Adoration
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Adoration

Adoration
„Adoration“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Allzu viele Freunde hat der 12-jährige Paul (Thomas Gioria) sicher nicht, was aber auch an der Situation liegt. Schließlich wohnt er in einer abgelegenen psychiatrischen Privatklinik, zusammen mit seiner dort arbeitenden Mutter. Umso größer ist der Eindruck, welche die 15-jährige Gloria (Fantine Harduin) auf ihn hinterlässt, die eines Tages dort eingewiesen wird. Die ist kaum zu bändigen, ein wilder Wirbelwind, der mit aller Macht darum kämpft, wieder freizukommen – und ausgerechnet Paul soll ihr dabei helfen. Tatsächlich lässt er sich darauf ein und begleitet sie bei ihrer Flucht. Dabei kommen die beiden sich immer wieder näher, gleichzeitig stellen sich Glorias psychische Probleme aber regelmäßig als Graben heraus, den die nicht überwinden können …

Abgelegene Wälder können eigentlich sehr schön sein, so ruhig und friedlich. Orte, an denen man ausspannen und wieder zu sich finden kann. Außer es handelt sich um abgelegene Wälder in Filmen. Das bedeutet fast immer Ärger, weil sich da draußen in dem undurchsichtigen Dunklen Mörder herumlungern, dämonische Kräfte am Wirken sind oder vielleicht auch vergessene Fabelwesen ihr Unwesen treiben. Bei Adoration gibt es ausnahmsweise mal nichts davon. Düster ist der Film aber auch ohne ihr Mitwirken. Und er ist auch nicht wirklich Teil einer Realität, was irgendwie logisch ist, wenn die Protagonistin es selbst nicht ist.

Zwischen verschiedenen Welten
Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema psychische Krankheit handelt es sich hier natürlich nicht. Dafür bleibt auch gar nicht wirklich die Zeit: Gloria mäht gleich zu Beginn alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt. Und auch wenn es später während der abenteuerlichen Flucht zu kleinen Atempausen kommt, rationale Stimmen, die dabei helfen können, das wirre und wilde Verhalten der Jugendlichen einzuordnen, die sind hier sehr rar gesät. Aber Adoration ist eben auch kein Film, der von Vernunft handelt, von einer Ratio. Vielmehr zeigt er auf, welche Folgen es haben kann, wenn sich Gefühle verselbständigen und ein gefährliches Eigenleben entwickeln.

An manchen Stellen meint man, Adoration würde sich zu einem Coming-of-Age-Drama weiterentwickeln, in dem zwei junge Menschen lernen, mit ihrer Situation fertigzuwerden. Doch der Lernfaktor hält sich in Grenzen. Gleichzeitig löst der Film nie so ganz sein Versprechen ein, zu einem düsteren Thriller zu werden – obwohl eine frühe Szene darauf hinweist, ebenso die Teilnahme an zahlreichen Genrefestivals. Stattdessen verortet der belgische Filmemacher Fabrice du Welz (Message from the King) den Titel irgendwo dazwischen, in einer ganz eigenen kleinen Welt, in der vieles und gleichzeitig nichts möglich scheint.

Die unerklärliche Sehnsucht
Erklärungen bleiben dabei aber Mangelware. Vielmehr ist das Psychodrama, das auf dem Locarno Festival 2019 Weltpremiere hatte, ein von Gefühlen und Trieben gesteuertes Abenteuer, das man allenfalls intuitiv erfassen kann. Das kann mal surreal sein, bizarr sogar, auf eine abwechselnd komische und unheimliche Weise, wenn wir vieles kaum zu greifen bekommen. Und doch ist Adoration nahe an den Figuren dran, sowohl mit der Kamera wie auch inhaltlich. Gloria mag die dominierende Person sein, die alle Aufmerksamkeit für sich einfordert. Ebenso spannend ist aber der jüngere Paul, scheu, still, naiv, der sich selbst in der Natur suchte, bevor Gloria auftauchte. Er versucht aus allem schlau zu werden, aus ihr, aus sich, seinen Gefühlen, und taumelt doch nur durch eine fremde Welt.

Sie wird auch fremd bleiben, Adoration ist alles andere als ein Wohlfühlfilm. Manche würden sogar schon die Bezeichnung „Film“ in Frage stellen, wenn in dem Naturtrip klare Ziele oder Entwicklungen fehlen, ebenso eine Handlung im eigentlichen Sinn. Stattdessen begegnen Paul und Gloria anderen Leuten, interagieren mit ihnen, ohne dass sie je wirklich in dieser sonderbaren Beziehung Fuß fassen würden. Das ist atmosphärisch stark, getragen von zwei Nachwuchsschauspieler*innen, die in ihren sehr unterschiedlichen Figuren aufgehen. Welche Zukunft den jungen Menschen bevorsteht, das bleibt dabei ein Rätsel: Der Genremix ist ein Film über das Sehnen und Begehren, nicht das Finden und Bekommen.



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In „Adoration“ türmt ein 12-Jähriger mit einer drei Jahre älteren Patientin einer psychiatrischen Anstalt. Der Film ist dabei irgendwo zwischen Drama und Thriller, befasst sich mit einer Sehnsucht, die nie ganz greifbar wird, wenn zwei Junge Menschen vor der Realität fliehen und sich dabei in Fantasien und Begierden verlieren.
7
von 10