Going West
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Going West

Going West
„Going West“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Es läuft nicht besonders gut im Leben von Kaspar (Benjamin Helstad). Seinen Job als Musiklehrer an einer Grundschule ist er los. Und er trauert um seine Mutter. Immerhin: Das ist der eine Punkt, der ihn und seinen Vater Vidar (Henrik Mestad) eint. Denn ansonsten haben die beiden nur wenig miteinander gemeinsam, haben auch keinen echten Kontakt mehr. Da flattert für die Verstorbene eine Einladung ins Haus  zu einem Steppdeckenwettbewerb, eines ihrer großen Hobbys. Zusammen machen sich die zwei daher auf den Weg, um auf diese Weise der Toten zu gedenken, und kommen sich dabei langsam wieder näher.

Die Situation ist ein echter Klassiker. Genauer sind es sogar zwei, die Going West hier miteinander verbindet. Das eine ist der Tod eines geliebten Menschen, der die Angehörigen zwingt, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Das andere ist die gemeinsame Reise von zwei Menschen, die sich anfangs im Konflikt miteinander befinden oder im besten Fall einfach nur voneinander entfremdet sind, sich im Laufe der Reise aber doch wiederfinden. Vor allem für Letzteres gibt es unentwegt Beispiele, Helle Nächte oder Leanders letzte Reise, um nur zwei aktuellere, deutschsprachige Beispiele zu nennen.

Skurrile Reise auf bekannten Wegen
Wenn wir uns zusammen mit Kaspar und Vidar auf den Weg machen, dann bedeutet das nicht nur für die beiden jede Menge Erinnerungen, die in Form von Flashbacks wieder hochkommen. Es bedeutet für das Publikum auch, auf Schritt und Tritt Déjà-vu-Erfahrungen zu machen. Henrik Martin Dahlsbakken, der Going West inszeniert hat und auch für das Drehbuch verantwortlich ist, rüttelt mit seiner Mischung aus Tragikomödie und Roadmovie nicht an Grundfesten solcher Filme. Er hält sich lieber an das Bewährte, will sein Publikum abwechselnd zum Schmunzeln bringen und rühren.

Das gelingt ihm auch ganz gut. Was den regelmäßigen Filmfestgast – unter anderem das Queer Film Fest München 2018 – von thematisch vergleichbaren Werken unterscheidet, ist seine Liebe zum Skurrilen. Der Sohn ist ein Musiklehrer mit Hang zum Alkohol, dessen Bandtage kürzlich unrühmlich zu Ende gegangen sind. Der Vater ist ein Eigenbrötler, der in seiner Freizeit gerne mal Frauenkleidung trägt. Das ist doch mal eine Paarung, die man in Filmen nicht ganz so oft sieht. Selbst die Mutter hatte mit dem Anfertigen von Steppdecken ein nicht so wirklich alltägliches Hobby. Die skeptischen Blicke der Menschen in dem Film – gibt es da wirklich Wettbewerbe? –, die dürften denen des Publikums recht ähnlich sein.

Ein Herz fürs Schräge
Und auch sonst ist Going West dem Schrägen nicht abgeneigt. Ob es nun die anderen Figuren sind, denen das Duo so über den Weg läuft, oder auch diverse Zwischenfälle, die sich unterwegs ereignen – der Film ist ein Tipp für diejenigen, die es zumindest ein bisschen anders mögen. Deren Herz vielleicht auch für die kleinen Verlierer dieser Welt schlägt, die sich durch das Leben kämpfen, nicht ganz reinpassen. Die Tragikomödie handelt dann auch zu einem größeren Teil davon, sich selbst zu kennen und dazu zu stehen, andere zudem für das zu akzeptieren, was sie sind.

Das mag nicht neu oder anders sein, sympathisch ist der kleine norwegische Film aber auf alle Fälle. Und wer selbst nur zu genau weiß, wie schwierig das mit anderen Menschen sein kann, gerade auch mit Familienangehörigen, wie sehr man manchmal mit dem Leben zu kämpfen hat, der darf sich hier das Herz wärmen. Zudem gibt es hier natürlich ein bisschen was von der Natur zu sehen. Warum sollte man auch sonst einmal quer durch das nordische Land fahren, nur um in einem abgelegenen Leuchtturm eine Steppdecke abzugeben?



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Ein eigenbrötlerischer Vater und dessen entfremdeter Sohn machen sich auf eine gemeinsame Reise, um der verstorbenen Mutter zu gedenken. Das ist als Szenario nicht übermäßig neu, große Überraschungen gibt es in „Going West“ auch nicht. Dafür aber überzeugt die Tragikomödie mit schrägen Humor und herzerwärmenden Momenten sowie einer positiven Message für das Publikum.
7
von 10