Hager
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Kritik

Hager
„Hager“ // Deutschland-Start: 7. März 2020 (Kino) // 4. April 2020 (VoD)

Während einer Drogenrazzia verschwindet der Polizist Schweitzer (Cris Kotzen) spurlos.  Und so liegt es am dem verdeckten Ermittler Till Hager (Philipp Droste) herauszufinden, was vorgefallen ist, aber auch was es mit der mysteriösen Droge „Abaddon“ auf sich hat. Die ist der letzte Schrei und soll den Konsumenten das Gefühl geben, in die Tiefen der Hölle hinabgezogen zu werden. Davon kann sich Hager bald selbst ein Bild machen, als er tief in diese Drogenwelt hinabsteigt und daraufhin zunehmend die Grenzen zwischen der Realität und Wahnsinn verschwimmen …

Die Deutschen und das Genrekino, das ist eine bekanntermaßen etwas schwierige Beziehung. Über die Gründe kann man sich dabei ewig streiten. Die einen sagen, dass hierzulande das Talent fehlt, für andere ist das skeptische Publikum schuld, wenn sich nicht mehr daran versuchen. Und auch die Förderanstalten bekommen regelmäßig ihr Fett ab, finanzieren die doch im Zweifelsfall lieber etwas Bewährtes, das auch ja durch diverse Gremien geschoben werden kann, ohne irgendwo anzuecken. Umso spannender ist, wie viele österreichische Filmemacher und Filmemacherinnen zuletzt mit düsteren Filmen von sich reden machen konnten: Severin Fiala und Veronika Franz gingen kürzlich mit dem Familienalbtraum The Lodge an den Start, Jessica Hausner mit dem Sci-Fi-Horror von Little Joe – Glück ist ein Geschäft. Und dann war da ja noch Lukas Feigelfeld, der uns in Hagazussa – Der Hexenfluch ins Österreich des 15. Jahrhunderts mitnahm und nachhaltig verhexte.

Eine bunt schillernde Hölle
Auch Kevin Kopacka stammt aus unserem südlichen Nachbarland, selbst wenn er – wie die obigen Kollegen und Kolleginnen – die Heimat verlassen hat, um seine Vision mit anderen teilen zu können. Und das ist schön. So schön eine Hölle nun einmal sein kann. Wobei es Hager weniger mit Teufeln, Ketten und Feuerkesseln hat. Der Film spricht das Konzept der christlichen Hölle zwar an, stößt die Figuren aber in eine etwas andere Form davon. Eine, die weniger körperlich ausgeprägt ist, sondern sich mehr im Kopf abspielt. Tatsächlich darf man hier bald schon nicht mehr genau wissen, was denn nun noch reine Vorstellung und was real ist, welche Gespräche tatsächlich stattfinden, welche nur eingebildet sind.

Das ist im Genreumfeld Standard, viele Mysterythriller oder Horrorfilme spielen mit der Unsicherheit der Bilder, lassen Protagonisten und Protagonistinnen im Unklaren, damit einhergehend das Publikum, was zum Teufel da gerade geschieht. Was viele machen, das ist bewährt. Das kann aber auch schnell langweilig werden, wenn entsprechende Einfälle fehlen, diesem Standard auch etwas Eigenes zu geben. Bei Hager besteht das Besondere in der Verpackung: ein schillernder Trip, gerne in Neonfarben, manchmal verfremdet. Oder zumindest ungewohnt. Der Film beginnt mit mehreren Plansequenzen, erst bei der Razzia, später in einem Restaurant. Bei letzterem schleicht die Kamera hinter den Menschen her, zeigt keine Gesichter, lässt höchstens erahnen, wo wir uns befinden und was geschieht.

Verworrener Trip in die Abgründe
Die Mittel werden während der rund 80 Minuten mehrfach gewechselt, der Effekt bleibt: Desorientierung. Während Ermittlungen in Krimis normalerweise dazu führen, dass nach und nach ein bisschen Licht ins Dunkle kommt und die einzelnen Puzzleteile sich zusammensetzen, da wird es hier zunehmend düsterer und verworrener. Man kann sich nicht einmal sicher sein, ob die Puzzleteile wirklich aus derselben Packung stammen oder ob sich Kopacka da nicht einfach einen Spaß draus gemacht hat, alles mal zusammenzuwerfen, was er so auf dem filmischen Dachboden gefunden hat. Manches davon ist absurd, anderes erschreckend, ein Kaleidoskop der Sinneseindrücke, widersprüchlich und unberechenbar.

Inhaltlich sollte man daran keine allzu hohen Ansprüche stellen. Es gibt zwar Verweise auf Dantes Göttliche Komödie und die eine oder andere Überlegung zur Sinnhaftigkeit einer Hölle, dazu persönliche Abgründe, die herumgeschleppt werden. Doch die Stärke von Hager ist nicht die Geschichte. Die ist mehr ein Anlass für den auch als Maler tätigen Kopacka aufzuzeigen, wie man auch mit wenig Mitteln irritieren, abseits von Förderanstalten das Publikum auf eine Reise mitnehmen kann. Das Ergebnis passt zwar nicht unbedingt in unsere Kinolandschaft, wäre aber auf Filmfesten gut aufgehoben gewesen. Alternativ kann man das ja aber auch von zu Hause aus tun. Wer schon nicht die Möglichkeit hat, rauszugehen und etwas von der Welt zu sehen, der darf sich hier auf einen atmosphärischen, surrealen Trip freuen, nach dem alles ein bisschen anders ist – auch wenn man nicht genau weiß, was unterwegs eigentlich geschehen ist.

Credits

OT: „Hager“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2020
Regie: Kevin Kopacka
Drehbuch: Kevin Kopacka, H.K. DeWitt
Musik: Kevin Kopacka, Mike McFly
Kamera: Lukas Dolgner
Besetzung: Philipp Droste, Anna Heidegger, Cris Kotzen

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In „Hager“ sucht ein verdeckter Ermittler nach einem verschwundenen Kollegen und spürt einer mysteriösen Droge nach. Die Geschichte ist in dem Thriller eher Nebensache, der Schwerpunkt liegt auf der Atmosphäre und den irren Bildern, die von knalligen Farben und Verfremdungen leben. Das ist tatsächlich sehenswert und zeigt, wie sich mit wenigen Mitteln ein schöner kleiner Albtraum erzeugen lässt, der als surrealer Trip verwirrt, manchmal verstört.
7
von 10