Joker
© Warner Bros.

Joker

Joker
„Joker“ // Deutschland-Start: 10. Oktober 2019 (Kino)

Tagein tagaus versucht Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) anderen Leuten ein Lächeln zu schenken, indem er sich in ein Clownskostüm wirft und ulkige Sachen macht. Sein eigenes Leben ist jedoch deutlich trister, gibt nur selten Anlass zur Freude. Jeden Abend verbringt er mit seiner kranken Mutter Penny (Frances Conroy). Freunde hat er ebenso wenig wie eine Freundin. Und auch bei der Arbeit läuft es gerade nicht gut. Andererseits, wenn es nach Arthur ginge, stünde er ohnehin viel lieber auf der Bühne, seit seiner Kindheit schon träumt er davon, als Komiker Karriere zu machen. Der eigentliche Wendepunkt in seinem Leben ist jedoch, als er eines Abends in einer U-Bahn drei jungen Männern über den Weg läuft …

Im Kino gibt es seit einigen Jahren kein Entkommen mehr vor Comic-Adaptionen, vor allem die Platzhirsche Marvel und DC Comics liefern sich einen stetigen, wenn auch einseitigen Schlagabtausch. Das ist für viel Geld gut, drollige Fanboy-Kleinkriege oder auch einfach dafür, mal komplett abzuschalten und die Realität zu vergessen. Für eines sind diese Bombast-Blockbuster jedoch kaum bekannt: Kontroversen. Bis jetzt. Denn an Joker scheiden sich die Geister gleich doppelt. Während es bei der Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig 2019 donnernden Applaus gab, am Ende auch die Auszeichnung zum besten Film, fallen die späteren Kritiken deutlich nüchterner aus. Hinzu kommen die Diskussionen, ob die Geschichte des berühmten Comic-Schurken nicht zu Gewalt inspirieren wird in einer ohnehin erhitzten Stimmung.

Ich töte, also bin ich!

Ganz aus der Luft gegriffen sind diese Befürchtungen sicher nicht. Wenn sich der erfolglose Clown langsam in einen psychopathischen Mörder verwandelt und dafür auch noch von anderen gefeiert wird, dann ist das durchaus befremdlich. Joker wirkt an der Stelle schon wie ein Freischein, all die Leute da draußen abzuknallen. Eine Zelebrierung von Gewalt, ausgeübt von den Verlierern dieser Welt, die sich zumindest mit einer Waffe noch Gehör verschaffen können und so ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit entkommen wollen. Also das, was viele Amokläufer machen, nur im größeren Stil und mit weniger Schminke im Gesicht.

Doch Joker ist eben keine reine eskapistische Gewaltfantasie wie das kürzlich missglückte Comeback-Versuch Rambo: Last Blood. Stattdessen versucht sich Regisseur und Co-Autor Todd Phillips daran, den berühmten Comic-Mörder zu einer tragischen Figur umzudeuten. Anders als die grelle Version von Jack Nicholson in Batman oder die irrlichternde Chaos-Interpretation von Heath Ledger in The Dark Knight soll dieser Joker ein emotionales Fundament haben. Das bedeutet, dass er gewissermaßen zu seinem Unglück getrieben wurde, bei der Arbeit, zu Hause, auf der Straße. Wenn Fleck zu einem Monster wird, dann eines, das die Menschen selbst erschaffen haben in ihrer Rücksichtslosigkeit und Brutalität.

Die Tragik der Brutalität

Die Absicht, Joker zu einem gesellschaftlichen Phänomen zu machen, ist ein interessanter Ansatz. Der Film erinnert dabei an Batmans Rückkehr, das seinerzeit ebenfalls die psychologische Komponente der Schurken in den Vordergrund stellte und das Menschliche in den Monstern suchte. Ganz so gut wie damals funktioniert das hier jedoch nicht. Der gepeinigte Clown hat sicherlich Mitleid verdient für das Unrecht, das man ihm im Laufe der Zeit angetan hat. Es geht jedoch keine vergleichbare Faszination von ihm aus wie 1992 bei Catwoman und dem Pinguin, die das Tragische und Groteske miteinander verbanden. Joker mag ähnlich kaputt sein, ist aber weniger spannend. Oder unterhaltsam. Phillips, der eigentlich durch seine Komödien um Hangover bekannt wurde, macht aus der bekannten Figur jemanden, der selbst Spaß hat, dabei aber keinen Spaß bereitet. Wenn er immer wieder aufgrund einer Krankheit Lachanfälle bekommt, an völlig falschen Stellen, dann ist das durchaus symptomatisch für einen Film, der sehr mit sich selbst beschäftigt ist.

Und doch ist das Ganze sehenswert, einer der interessanteren Comic-Filme der letzten Jahre. Das ist natürlich in erster Linie der Verdienst von Joaquin Phoenix (A Beautiful Day, The Master), der hier gleichzeitig so unterwürfig und dominant auftritt, als gäbe es den Rest der Welt überhaupt nicht. Als gäbe es keine Regeln, in dieser Mischung aus Illusion und Schmerz. Die Bilder eines 80er Jahre Gothams sind ebenfalls gelungen, selbst wenn dieser Vision das Comichafte fehlt. Weniger glücklich ist die Musik der Isländerin Hildur Guðnadóttir, die einfach zu dick aufgetragen ist und die kleine Geschichte mit viel Bombast anreichert. Andererseits, Widersprüchlichkeit ist hier Teil des Programms, wenn Wahnvorstellungen auf schäbigen Alltag treffen, Sehnsucht nach Anerkennung mit einer Sehnsucht nach Zerstörung einhergeht. Und auch wenn die Kontroverse um den Film irgendwie übertrieben scheint, als Hinterfragung unserer Gesellschaft ist Joker so verkehrt nicht, wenn wir Schritt für Schritt mitverfolgen, wie ein Mann, der eigentlich Freude bringen wollte, sich in einen Psychopathen verwandelt, dem nichts anderes mehr geblieben ist als die Gewalt.



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Joker
fazit
Lang erwartet und kontrovers diskutiert erzählt „Joker“, wie sich ein eigentlich wohlmeinender Mann durch Vernachlässigung und Demütigung in einen Psychopathen verwandelt, dem nur die Gewalt noch geblieben ist. Das ist aufgrund der überragenden Darstellung von Joaquin Phoenix sehenswert, der in dem Monster das Tragische entdeckt, auch wenn die Figur als solche nicht sehr spannend ist.
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