Besser Welt als nie

Dennis Kailing [Interview]

Einmal um die Welt reisen? Doch, das lässt man sich gefallen. Vielleicht ein bisschen Kreuzfahrt oder gemütlich mit dem Zug durch die Gegend fahren und die Aussicht genießen. Oder man macht es wie Dennis Kailing. Der folgte irgendwann einer Eingebung, schnappte sich sein Fahrrad und begann drauflos zu radeln. Zwei Jahre war er unterwegs, 41 Länder hat er am Ende gesehen. Diese Eindrücke und Erlebnisse hat er mit seiner Kamera festgehalten und zu einem Film zusammengeschnitten, der am 13. Februar 2020 unter dem Titel Besser Welt als Nie ins Kino kommt. Wir haben uns mit dem Globetrotter getroffen und über seine Erfahrungen gesprochen, aber auch welche Tipps er für angehende Weltreisende hat.

Wie kam es, dass du auf Weltreise gegangen bist? Davon träumen natürlich viele. Das dann auch wirklich so umzusetzen, machen aber nur die wenigsten.
Angefangen hat es mit einem Facebook-Post, der ein bisschen dramatisch war. Der ging auch über eine Weltreise mit dem Fahrrad, nach dem Motto: einmal um die Welt und nicht mal dabei gestorben. Heute finde ich das schon etwas übertrieben, damals war das aber absolut krass für mich. Ich war dann generell sehr von Radreisen fasziniert und hatte auch schon irgendwo die Idee in mir, das selbst zu machen. Als es dann mit einem Job in Berlin für mich zu Ende ging, waren für mich alle Zeiger auf Go gestellt.

Wann ging es los?
Zwei Jahre unterwegs, danach zwei Jahre an Film und Buch gearbeitet.

War der Film auch von Anfang an geplant?
So richtig geplant, weiß ich nicht. Eher so ein bisschen planerische Spinnerei. Daraus am Ende einen Kinofilm zu machen, war damals aber zu weit entfernt. Ich habe zwei Monate vorher angefangen YouTube-Tutorials zu schauen, um zu sehen, wie Kameratechnik funktioniert. Worauf man achten könnte. Was man mitnehmen könnte. Und was davon auch aufs Fahrrad passt, denn davon hatte ich ja auch keine Ahnung, weil ich noch nie so eine Tour gemacht hatte.

Wenn man zwei Jahre unterwegs war, muss das doch mörderisch sein, aus dem vielen Material einen Film machen zu wollen. Was ich mich gefragt habe: Wie fängt man da an?
Ja, genau, das habe ich mich dann auch gefragt. Zumal ich selbst keine Erfahrung hatte. Also habe ich mich mit Leuten unterhalten und erste Schnitte gesetzt, learning by doing dauerhaft weiter. Dann habe ich einen Dokumentarfilmer kennengelernt und mich mit dem immer wieder getroffen in größeren Abständen und Rücksprache gehalten, was funktioniert. Ich wollte ja auch meinen eigenen Stil entwickeln.

Wie viel Material war es denn am Ende?
73 Stunden. Das geht eigentlich noch für zwei Jahre, finde ich.

Zwei Jahre, das ist schon einiges. Wie lange hast du dich auf diese Reise vorbereitet?
So richtig effektiv würde ich sagen zwei Monate. Eine Packliste zusammenstellen fürs Fahrrad selbst. Kamera kaufen. Eine Drohne hatte ich noch dabei. Damals war eine Drohne bei einem Reisefilm noch revolutionär, gerade auf dem Fahrrad. Jetzt ist das schon fast Standard. Und meine Drohne wäre jetzt auch nichts mehr wert, weil die völlig veraltet ist.

Und wie hast du dich auf das Radeln an sich vorbereitet? Warst du da trainiert?
Eigentlich nicht. Ich bin im Sommer vielleicht zum Basketball geradelt, aber das war es auch schon. Das Radeln ging überraschend gut. Am ersten Tag habe ich 65 Kilometer geschafft. Das hört sich wahnsinnig viel an und ich war damals auch total stolz. Andererseits: Du hast ja nichts anderes zu tun. Also fährst du mal eine Stunde, dann noch eine, dann vielleicht anderthalb. An den ersten Tagen hatte ich natürlich schon Muskelkater, aber danach ging es dann. Nach drei Tagen konnte ich nicht mehr laufen, weil mein Knie überlastet war. Da hatte ich schon die Befürchtung, dass es das schon war und ich allen erzählen muss: Sorry, ist doch nichts draus geworden.

So eine Reise beansprucht nicht nur den Körper, sondern auch den Geldbeutel. Wie hast du das finanziell gemacht?
Ich habe meine ganzen Ersparnisse dafür rausgehauen. Kostenmäßig ging es aber eigentlich. 3 bis 10 Euro pro Tag durchkommen. Mit allem drum und dran ist es wahrscheinlich etwas mehr. Im Vorfeld dachte ich, dass die Unterkunft sehr teuer würde. Aber da ich so oft eingeladen wurde, habe ich auf der Reise im Schnitt 1,16 Euro pro Tag ausgegeben für Unterkünfte. Eigentlich war Essen das teuerste. Ich musste viel essen, wahrscheinlich doppelt so viel, wie ich normal esse. Damit habe ich glaube ich auch einige beeindruckt, wenn ich irgendwann die ganze Küche leergefuttert habe. War lustig.

Auf deiner Reise bist du durch ziemlich viele Länder gekommen. Hattest du dir im Vorfeld eine Route überlegt?
Grob, ja. Die geografischen Gegebenheiten geben ja schon so manche Route grob vor. Ein paar Abweichungen gab es unterwegs natürlich schon. Neuseeland ist zum Beispiel rausgeflogen, weil ich erst im Winter dort gewesen wäre. Und da macht das nicht so viel Spaß.

Von den Ländern, die du gesehen hast, welche waren deine Favoriten?
Einen ganz klaren Favoriten habe ich nicht. Es war eher die Mischung, die mich motiviert hat weiterzuradeln. Armenien, Iran, Nepal, Thailand, USA, Mexiko, Bolivien, da waren schon tolle Länder dabei. Es waren dabei immer ganz unterschiedliche Dinge, die dort ausschlaggebend waren. Mal waren es die Menschen, weil die besonders freundlich waren oder auf einer Wellenlänge mit mir. In Thailand waren es die Partys. Denn das gehört auch dazu: unterwegs mal die Sau rauszulassen. In Timor-Leste war es mehr das Abenteuer und die Wildnis. In Armenien war es die komplette Ruhe in den Bergen.

Und gab es darunter ein Land, bei dem du dir vorstellen könntest, auch länger zu bleiben?
Das nicht. Ich könnte mir eher vorstellen, das Leben eines Nomaden zu führen, die nächsten Jahre rumzutingeln, mal hier, mal da zu sein. Hat alles Vor- und Nachteile. Bindungen wie in der Schule oder im Sportverein, wo du die Leute zehn Jahre kennst, die bauen sich da natürlich nicht auf. Dafür sind die Sachen neu und aufregend. Und wenn etwas zum Alltag wird, kannst du wieder weiter.

Wie war das für dich, auf diese ganzen Bindungen verzichten zu müssen?
Das war einfach Realität. Es war auch für mich von vornherein klar, dass das dazugehört. Manchmal hatte ich eher das Gefühl, dass ich die anderen traurig mache. Du kommst irgendwo an, da ist nichts los, da kommt nie ein Tourist vorbei, da bist du natürlich ein Ereignis. Dann kommen alle zusammen, du sitzt einen Abend mit denen rum, isst, trinkst, unterhältst dich. Und am nächsten Tag bist du wieder weg. Das ist schon etwas herzzerreißend.

Und war es für dich ein Problem, deine eigene Familie zurückzulassen?
Das ging. Klar, zwischendurch hast du schon gedacht, dass es schön wäre, sie wiederzusehen. Aber ich hatte ja immer die Aussicht, dass ich nach zweieinhalb Jahren zurückkomme. Es war also nie so, dass ich für immer wegbleiben wollte.

Jetzt, da deine Reise vorbei ist: Welche Länder würdest du noch gerne sehen?
Was mich aktuell noch interessiert, ist der Nord-Osten von Südamerika. Das dann aber eher ohne Fahrrad, so ein bisschen durch den Dschungel durch.

Gibt es im Rückblick etwas, das du anders gemacht hättest?
Ich glaube, Australien hätte ich mir geschenkt. Für den Film war es gut, weil du in einer Geschichte ja einen Tiefpunkt brauchst. Außerdem würde ich beim nächsten Mal vielleicht noch planloser losziehen und wenn mir etwas gefällt, die Reise auch einfach mal zu unterbrechen. Für einen Monat zum Beispiel.

Du hast in deinem Film das Fazit gezogen, dass die Welt gar nicht so gefährlich ist. Gab es trotzdem Momente, in denen du Angst hattest?
Die meiste Angst hatte ich glaube ich in der ersten Nacht, als ich alleine in meinem Zelt war. Das hatte aber mehr mit mir zu tun. Gefährlichere Situationen gab es aber natürlich auch, zum Beispiel in Mittelamerika, wo mir Leute ohne Grund nicht sonderlich freundlich gegenüber eingestellt waren. Aber auch dort gab es freundliche Menschen. Man sollte deshalb nie alle aus einem Land in einen Topf werfen. In Honduras bin ich zum Beispiel von Leuten eingeladen worden, weil es draußen zu gefährlich war. In Deutschland würde dir so etwas eher selten passieren, dass dich Wildfremde zu sich einladen. Aber auch hier darf man sich überraschen lassen.

Was würdest du anderen raten, die auch so eine Reise machen wollen?
Let’s go! Im Grunde kann ich nur raten, sich auf diese Reise dann auch wirklich einzulassen und alles mitzumachen. Wenn die Leute mit dir Karaoke machen wollen und du kannst nicht singen, dann mach trotzdem mit. Sich einfach mal trauen, in die Ungewissheit reinzugehen. Wir Deutsche planen ja gerne und wollen die Sicherheit. Das musst du dir abgewöhnen. Es findet sich unterwegs immer eine Lösung. Du musst nur offen sein.



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