Home

Home (2016)

„Home“, Belgien, 2016
Regie: Fien Troch; Drehbuch: Fien Troch, Nico Leunen; Musik: Johnny Jewel
Darsteller: Sebastian Van Dun, Loïc Bellemans, Mistral Guidotti

Home
„Home“ ist seit 9. April 2018 als VOD erhältlich

Aller Anfang ist schwer. Vor allem bei einer solchen Vorgeschichte. Körperverletzung, Gefängnis – der weitere Lebensweg des 17-jährigen Kevin (Sebastian Van Dun) ist schon verbaut, noch bevor er wirklich angefangen hat. Seine Eltern wollen nichts mehr von ihm wissen. Immerhin: Bei seiner Tante findet er ein neues Zuhause, auch eine Lehrstelle als Klempner erhält er auf diese Weise. Aber auch das neue Glück steht auf schwachen Füßen. Über seinen jüngeren Cousin Sammy (Loïc Bellemans) der Anschluss an weitere Jugendliche, darunter auch John (Mistral Guidotti), mit denen er viel Zeit verbringt. Partys stehen auf dem Programm. Doch die Vergangenheit lässt Kevin nicht los, ebenso wenig sein Hang zur Gewalt, der immer wieder durchbricht und alles zunichte machen droht.

Home hat die belgische Regisseurin Fien Troch ihr neuestes Werk genannt. Zuhause. Zu spüren ist davon in dem Leben der Jugendlichen jedoch nur wenig. Man könnte es sogar fast komisch finden, wie groß der Widerspruch zwischen dem Titel des Films und dessen Inhalt ist. Wäre es nur nicht so bitter. Zusammen mit ihrem Ehemann Nico Leunen, der mit ihr das Drehbuch verfasst hat, zeigt sie eine Welt, in der jungen Menschen jegliche Perspektive fehlt. In der nur wenige überhaupt versuchen sie zu verstehen, man oft aneinander vorbeiredet. Sofern man überhaupt noch miteinander redet.

Mitten im grauen Getümmel
Es ist aber nicht nur der Inhalt, der Home seinen rauen Charakter verleiht. Das auf vielen Filmfesten gezeigte Drama – unter anderem Toronto, Venedig und München – gibt sich auch bei der Umsetzung sehr schmucklos. So wird hier sehr viel mit Handkamera gearbeitet, was das Gefühl verstärkt, unmittelbar dabei zu sein. Wirklich Teil dieser Welt zu werden, um die Häuser zu ziehen, einen Platz zu suchen. Schön anzusehen ist das nicht. Vor allem die die ständigen Kameraschwenks von einer Person zur nächsten, um die jeweilige Reaktion einzufangen, sind alles andere als elegant.

Aber elegant sollte der Film nun mal auch nicht sein. Dann schon eher naturalistisch, an mehr als einer Stelle darf sich das Publikum fragen, ob wir uns noch im Reich der Fiktion aufhalten oder ob es sich nicht doch um einen Dokumentarfilm handelt. Nur die ungefilterten Ausbrüche sind eine wenn auch wenig angenehme Vergewisserung, dass dies nicht real ist, nicht real sein kann. Gerade zum Ende hin eskaliert Home doch sehr stark. Etwas zu stark vielleicht, die sehr betonten Abgründe vertragen sich nicht so recht mit der zuvor so beiläufig-bitteren Stimmung.

Sie machen, was sie wollen …
Ohnehin sind Erklärungen nicht die ganz große Stärke von Home. Troch vermeidet es, die Motivationen ihrer Figuren aufzeigen zu wollen. Sie begnügt sich damit zu beschreiben, wie das Leben der Jugendlichen aussieht, den Alltag. Warum er so aussieht, das wird nicht klar. Eindrucksvoll ist das durchaus, auf Dauer aber auch ein wenig unbefriedigend. Wenn ein Film wie hier viel mit Improvisationen arbeitet, dann gelingt dadurch ein sehenswerter Querschnitt. Eine tatsächliche Geschichte wird auf diese Weise jedoch schwer erzählt, es mangelt dem Film an einer Richtung und einem Rahmen für die vielen Einzelszenen. Wer auf beides verzichten kann und nicht immer verstehen muss, warum da gerade etwas passiert, der darf sich dennoch glücklich schätzen, dass Home nach seinem Festivallauf nun als VOD erhältlich ist.



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„Home“ nimmt uns mit in die Welt dreier Jugendlicher in Belgien, in der Trost und Verständnis Mangelware sind. Das ist teilweise sehr eindrucksvoll, verschwimmt bei der naturalistischen Darstellung die Grenzen zwischen Spielfilm und Dokumentarfilm. Auf Dauer fehlt dem Drama aber doch ein bisschen der Inhalt: Erklärungen sind Mangelware, man versteht oft nicht, warum die Protagonisten sich verhalten, wie sie es tun.
7
von 10