Die irre Heldentour des Billy Lynn
© Sony Pictures

Die irre Heldentour des Billy Lynn

(„Billy Lynn’s Long Halftime Walk“ directed by Ang Lee, 2016)

„Die irre Heldentour des Billy Lynn“ läuft ab 2. Februar 2017 im Kino

Es war ein furchtbarer Tag für den erst 19-jährigen Soldaten Billy Lynn (Joe Alwyn): Bei einem Einsatz im Irak geraten sie in ein Feuergefecht, welches Sergeant Shroom (Vin Diesel) das Leben kostet. Doch in der Heimat wird der Jugendliche als Held gefeiert, da ein Video zeigt, wie er furchtlos seinem Kameraden zur Hilfe eilte. Und was ein echter Held ist, der muss auch groß präsentiert werden. Der Auftritt während der Halbzeitshow eines Footballspiels soll der vorläufige Höhepunkt einer Siegestour werden. Wobei es auch schon Pläne darüber hinaus gibt: Warum aus der Heldengeschichte nicht gleich einen Film machen und dabei ordentlich absahnen? Filmproduzent Albert Brown (Chris Tucker) zumindest ist davon überzeugt, dass da noch mehr rauszuholen ist. Und mit Norm Oglesby (Steve Martin), dem Besitzer des Footballteams, ist auch schon ein finanzkräftiger Investor gefunden. Gleichzeitig hadert Billy aber nach wie vor mit dem Erlebten und der Frage, ob er tatsächlich zum Helden taugt.

Zwei Regie-Oscars hatte Ang Lee bereits abgeräumt (Brokeback Mountain, Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger), drei wenn man die Auszeichnung als bester fremdsprachiger Film für Tiger & Dragon dazu zählt. Dass sein lang erwartetes neues Werk Die irre Heldentour des Billy Lynn da im Vorfeld auch zu den großen Kandidaten zählen würde, war wenig überraschend. Ebenso wenig überraschend ist aber auch, dass er letztendlich bei den Nominierungen völlig übergangen wurde. Denn es sind dann doch meistens die Helden, die Hollywood gern feiert. Und trotz des Titels ist das Kriegsdrama des taiwanesischen Filmemachers weit von einem Heldenporträt entfernt. Im Gegenteil: Die Verfilmung von Ben Fountains gleichnamigen Roman tut alles dafür, die amerikanische Heldenverehrung infrage zu stellen, wenn nicht gar sie durch den Dreck zu ziehen.

Sonderlich subtil geht Lee dabei nicht vor, dafür aber höchst effektiv: Es reicht ihm, mit starken Kontrasten zu arbeiten. Auf der einen Seite ist die von Dollarzeichen träumende Inszenierung, die aus der Tragödie ein Spektakel macht. Auf der anderen Seite gibt es die Erinnerungen von Billy, die sich immer wieder in die Gegenwart hineinschieben. Mal weil er über seine Erfahrungen nachdenkt, mal weil etwas um ihn herum passiert, das vergangene Geister weckt. Erschreckend ist dabei oft, wie fließend beides ineinander übergeht, hier Dinge und Ereignisse zusammenfinden, die gar nicht zusammengehören sollten.

Aber das ist nun mal Teil des Humors des Films, ein Humor irgendwo zwischen satirisch und absurd, manchmal gar surreal. Wenn Garrett Hedlund als wunderbar sarkastischer Anführer Sgt. David Dime die verlogene Unterstützung der Soldaten mit einer geradezu unwirklichen Schlagfertigkeit genüsslich seziert, dann ist das gleichermaßen unterhaltsam wie erschütternd. Auch die anderen Figuren scheinen oft nicht ganz von dieser Welt zu sein, eher Karikaturen – Vin Diesel als spiritueller Hippiesoldat? –, die aber von dem größtenteils sehr prominenten Ensemble mit so viel Lust am Thema gespielt werden, dass man sich gar nicht daran sattsehen kann. Was auch für den Rest des Films gilt, Die irre Heldentour des Billy Lynn ist geprägt von vielen visuellen Spielereien des gefeierten Regisseurs.

Nur manchmal schaltet Lee einen Gang zurück und lässt seine medienkritische Tour de force mal ein bisschen zur Ruhe kommen. Zwei Frauen sind es, die Billy dann wieder auf die Erde zurückholen, jede auf ihre eigene Weise. Während die hübsche Cheerleaderin Faison (Makenzie Leigh) selbst Teil der Inszenierung ist und die sich anbahnende Romanze etwas Märchenhaftes an sich hat, ist es Billys ältere Schwester Kathryn (Kristen Stewart), die den ganzen Zirkus beenden möchte. Weg von der bombastischen Heldenshow, aber auch weg von dem gefährlichen Einsatz im Irak – sie ist die einzige, die in dem Jugendlichen keine Funktion sieht, sondern den Menschen. Der Mensch, der sich selbst nicht mehr sicher ist, wer er eigentlich ist. Doch noch bevor sie Billy davon überzeugen kann, all dem den Rücken zuzukehren und ein normales Leben zu beginnen, ist es schon wieder vorbei: Die Show muss weitergehen, wenn nicht in einem Footballstadion, dann doch woanders. Denn die Geschichte von Billy, ja Billy selbst – das ist die bitterste Erkenntnis des zweistündigen Dramas – gehören ihm gar nicht mehr. Es ist der Höhepunkt einer Gesellschaft, die das Individuum feiert und dabei gleichzeitig tötet, die auf Bühnen und in fernen Ländern Explosionen loslässt und beides nutzt, um sich anschließend auf die eigene Schulter zu klopfen.



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Überbordend, zuweilen surreal und dabei sehr bissig: „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ zeigt, wie ein amerikanischer Soldat zum Helden erklärt und in einer absurden Show verheizt wird. Das ist nicht subtil, teilweise auch nahe an der Karikatur, aber doch sehr effektiv und lustvoll gespielt.
7
von 10