Driver

Driver

„Lifne Hazikaron“, Frankreich/Israel, 2017
Regie: Yehonatan Indursky; Drehbuch: Yehonatan Indursky
Darsteller: Moshe Folkenflick, Manuel Elkaslassy

Driver
„Driver“ läuft im Rahmen des 24. Jüdischen Filmfestivals Berlin-Brandenburg (26. Juni bis 5. Juli 2018)

Nahman Ruzumni (Moshe Folkenflick) ist Teil der ultraorthodoxen Gemeinde in Bnei Brak, Israel. Als Fahrer bringt er Bettler zu den Häusern wohlhabender Familien und hilft ihnen dabei, mitleiderregende Geschichten zu spinnen, um die möglichen Wohltäter mit Nächstenliebe unter Druck zu setzen. Im Gegenzug behält er die Hälfte des Geldes und notiert die Geschichten in ein kleines Notizbuch. Als seine Frau die Familie eines Tages unerwartet verlässt, sieht sich Nahman gezwungen, seine neunjährige Tochter Chani (Manuel Elkaslassy) auf die nächtlichen Streifzüge mitzunehmen. Mit der Situation überfordert bleibt Nahman schlussendlich nichts anderes übrig, als sich endlich seiner eigenen Vergangenheit zu stellen.

Kindheit, Religion, Wahrheit
Der israelische Regisseur Yehonatan Indursky präsentiert mit Driver seinen ersten fiktiven Langfilm, der auf einem gleichnamigen Kurzfilm basiert, den er zum Abschluss seines Studiums in Film und Fernsehen produzierte. Die Umgebung des Plots ist das winterliche Bnei Brak, Zentrum des orthodoxen Judentums und der Ort, in dem Indursky seine Kindheit verbrachte.

Driver begleitet einen Vater, der trotz der bitteren Lebensumstände für das Wohl seiner kleinen Tochter, mit allen Mitteln versucht sich durchzubeißen. Die harte Realität seines Berufs und der zwielichtigen Gestalten, denen er auf seinen nächtlichen Touren begegnet, ist geschickt mit der zarten Beziehung, die er zu seiner Tochter Chani pflegt, verwoben. Als beide Seiten unweigerlich aufeinander treffen, ist Nahmann sichtlich mit seiner Doppellrolle als ausgefuchster Gauner, der sich mithilfe seiner Klienten das Geld reicher Familien erschleicht oder sich auf Hochzeiten und Beerdigungen einschleust, um sich am Buffet zu bedienen, und alleinerziehender Vater maßlos überfordert.

Zwischen Surrealem und Religion
Wie so oft, besteht die persönliche Krise der Hauptfigur in der Verweigerung von Selbstreflektion und der Aufarbeitung der Vergangenheit. Nahman kann dies schlussendlich nur mithilfe seiner Tochter lösen. Die verflochtene Erzählung wird passend von musikalischer Begleitung und intensiver Kameraarbeit unterstützt. Einige symbolisch aufgeladene, zum Teil surreale Motive unterbrechen die sonst so realistische Darstellung der Ereignisse und lockern den Ablauf.

Religion spielt in der Erzählung um die empfindliche Beziehung zwischen Vater und Tochter eine entscheidende Rolle und ist schlichtweg als unlösbares Herzstück des Films zu bewerten. Der Großteil der Handlungen und Entscheidungen im Film werden entweder durch den Glauben motiviert oder begründet. Das mag für den Otto Normalzuschauer ungewöhnlich sein, wird aber jedes Mal verständlich und nachvollziehbar erklärt. Driver bietet dabei einen ungewöhnlichen und authentischen Blick in die jüdische Gemeinde, der Außenstehenden normalerweise verwehrt bleibt. Es werden Türen geöffnet, die sonst verschlossen bleiben und es wird vor allem, aufgrund der Lebensbedingungen der Hauptfiguren, auf die düsteren und rauen Seiten des Lebens in Bnei Brak aufmerksam gemacht. Deshalb darf auch der informative Faktor des Films nicht unterschätzt werden.

Welche Zielgruppe?
Driver ist zweifelsohne eine berührende Geschichte, deren moralische und lebensnahe Botschaft mit Sicherheit den Großteil der Zuschauer erreicht. Doch die Umgebung und Umstände, in die der Plot gepflanzt ist, mag für die breite Masse außerhalb der jüdischen Gemeinde zu speziell sein. Das liegt weniger an der Eigentümlichkeit des Films an sich, sondern vielmehr an dem Wissen, das dem Zuschauer fehlt, um all die Sitten, die Symbole, die Konstellationen zu verstehen, die Voraussetzung für die Handlung sind. Denn selbst wenn man dem Hergang aufgeschlossen und konzentriert folgt, stolpert man immer wieder über unerklärliche Momente.

Abgesehen davon fehlt es dem Beitrag vom Jüdischen Filmfestival Berlin-Brandenburg 2018 an klar definierter Linie. Die Verwobenheit der Handlungsstränge ist dabei nicht das Problem, sondern eher die Richtung, die dem Zuschauer nicht eröffnet wird. Wohin geht die Erzählung? Taucht die Mutter wieder auf? Muss sich Nahman zwischen seiner Tochter und seinem Beruf entscheiden? Schlussendlich werden zu viele offensichtliche Fragen übersprungen und das vorhersehbare Finale erfüllt die Erwartungen, die der Film im Laufe der Zeit aufbaut, kaum.



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"Driver" ist eine seichte und in vieler Hinsicht informative Darstellung der jüdisch orthodoxen Gemeinde, in der ein Vater und seine kleine Tochter um ihre Existenz kämpfen. Obwohl es viele herzergreifend schöne, wie zutiefst traurige Momente in der kleinen Familie gibt, erreicht "Driver" aufgrund seines Settings wahrscheinlich eher eine kleine, interessierte Zielgruppe.
6
von 10