The Favourite
© 20th Century Fox

The Favourite – Intrigen und Irrsinn

The Favourite
„The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ // Deutschland-Start: 24. Januar 2019 (Kino)

Im 18. Jahrhundert befindet sich England eigentlich im erbitterten Krieg mit Frankreich. Dessen Königin Anne (Olivia Colman) hat jedoch nur wenig Interesse an dem Thema. Sie überlässt lieber ihren Beratern die Detailarbeit, so wie ihr das Regieren allgemein lästig ist. Glücklicherweise gibt es eine Reihe von Leuten, die nur zu gerne mitbestimmen, in welche Richtung es weitergeht, darunter auch Annes heimliche Mätresse Lady Sarah (Rachel Weisz). Deren heimliches Wirken wird jedoch auf eine harte Probe gestellt, als ihre jüngere Cousine Abigail (Emma Stone) eine Arbeit an dem Hof bekommt und sich schon bald die Gunst der Königin sichert. Denn eine Konkurrentin im eigenen Bett kann Sarah nun wirklich nicht gebrauchen. Und so ist ihr dann auch jedes Mittel recht, um die unliebsame Cousine im Zaum zu halten.

Einen richtigen Hit hatte Yorgos Lanthimos bislang ja eigentlich nicht. Und doch schaffte es der griechische Regisseur, sich nach und nach mit seinen Filmen in Richtung Hollywood vorzuarbeiten. Dabei haben die nur sehr wenig mit dem zu tun, was die Traumfabrik sonst noch ausspuckt. Zuerst lieferte er mit dem surrealen Dogtooth und dem tieftraurigen Alpen zwei Werke ab, wie sie eigenartiger nicht sein könnten. Und auch wenn die beiden englischsprachigen Anschlussfilme The Lobster – Eine unkonventionelle Liebesgeschichte und The Killing of a Sacred Deer ein klein wenig zugänglicher waren, eine derartige Mischung aus verstörenden und komischen Momenten, die bekommt derzeit kaum einer wie er hin.

Schwerer Stoff, leicht präsentiert
Mit The Favourite bewegt er sich nun noch ein wenig mehr in Richtung Mainstream, wenn er erstmals eine Geschichte erzählt, die tatsächlich auch im wahren Leben spielen könnte. Das mag auch daran liegen, dass diese erstmals in seinem filmischen Schaffen gar nicht von ihm stammt. Stattdessen handelt es sich um ein Projekt, das die Autorin Deborah Davis schon vor zwanzig Jahren begann, das aber nur schwer eine Finanzierung fand. Aus gutem Grund: Männer spielen hier keine Rolle, eines lesbische Dreiecksbeziehung an Hof ist auch nicht gerade das, was sich leicht verkaufen ließe.

Dabei ist der Aspekt selbst hier erfrischend unwichtig. Dass hier drei Frauen Anfang des 18. Jahrhunderts Intimitäten austauschen, wird zwar mehr oder weniger geheim gehalten. Für die Figuren selbst ist das aber kein großes Ding, einfach nur eine weitere Form des Vergnügens wie etwa das Schießen oder Hummerrennen. Oder was auch sonst in den Damen in dem dekadenten Palast so gerade einfällt. Dem begegnet Lanthimos über längere Strecken mit einer gewissen ironischen Distanz. Vor allem Anne erscheint hier mit ihren vielen Spleens wie ein verwöhntes großes Kind. Und doch macht sich The Favourite, das auf den Filmfestspielen von Venedig 2018 Premiere feierte, nicht über die Figuren lustig.

Das Herz hinter der Maske
Was an vielen Stellen ein humorvoll-absurdes Intrigantenstadl ist – neben Stone und Weisz darf auch Nicholas Hoult als einflussreiches Parlamentsmitglied jede Menge wunderbar hinterhältige Auftritte haben –, entpuppt sich mit der Zeit als durchaus ernstzunehmendes Drama. Anne wird zu einer tragischen Gestalt, an der deutlich mehr dran ist als die zuweilen lächerliche Erscheinung vermuten lässt. Auch die beiden wetteifernden Lieblinge sind mehr als machthungrige Parasiten in schönen Kleidern. Je mehr Zeit wir mit ihnen verbringen, umso mehr Kontur erhalten sie. Umso warmherziger wird der Film. Umso schwieriger fällt die Entscheidung, auf wessen Seite man eigentlich stehen soll.

Durchgängig bleibt hingegen die hohe Qualität der Optik. Ausstattung und Kostüme sind opulent, die Kulissen grandios, zusammen mit der prominenten Besetzung bringt The Favourite alles mit für ein vornehmes Kostümdrama. Nur dass Lanthimos einen etwas anderen Blick darauf wirft, wortwörtlich. Die eigenwilligen Kameraperspektiven tragen dazu bei, dass das Geschehen bei aller Charakterisierung und schauspielerischer Exzellenz ein wenig fremd bleibt. Kurios. Doch noch die surrealen Anfänge des Griechen durchschimmern. Für das ganz große Publikum wird das hier daher noch immer nicht reichen, das bisher zugänglichste Werk des Ausnahmeregisseurs ist es aber allemal, noch dazu eines der unterhaltsamsten und bösesten Beziehungsdramen, die man zuletzt hat sehen dürfen.



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Auch wenn immer mal wieder die surrealen Tendenzen von früher durchschimmern, „The Favourite“ ist der bislang zugänglichste und „normalste“ Film des Ausnahmeregisseurs Yorgos Lanthimos. Vor grandiosen Kulissen dürfen wir hier zusehen, wie der Kampf zweier Cousinen um die Gunst der Königin gleichzeitig kurios, verspielt übertrieben, böse und manchmal auch wahnsinnig traurig ist.
8
von 10