Familienfilm
© déjà vu Filmverleih

(„Rodinny film“ directed by Olmo Omerzu, 2016)

„Familienfilm“ läuft seit 2. Februar 2017 im Kino

Die Kinder sind ja schon groß, da kann man ihnen ruhig ein wenig Verantwortung übertragen. Dieser Ansicht sind zumindest Irena (Vanda Hybnerová) und Vater Igor (Karel Roden), als sie gemeinsam mit Hund Otto in die Karibik reisen. Tochter Anna (Jenovéfa Boková) soll sich derweil um den Haushalt kümmern, vor allem aber um ihren 15-jährigen Bruder Erik (Daniel Kadlec), der noch zur Schule geht. Lange geht das aber nicht gut. Denn je mehr Freiheiten die beiden genießen, umso weniger funktioniert das mit der Selbständigkeit – vor allem als  Freunde der Geschwister zu ihnen in die Wohnung ziehen. Als dann auch noch der Kontakt zu den Eltern abbricht, ist das Chaos komplett.

Man sollte sich von dem Titel nicht täuschen lassen: Familienfilm mag ein Film über eine Familie sein, er ist jedoch sicherlich keiner für eine Familie. Zusammenhalt? Harmonie? Verantwortung? Davon ist hier nichts zu finden, vielmehr erzählt der slowenische Regisseur und Co-Autor Olmo Omerzu davon, wie eine Familie immer mehr auseinanderbricht. Oder besser: Er zeigt, wie die vorhandenen Brüche langsam immer sichtbarer werden.

Ist die Katze aus dem Haus, freuen sich die Mäuse – so heißt es. Angesichts der Ausgangssituation könnte man auch meinen, dass Familienfilm eine dieser Komödien ist, in denen unbeaufsichtigte Partys aus dem Ruder laufen und zu einer Menge Chaos, wenn nicht gar zerstörter Einrichtung führen. Siehe Project X beispielsweise. Und zumindest anfangs nähert sich die europäische Koproduktion dem erfolgreichen Hollywood-Kollegen an: Da werden alberne Spiele ausgepackt, nackt durchs Wohnhaus gelaufen, Sex, Drugs, Rock’n’Roll, alles da. Regelmäßiges Schuleschwänzen sowieso.

Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit, denn spätestens ab der Mitte des Films will irgendwie gar nichts mehr zusammenpassen. Eigentlich ist das schon ziemlich tragisch, was hier passt. Ein Drama, wie es im Buche steht. Gleichzeitig ist es aber auch schon wieder so übertrieben, dass man stellenweise über die diversen Twists und Abgründe nur lachen will. Denn das wird niemand ernst gemeint haben, kann niemand ernst gemeint haben. Meistens ist das kein gutes Zeichen, eher ein Beleg dafür, wie wenig Gespür jemand dafür hat, was in der Welt da draußen passiert. Oder auch wie wenig Interesse. Und doch hat man hier das Gefühl, dass Omerzu sehr wohl weiß, was er da tut, dafür ist das Chaos zu gezielt.

Wie oft werden beispielsweise Filme über Familien durch eine längere Passage unterbrochen, in der ein Hund allein durch eine Insel streift? Wie er dorthin gekommen ist, erfahren wir erst einmal nicht, ausgerechnet die wichtigsten Handlungspunkte werden nicht gezeigt. Auch das macht Familienfilm ein wenig sonderbar, wenn urplötzlich aus einem Partydrama ein tierisches Überlebensdrama wird. Unter anderem. Aber in Bewegung ist hier ja so einiges: Was dem Werk an Plausibilität mangelt, das macht er durch Dynamik wieder wett, vor allem im zwischenmenschlichen Bereich. Gerade Kristýna (Eliska Krenkova), die Freundin von Anna, sorgt als unschuldig dreinblickende Femme Fatale für emotionale und sinnliche Achterbahnfahrten. Und während einem vom Zusehen fast schon schwindlig wird, Familie und Film sich immer mehr selbst auseinandernehmen, hinter der hübsch wohlhabenden Fassade weniger hübsche Seiten zum Vorschein kommen, dann ist man insgeheim ganz froh, dass Familienfilm über so viele natürlich auftretende Schauspieler verfügt. Denn das sind die wenigen Verbündeten, die einem noch bleiben, wenn von Schiffen bis zu Beziehungen alles in die Brüche geht. Man sich letztendlich keiner Sache mehr wirklich sicher sein kann.



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„Familienfilm“ zeigt, wie ein Urlaub die hässlichen und kaputten Seiten einer Familie hervorbringen kann. Das ist schön anzusehen und ansprechend gespielt, was einem darüber hinweghilft, dass das Drama bewusst übertrieben ist und sich nur wenig an Erwartungen hält.
7
von 10