Me and Me
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Kritik

Me and Me
„Me and Me“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Als der neue Lehrer Soo-hyuk (Soo-bin Bae) und seine Frau Yi-young (Soo-yeon Cha) in das kleine Dorf ziehen, ist die Neugierde groß. Was könnte die beiden Großstädter hierher verschlagen haben? Und wie sie wohl so sind? Die Freude schlägt jedoch bald in Misstrauen um, als bekannt wird, dass Yi-young jede Nacht zu einer anderen Person wird. Ein klarer Fall von Besessenheit, so lautet das Urteil der Dorfbewohner, die sich eine besondere Methode ausgedacht haben, um dieser unheimlichen Frau Herr zu werden. Doch leider geht dabei etwas schief, weshalb der Polizist Hyung-gu (Jin-woong Cho) vorbeigeschickt wird, um alles unter die Lupe zu nehmen. Das bedeutet nicht nur für die Menschen vor Ort eine große Bedrohung. Auch für den Polizisten selbst wird bald nichts mehr so sein, wie es mal war …

Was macht eigentlich unsere Identität aus? Ist es unser Beruf? Sind es die Erinnerungen? Wie viel Anteil hat unser Aussehen daran, wer wir sind? Darüber nachgedacht haben wir alle schon mal, gerade auch wenn es darum geht, einen Platz in der Welt zu finden oder vielleicht einen neuen Weg einzuschlagen. Me and Me provoziert diese Fragen ebenfalls, sowohl für das Publikum wie auch die Hauptfiguren. Letztere müssen sich allerdings unfreiwillig damit auseinandersetzen, schließlich werden die Figuren hier gezwungen, neue Identitäten anzunehmen, jemand anderes zu sein, als sie eigentlich sind. Und nur sie allein wissen davon, da die Außenwelt nur die neue Identität ist, die angeblich eine alte sein soll.

Eine Frage der Identität
Hört sich wirr an? Ist es auch. Von Beginn an setzt Me and Me auf einen großen Mystery-Faktor, wenn die Ehefrau des neuen Lehrers angeblich jede Nacht ein anderer Mensch ist. Was man zu dem Zeitpunkt vielleicht noch als eine Form der geistigen Krankheit abtun könnte, oder eben als Besessenheit, wie es die Dorfbewohner tun, scheint aber etwas anderes zu sein, als noch ein zweiter Fall solcher Identitäten-Wechselspiele bekannt wird. Im einen Moment bist du noch dein gewohntes Ich, tust das, was du immer getan hast. Plötzlich bist du jemand anderes, bist du woanders, musst eine Rolle erfüllen, die andere für dich haben. Tust du das nicht, darfst du nicht mitspielen.

Weshalb dieser Wechsel geschieht, wird dabei nie wirklich klar. Jin-young Jung, der als Schauspieler unter anderem in Svaha – The Sixth Finger mitgespielt hat und hier sein Debüt als Regisseur und Drehbuchautor gibt, denkt gar nicht daran, eine plausible Erklärung abzugeben. Oder wenigstens eine unplausible. Stattdessen lässt er das Publikum ähnlich ratlos und verwirrt durch die Geschichte stolpern, auf der Suche nach einem Sinn oder einem Ausgang. Es ist nicht einmal so, dass Me and Me deutlich machen würde, was dieses Spiel mit Identitäten bezwecken soll. Es gibt keine Schlussfolgerungen, die man mitnehmen könnte. Die Situation ist sogar so konfus, dass man gar nicht weiß, wo man mit den Fragen beginnen soll.

Und wo ist meine Antwort?
Das wird natürlich die Leute frustrieren, wenn nicht gar maßlos ärgern, die von Filmen eine klar definierte Antwort erfahren, ein Ende, das wirklich zu einem Abschluss wird. Beides findet nicht statt, Me and Me ist eines dieser Werke, die mehr Spaß mit dem Herumspielen haben und dabei weniger Interesse für den Ausgang zeigen. Das bedeutet aber nicht, dass der Beitrag des koreanischen Filmfestivals Project K 2020 völlig sinnlos ist und nichts zu sagen hätte. Versteckt hinter den offensichtlichen Fragen, was da genau geschieht – und warum – gibt es ganz allgemeine, existenzielle zu der Identität. Eine davon ist, wie sehr wir durch unsere Vergangenheit definiert sind. Wäre zum Beispiel die Persönlichkeit noch dieselbe, wenn auf einmal nichts mehr stattgefunden hat, an das wir uns erinnern? Und wie sehr können wir überhaupt über unsere eigene Identität bestimmen, wieviel wird durch die Gemeinschaft festgelegt? Man ist, wer andere sagen, dass man ist.

Me and Me handelt dabei nicht nur von fluktuierenden Identitäten, sondern besitzt selbst eine solche. Während die Einteilung in die Mystery-Schublade unstrittig sein dürfte, gibt es bei den umgebenden Elementen viele verschiedene Zuteilungsmöglichkeiten. Am Anfang dominieren die komischen Situationen, später gesellen sich tragische dazu, rund um Verlust und Trauer, auch Thriller wäre nicht ganz verkehrt. Ach ja, eine Liebesgeschichte gibt es auch. An diesem bunten Mix werden sich sicher die Geister scheiden. Wer sich aber darauf einlassen kann, dass ein Film fragt und experimentiert, ohne dabei ein konkretes Ziel vor Augen zu haben, der wird gut unterhalten, darf ausgiebig grübeln und diskutieren oder sich einfach daran erfreuen, wie jemand in einer Situation ist, die er selbst nicht erklären kann.

Credits

OT: „Me and Me“
Land: Südkorea
Jahr: 2020
Regie: Jin-young Jung
Drehbuch: Jin-young Jung
Kamera: Hyun-seok Kim
Besetzung: Jin-woong Cho, Soo-bin Bae, Soo-yeon Cha, Hae-gyun Jeong

Bilder

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„Me and Me“ beginnt mit einer Frau, die jede Nacht zu jemand anderem wird, und wandelt sich allgemein in ein Spiel mit Identitäten. Das macht Spaß, lädt zum Grübeln und Philosophieren, lässt sich auch selbst nicht in eine Schublade stecken. Wer jedoch klare Antworten braucht, der wird in dem Mystery-Mix nur Frust und Enttäuschung finden.
7
von 10