut sogar richtig zäh, zumal man als Zuschauer schon vorzeitig Informationen bekommt, welche die Richtung von allem vorgeben. Man wartet also weniger auf die Frage, was hinter allem steckt, sondern darauf, ob sich das alles noch irgendwie aufhalten lässt. Und das ist keine Frage, auf die es unbedingt eine Antwort bräuchte. Die kennt man schließlich schon.

Die Idee hinter dem TV-Film ist dabei durchaus gut, stell unheimliche Querverbindungen her, die in einer Gesellschaft mit erstarkenden antidemokratischen Tendenzen schon Angst machen können. Mehr als Durchschnitt ist das trotzdem nicht, was auch damit zusammenhängt, dass die Glaubwürdigkeit schon ziemlich weit unten angesiedelt ist. Das betrifft dabei nicht nur den Hauptplot, der schon etwas over the top ist, sondern auch die privaten Ausflüge mit ihren erzwungenen Dialogen und Konflikten. Da wäre weniger mehr gewesen.

Credits

OT: „Wiener Blut“
Land: Österreich
Jahr: 2019
Regie: Barbara Eder
Drehbuch: Martin Ambrosch
Musik: Johannes Vogel
Kamera: Martin Gschlacht
Besetzung: Melika Foroutan, Charlotte Schwab, Noelia Chirazi, Martin Niedermair, Florian Stetter, Harald Windisch, Florian Teichtmeister, Hassan Kello, Harald Schrott, Stipe Erceg

Bilder

Trailer

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In „Wiener Blut“ muss sich eine Staatsanwältin mit ägyptischen Wurzeln nicht nur mit einem kniffligen Fall herumschlagen, der sie zu einer bösen Verschwörung führt, sondern auch mit Verwerfungen im Privatleben. Letzteres ist dabei noch der interessantere Aspekt des Films, wenn es um den Widerspruch aus Freiheit und Tradition geht, um Wurzeln und Selbstbestimmung. Insgesamt ist der Thriller aber nur Durchschnitt.
5
von 10