Berzah

Berzah

Kritik

In den letzten Jahren mussten wir uns in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern mit den ersten Ausläufern des Klimawandels herumschlagen. Ohnehin bekannt für viele Tage und Wochen mit hohen Temperaturen, wurde der Sommer doch immer wieder zu einer wahren Tortur für viele Menschen. Gerade in der Pandemie, die uns zwingt die nötigen, aber nichtsdestotrotz unangenehmen Atemschutzmasken zu tragen, war jeder Gang ins Freie schon ein Gang zu viel, ganz besonders in den Großstädten. Im Bereich Film fallen einem Aufnahmen aus Ulrich Seidls Hundstage, ein für den Filmemacher typisches, sehr scharfzüngiges Porträt von Kleinbürgertum im Laufe eines besonders heißen Sommers.

Hitze ist auch das Hauptthema des Kurzfilms Berzah von Regisseurin Deren Ercenk, die ihr Werk im Programm des diesjährigen Filmschoolfest München zeigt. Erzählt werden drei Episoden, die in einem besonders heißen Sommer in der Türkei stattfinden. In der ersten geht es um eine deutsche Touristin (Lise Wolle), die sich in ihrem Hotelzimmer vor den Temperaturen abzuschotten versucht, gleichzeitig aber ihren Urlaub genießen will, wobei ihr der Partylärm der übrigen Gäste sowie ein Stromausfall einen Strich durch die Rechnung machen. In der zweiten Geschichte bringt ein Mann (Altan Gördüm) seine Tochter zum Flughafen, wo sie einen Flug nach Deutschland kriegen muss. Ausgerechnet jetzt werden sie von einem Fremden (Oktay Cagla) angehalten, der sich als ehemaliger Student des Mannes zu erkennen gibt und sich gerade diesen Zeitpunkt ausgesucht hat, um mit ihm über alte Zeiten zu plaudern. In der letzten Episode geht es um einen Möbelpacker (Ferhat Keskin), dem nicht nur die Hitze, sondern auch seine Lieferung zu schaffen macht, muss er doch ein schweres Möbelstück zu einer abgelegenen Wohnung in Stadt transportieren.

Dünne Haut
Die Situationen, welche Ercenks Kurzfilm beschreibt, könnten nicht alltäglicher sein, werden aber durch die hohen Temperaturen in vielerlei Hinsicht über diesen Aspekt hinaus gesehen. Einen Moment zu genießen ist für die Touristin ebenso wenig möglich wie die Erfüllung des Wunsches der beiden Herren in den anderen beiden Episoden, dass ihr Tag möglichst bald vorbei sei. Quälend lange zieht sich das Gespräch mit dem ehemaligen Studenten, dem die Hitze nichts auszumachen scheint und der immer aufdringlicher wird, fast ebenso lang wie der Weg durch die Stadt, die Suche nach einem Parkplatz und die Treppen, die der Möbelpacker hinter sich bringen muss, bis er endlich dort angekommen ist, wo er hinwollte.

Es sind Situationen, in denen die Hitze als Auslöser starker Emotionen dient. Gereiztheit, Ärger, Wut und Frustration sind die Emotionen, welche sich in den Gesichtern der Figuren, wie auch ihrem Umfeld zeigen. Dank der minimalistischen Inszenierung sowie der präzisen Kameraarbeit Paul Faltz’ werden die hohen Temperaturen für den Zuschauer fast spürbar und fast genauso unerträglich wie für die Figuren.

Credits

OT: „Berzah“
Land: Deutschland, Türkei
Jahr: 2020
Regie: Deren Ercenk
Drehbuch: Deren Ercenk
Kamera: Paul Faltz
Besetzung: Lise Wolle, Dilara Raika Er, Altan Gördüm, Oktay Cagla, Ferhat Keskin, Ruhat Yildiz



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„Berzah“ ist ein formal minimalistischer Kurzfilm über Personen und deren Schicksale während einer Hitzewelle. Atmosphärisch dicht und mit vielen Details versehen, wird Deren Ercenks Film zu einem fast spürbaren Erlebnis für den Zuschauer, der nicht nur die Hitze förmlich spürt, sondern auch, dass hier etwas kurz davor ist, zu eskalieren.
6
von 10