Under the Tree
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Under the Tree

Under the Tree
„Under the Tree“ // Deutschland-Start: 16. Mai 2019 (Kino)

Es ist der ganze Stolz von Inga (Edda Björgvinsdóttir) und Baldvin (Sigurður Sigurjónsson): der riesige Baum, der in ihrem Garten steht! Für andere ist er hingegen ein enormes Ärgernis, allen voran für die Nachbarn, die gerne auch ein bisschen Sonne auf ihrer Terrasse hätten. Während die Diskussion um die geforderte Fällung langsam eskaliert, hat Sohn Atil (Steinþór Hróar Steinþórsson) ein ganz anderes Problem: Seine Frau Agnes (Lára Jóhanna Jónsdóttir) hat ihn dabei erwischt, wie er sich ein selbst gedrehtes Sexvideo anschaut. Seither hängt der Haussegen schief. Mehr noch: Agnes tut alles dafür, dass Atil die gemeinsame Tochter nicht mehr sehen darf.

Isländische Filme, zumindest solche, die es hierher schaffen fallen oft in eine von zwei Kategorien: Entweder sind sie besonders skurril (Sture Böcke, Von Menschen und Pferden) oder ziemlich düster (Der Eid, I Remember You). Warum nicht einmal beides miteinander kombinieren? Dieses Versprechen gibt jedenfalls Under the Tree, das als schwarze Komödie über einen eskalierenden Nachbarschaftsstreit angekündigt wurde. Doch so ganz richtig ist diese Beschreibung nicht. Oder besser: Sie ist nur die halbe Wahrheit.

Das Drama hinter der Komik
Genauer erzählt Regisseur und Co-Autor Hafsteinn Gunnar Sigurðsson in seinem dritten Spielfilm zwei Geschichten auf einmal. Da wäre der besagte Streit um den riesigen Baum, der die eine Seite erfreut, die andere maßlos ärgert. Mindestens ebenso wichtig ist aber der Streit zwischen Atil und Agnes. Der eigentliche Anlass, ein altes Sexvideo, entbehrt zwar ebenfalls nicht einer gewissen Komik. Die Folgen, wenn beide sich bekriegen, auch um das Sorgerecht der Tochter, das ist weit entfernt von Humor und Spaß.

Die beiden Handlungsstränge miteinander zu verbinden, das kann man als mutig empfinden – oder aber als fragwürdig. Denn vergleichbar zu Fast-Landsmann Gegen den Strom ist oft nicht ganz klar, was Under the Tree nun eigentlich sein soll. Findet der Film keinen einheitlichen Ton, wie man es erwarten könnte oder dürfte. Ein bisschen mehr Offenheit sollte man daher schon mitbringen. Darauf vorbereitet sein, dass es hier mal erschreckend real, mal skurril-surreal werden darf. Vor allem zum Ende hin, wenn nach einem eher gemächlichen Mittelteil die Daumenschrauben angezogen werden.

Oh, das war jetzt böse …
Aber auch das Zwerchfell bekommt ein bisschen was zu tun – gesetzt den Fall, man weiß einen etwas schwärzeren Humor zu schätzen. Wer bei der Beschreibung des Inhalts an die schön gemeinen Nachbarschaftskleinkriege vergangener Filme denkt – zuletzt etwa Bad Neighbors –, der wird doch noch bedient. Sinn sollte derjenige dabei jedoch keinen erwarten, die Geschichte eskaliert ein bisschen sehr plötzlich, da wäre ein beständigeres Tempo doch förderlicher gewesen. Es wirkt sogar fast so, als wäre das ein Nachtrag, den man zuvor vergessen hatte und nun noch unbedingt einfügen wollte.

Aufgrund der fehlenden Zielstrebigkeit ist die Tragikomödie, die bei den Filmfestspielen von Venedig 2017 Weltpremiere hatte, vielleicht nicht der große Geheimtipp. Schön ist es aber schon, dass sie anderthalb Jahre später doch noch hier erscheint. Einige Stellen von Under the Tree sind schließlich so unterhaltsam, dass sich der Film in seiner Gesamtheit lohnt, zumal die Laufzeit mit 90 Minuten auch sehr überschaubar bleibt. Selbst die Passagen, die etwas auf der Stelle treten, sind so viel zu schnell vorbei, als dass dabei eine größere Langeweile entstehen könnte.



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Die Eltern haben Streit mit den Nachbarn, der Sohn mit der Frau: „Under the Tree“ zeigt, wie man sich gegenseitig oft wegen kleinster Anlässe das Leben zur Hölle macht. Der Film schwankt dabei etwas eigenartig zwischen Drama und schwarzer Komödie, ist mal hart an der Realität, dann wieder auf absurde Weise daran vorbei.
7
von 10