Beautiful Boy
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Beautiful Boy

Beautiful Boy
„Beautiful Boy“ // Deutschland-Start: 24. Januar 2019 (Kino)

Nic Sheff (Timothée Chalamet) bringt alles mit, um es einmal im Leben weit zu bringen. Er ist intelligent, kreativ, charismatisch und gut aussehend. Er stammt auch aus einer guten Familie, sein Vater David (Steve Carell) kümmerte sich ebenso liebevoll um ihn wie seine Mutter Vicky (Amy Ryan). Doch all das konnte nicht verhindern, dass Nic sich den Drogen zuwandte. Mit einfachem Marihuana fing es an, später wurden die Stoffe immer härter. Und auch wenn David und seine zweite Frau Karen (Maura Tierney) alles in ihrer Macht für den Jugendlichen tun, ihn zu Entzugskliniken begleiten und unterstützen, wo sie nur können, müssen sie hilflos dabei zusehen, wie er immer wieder rückfällig wird.

Kann das noch Zufall sein? Nicht nur, dass Timothée Chalamet und Lucas Hedges zu den begabtesten und begehrtesten Jungschauspielern unserer Zeit gehören und letztes Jahr auch noch gemeinsam in Lady Bird zu sehen waren. Jetzt kommen mit Beautiful Boy und Ben Is Back auch noch zwei Filme mit ihnen in die Kinos, die beide auf dem Toronto International Film Festival 2018 Premiere feierten, eine B-Alliteration im Titel tragen und eine ähnliche Geschichte erzählen. In beiden Fällen hat ein Sohn mit Drogen zu kämpfen, während ein Elternteil und ein Stief-Elternteil hilflos zusehen müssen.

Geschichten, die das Leben schreibt

Und doch gibt es natürlich Unterschiede. Der wohl bedeutendste: Während Ben Is Back eine reine Fiktion ist, die sich am Ende auch nicht vor Hollywoodklischees schämt, basiert Beautiful Boy auf einer wahren Geschichte. Genauer basiert sie auf zwei Büchern, die jeweils dieselbe Geschichte erzählen, nur jeweils aus einer anderen Perspektive. In Beautiful Boy: A Father’s Journey Through His Son’s Addiction schilderte der Journalist David Sheff seine Erfahrungen als Vater des drogenabhängigen Nic. Der wiederum schrieb Tweak: Growing Up on Methamphetamines und führte darin seine Sicht auf seine Zeit mit den Drogen aus.

Diese Dualität der Beschreibungen behält der belgische Regisseur und Co-Autor Felix Van Groeningen (The Broken Circle) bei seinem englischsprachigen Debüt nicht bei. Aber auch er setzt dabei auf einen kontinuierlichen Wechsel. Das betrifft beispielsweise die Chronologie seines Films: Immer wieder springt Beautiful Boy in der Zeit umher, zeigt Szenen, die erst später erklärt werden. Auch das Wort „everything“, das sie sich an mehreren Stellen im Film gegenseitig zuflüstern, als eine Art Geheimsprache, wird erst zum Ende hin mit einem Kontext gefüllt.

Wenn Liebe allein nicht ausreicht

Dabei fällt es nicht schwer, diesen vorher selbst schon zu finden. Denn im Mittelpunkt des berührenden Dramas liegt die komplexe Beziehung zwischen David und Nic. Steve Carrell (Foxcatcher) legt seine Figur als fürsorglichen Vater an, der alles für seinen Sohn tun würde, alles getan hat, was er tun konnte. Und doch nichts für ihn tun konnte. Timothée Chalamet (Call Me by Your Name) wiederum darf mal wieder seinen Charme ausspielen, selbst wenn Nic das eigene Leben wie das seines Umfeldes zur Hölle macht. Schließlich wird immer wieder die Familie bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht, droht dabei zu zerstören, auseinanderzubrechen, sich selbst zu verschlingen. Das geht so weit, dass die Familie sich irgendwann selbst abwenden muss, um weiterleben zu können.

Beautiful Boy wagt dabei einen ganz eigenwilligen Spagat. Auf der einen Seite zeigt der Film, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein, selbst in den dunkelsten Momenten. Auf der anderen verschweigt er aber nicht, wie gering der eigene Einfluss ist, wenn andere drogenabhängig sind. Dass du alles tun kannst, was du willst, und doch nicht wichtig genug bist, um etwas damit zu bewirken. Dass du dein Kind nicht beschützen kannst vor den Monstern, die da draußen auf es warten. Das Drama wird dabei zu einer Achterbahn der Gefühle, die immer wieder vorgaukelt, dass jetzt dieses Mal alles ganz bestimmt gut ausgehen wird. Aber es gibt immer den nächsten Rückfall. Die nächste Lüge. Vielleicht auch die nächste Überdosis.

Hin und wieder neigt Felix Van Groeningen vielleicht dazu, seinen Film ein bisschen zu schön und stylisch zu machen. Chalamet sieht zudem sicher nicht repräsentativ für einen Drogenabhängigen aus. Insgesamt ist es aber bemerkenswert, wie ungeschönt das hier ist, dass es keine Zuspitzungen braucht oder Feel-Good-Momente. Auch Erklärungen werden ausgespart: Weshalb Nic letztendlich abrutschte, wird für alle ein Rätsel bleiben, für ihn, seine Eltern. Und es ist eben dieses Unerklärbare und die Ungewissheit, was am Ende rauskommt, die das Drama so auszeichnen und zu einem zuweilen fast unerträglichen Film machen.



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„Beautiful Boy“ zeigt das besondere Verhältnis eines Vaters zu seinem drogenabhängigen Sohn, der trotz viel Zuwendung und bester Voraussetzungen nicht von seiner Sucht wegkommt. Das ist aufgrund der exzellenten Darsteller ein Muss, wagt zudem das zu zeigen, was sich niemand eingestehen mag: Manchmal ist Liebe nicht genug, um einen anderen Menschen zu retten, so wichtig er einem auch sein mag.
8
von 10